Zimmer mit Aussicht




Technisches
Land
 
Gb
Jahr
 
1986
Länge
 
115 min. (3192 m)
Farbe
 
color
Tonverfahren
 
Dolby
Format
 
35 mm (1.66:1)
Liebesfilm
Komödie


Regie   James Ivory
Drehbuch   Ruth Prawler Jhabvala
Literaturvorlage   E.M. Forster
Kamera   Tony Pierce-Roberts
Schnitt   Humphrey Dixon
Musik   Richard Robbins, Giacomo Puccini
Ton   Ray Beckett, Peter Compton (Schnitt),
    Alan Killick (Schnitt), Tony Lenny (Schnitt)
Bauten   Gianni Quaranta, Brian Ackland-Snow
Ausstattung   Brian Savegar, Elio Altamura
Kostüme   Jenny Beavan, John Bright
Maske   Christine Beveridge (Make-up),
    Carol Hemming (Frisuren)
Produktion   Ismail Merchant für Merchant-Ivory/
    Goldcrest
Verleih   Concorde, VCL/Virgin (Video)


Kinostart
Gb
  Januar 1986
D
  21.06.1986 (Kinostart: 27.11.1986, Neustart: 18.06.1998)
       
Videostart
D
  17.08.1987
       
TV-Premiere
D
  09.10.1988, ARD
       
DVD
USA
  04.07.2000 (Image Entertainment)
USA
  17.03.2001 (Universal)
USA
  06.04.2004 (BBC Home Video)
Gb
  19.03.2001 (Universal)
D
  09.02.1999 (EuroVideo)


 
USA
  20966000 $
 
D
 
675871 Zuschauer


Maggie Smith   (Charlotte Bartlett)
Helena Bonham-Carter   (Lucy Honeychurch)
Denholm Elliott   (Mr.Emerson)
Julian Sands   (George Emerson)
Daniel Day Lewis   (Cecil Vyse)
Simon Callow   (Reverend Beebel)
Judi Dench   (Miss Lavish)
Rosemary Leach   (Mrs.Honeychurch)
Rupert Graves   (Freddy Honeychurch)
Patrick Godfrey   (Mr.Zager)
Fabia Drake   (Catherine Alan)
Joan Henley   (Teresa Alan)


Lucy, eine junge Engländerin aus gutem Hause, reist 1907 in Begleitung ihrer älteren, strengen Cousine Charlotte nach Italien. Zur Enttäuschung der beiden Damen erhalten sie in der Pension aber nur Zimmer mit Blick auf den Hinterhof. Mr.Emerson, ein älterer Herr, der mit seinem Sohn George zwei der begehrten Zimmer mit Aussicht auf den Arno bewohnt, bietet freundlich einen Zimmertausch an. Cousine Charlotte willigt erst nach langen Verhandlungen ein, da das spontane Angebot ihrer Ansicht nach gegen die Etikette verstößt. In der Folge kommen George und Lucy sich näher; und als sie sich bei einem Ausflug plötzlich in einem Kornfeld gegenüberstehen, gibt George Lucy einen Kuß. Charlotte überrascht die beiden, reist am nächsten Morgen mit Lucy ab und läßt ihren verwirrten Schützling schwören, mit niemandem über den peinlichen Zwischenfall zu sprechen. Nach der Rückkehr in die heimatliche englische Kleinstadt willigt Lucy ein, ihren Verehrer Cecil Vyse, einen snobistischen Dandy aus reichem Haus, zu heiraten. Und auch als ein Zufall es fügt, daß die Emersons ein leerstehendes Haus in der Nachbarschaft mieten, bleibt sie gelassen, da sie sich durch ihre Verlobung gegen jegliche Versuchung gefeit glaubt. Doch ausgerechnet Cecil sorgt ahnungslos für einen Zwischenfall. Als George die Familie Honeychurch besucht, liest Cecil eine schwülstige Passage aus einem neuen Roman vor, die auf fatale Weise der Kuß-Szene in Florenz gleicht. Lucy springt auf, und es gibt einen Moment der Verwirrung, den George nutzt, um Lucy ein zweites Mal einen Kuß zu rauben. Obwohl er ihr gleich anschließend seine Liebe gesteht, fordert Lucy ihn auf, das Haus zu verlassen. Dann aber löst sie ihre Verlobung mit Cecil und macht Anstalten zu einer neuerlichen Auslandsreise. Doch kurz vor der Abreise trifft sie den alten Mr.Emerson, und der bringt sie dazu, sich ihre wahren Gefühle einzugestehen. Im Frühjahr 1908 beziehen Lucy und George ein Zimmer mit Aussicht in Florenz - als Hochzeitsreisende.

 


Ivorys viktorianische Filmkomödie beruht auf einem 1908 veröffentlichten Roman von Edward Morgan Forster. Ivory, Experte für Filmstoffe, in denen kontroverse Kulturen und Lebensstile aufeinandertreffen, geht liebevoll und mit sanfter Hand mit seinen Figuren um. Er stellt sie nicht aus und gibt sie auch dort nicht der Lächerlichkeit preis, wo die Grenze zur Karikatur nicht mehr sehr weit ist - wie etwa bei der Charakterisierung des ausgebooteten Verlobten. »Um der Deutlichkeit willen bedient sich der Film einiger Gegensatzpaare: die Figuren gehören entweder zu den ›Kontinentalen‹ oder ins ›Insel-Lager‹. Als Prototypen beider Gruppen treten George Emerson und Cecil Vyse auf. Weite helle Kleidung und vom Wind umspieltes blondes Haar charakterisieren einen fast romantischen Feingeist, der in Bäume steigt und der Liebsten in einem spontanen Gefühlsausbruch den ersten Kuß auf den Mund drückt. Der andere dagegen verkörpert das Unsinnliche. Im engen dunklen Anzug wirkt Cecils Körper unfrei und überdrüssig aller spontanen Reaktionen und sinnlichen Freuden. Bricht er aus diesem Gleichgewicht aus, treten Unsicherheit und Lächerlichkeit zutage: Bei dem Versuch Lucy zu küssen, verrutscht ihm der Zwicker. Die Polarisierung spiegelt sich in den Ansichten von beiden Schauplätzen. Sehr warme Farb- und Lichtkompositionen in goldbraunen und roten Tönen unterstreichen den Charme von Florenz. Natur wird als Lustgarten aus Obstbaumplantagen und sommerlichen Kornfeldern vorgestellt und mit langsamen Kamerafahrten eingefangen. Dagegen stehen Bilder eines überaus grünen England. Eine üppige Natur, in der Liebe gedeihen, aber wohl kaum entstehen kann. Landschaften werden durch Elemente der Eingrenzung definiert: ein Wald verhindert den schweifenden Blicke in die Ferne, der Garten der Familie Honeychurch wird durch dichte Hecken zum geschlossenen Areal.« (Julia Margarita Gerdes in: Thomas Koebner (Hrsg.), Filmklassiker).

»Das Bekenntnis zum Gefühl, die Entdeckung des Physischen und die Rückkehr zur Natur sollen den Weg weisen, und sie liefern die Pfeiler zur Kritik an einer englischen Gesellschaft, die sich in kulturellem Snobismus, in formell-belanglosen Konventionen, in lebens-, weil sexualitätsfeindlicher Vergeistigung verheddert hat. In diesem Sinne fungieren George und Cecil als Kontrastfiguren. Forsters sozialpolitische Utopie findet ihren deutlichsten Ausdruck in einer Schlüsselszene, die Ivory zu einem inszenatorischen Glanzstück werden läßt. George, Lucys Bruder Freddy und der gemäßigte Pfarrer Beebe nehmen in einem Waldtümpel ein Bad, entledigen sich mit ihren Kleidern ihren sozialen Rollen und finden im Geplansche einen wesentlich kommunikativeren Zugang zueinander als in der wortreichen Konversation zuvor: die Geburt des ›neuen Menschen‹ aus den Wassern dieses sozialmystischen ›heiligen Sees‹ widersetzt sich der klassengesellschaftlichen Moral, daß Kleider Leute machen. Im Kontrast tritt die einheitlich weiß gekleidete und scheinbar indignierte ›Damengesellschaft‹ unter Führung von ›Lady‹ Cecil auf den Plan, wobei sich Cecil durch besonders jungfräuliche Prüderie auszeichnet und den nackten Tatsachen zu entkommen versucht, indem er mit einem Spazierstock durchs Gestrüpp schlägt, als wolle er den Damen den Weg durch den Dschungel primitiver Instinkte bahnen. Die Verbindung von Lucy und George zuguterletzt markiert das Ende der viktorianischen Ära, die sich schon in der Personenkonstellationen als reduziert und defizitär erweist: Lucy und George ergeben schließlich das einzige Paar überhaupt; der weitere erwachsene Personenkreis besteht nur aus Müttern ohne Männern, Vätern ohne Frauen, alternden Jungfern, aus Pfarrern und dem asketischen Cecil. Ivory und Jhabvala haben die Schlüsselszenen des Romans exzellent herausgearbeitet. In einer klaren, Personen, Szenen und Situationen gegenüberstellenden Kontrastruktur werden Forsters Wasser- und Fenster-Symbolik sowie die Außen/innen-Dialektik souverän ins Bild gesetzt.« (Peter Kremski, Medien+Erziehung).

»Sehr britisch, voller schöner, sanfter Ironie ist diese Verfilmung des Romans von E.M. Forster. Regisseur James Ivory geht mit der Patina dieser 1907 spielenden Gesellschaftskomödie spielerisch und mit geschmacklich sicherer Dosierung von Understatement und Witz um. Die Geschichte von den ersten romantischen Gefühlsverwirrungen eines jungen Mädchens der englischen Mittelklasse im südlich sinnlichen Ambiente von Florenz wirkt trotz der Kostüme erstaunlich modern. Der Widerstand der Gefühle gegen puritanische Konventionen ist ein ideales Kinothema, das Ivory süffisant und kritisch zugleich mit hinreißenden Darstellern belebt.« (Frauke Hanck, TZ).

Angesichts der farbenprächtigen Bilder scheint es verwunderlich, daß Zimmer mit Aussicht mit einem Budget von nur 3 Mio. Dollar realisiert werden konnte. Die Mühe und Detailbessenheit, die in diesem Film steckt und in jeder Szene sichtbar ist, wurde mit einem Ein-spielergebnis von 50 Millionen Dollar belohnt. Rückblickend erwies sich Zimmer mit Aussicht als Beginn eines Trends zu vergangenheitsorientierten Liebes- und Gesellschaftsgeschichten. Mit Blick auf Wiedersehen in Howard's End (1992), Was vom Tage übrigblieb (1993) und Shadowlands (1993) wird deutlich, daß das Spiel mit dem puritanischen Tabu und der Vorliebe für britische Lebensart eine Art Genre in der englischen Filmproduktion kennzeichnen.



Academy Awards, USA
Jahr   Kategorie/Preisträger
1987
Oscar
Beste Ausstattung/Bauten - Brian Ackland-Snow, Elio Altramura, Gianni Quaranta, Brian Savegar
Beste Kostüme - Jenny Beavan, John Bright
Bestes adaptiertes Drehbuch - Ruth Prawer Jhabvala
Bester Nebendarsteller - Denholm Elliott (Nominierung)
Beste Nebendarstellerin - Maggie Smith (Nominierung)
Beste Kamera - Tony Pierce-Roberts (Nominierung)
Beste Regie - James Ivory (Nominierung)
Bester Film - Ismail Merchant (Nominierung)
 
British Academy Awards, UK
Jahr   Kategorie/Preisträger
1987
British Academy Award
Beste Hauptdarstellerin - Maggie Smith
Beste Nebendarstellerin - Judi Dench
Bester Film - James Ivory, Ismail Merchant
Bestes Produktionsdesign - Brian Ackland-Snow, Gianni Quaranta
Bester Nebendarsteller - Simon Callow, Denholm Elliott (Nominierung)
Beste Nebendarstellerin - Rosemary Leach (Nominierung)
Bestes adaptiertes Drehbuch - Ruth Prawer Jhabvala (Nominierung)
Beste Kamera - Tony Pierce-Roberts (Nominierung)
Beste Regie - James Ivory (Nominierung)
Bester Schnitt - Humphrey Dixon (Nominierung)
Beste Musik - Richard Robbins (Nominierung)
Bester Ton - Ray Beckett, Richard King, Tony Lenny (Nominierung)
 
Golden Globes, USA
Jahr   Kategorie/Preisträger
1987
Golden Globe
Beste Nebendarstellerin - Maggie Smith
Beste Regie - James Ivory (Nominierung)
Bestes Drama (Nominierung)
 


 
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Gert Berghoff in: Kölner Rundschau, 13.12.1986; Doris Blum in: Die Welt, 5.12.1986; Anne Frederiksen in: Zitty, 24/1986; Hans Gerhold in: film-dienst, 24/1986; Kai Hoffmann in: FR, 5.12.1986; Andreas Kilb in: FAZ, 10.12.1986; Susanne Kippenberger in: epd Film, 12/1986; Peter Kremski in: medien+erziehung, 1/1987; Siegfried Schober in: Die Zeit, 12.12.1986; Willi Winkler in: Der Spiegel, 8.12.1986

Cinema Nr.103 (12/1986), S.52; Nr.106 (3/1987), Plakatkarte

Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Stuttgart/Leipzig 1995

Müller, Jürgen: Filme der 80er, Köln 2002