Apocalypse Now




Technisches
Land
 
USA
Jahr
 
1977-79
Länge
 
153 min.
   
(4189 m 35 mm),
   

147 min. (70 mm)

   
203 min. (Redux)
Farbe
 
color
Tonverfahren
 
70mm 6-Track/Dolby
   
Redux:
   
DTS /Dolby Digital
Format
 
35 mm/70 mm
   
(2.35:1,Technovision)
Kriegsfilm
Drama


Regie   Francis Ford Coppola
Drehbuch   Francis Ford Coppola, John Milius,
    innere Monologe von Willard: Michael Herr
Kamera   Vittorio Storaro
Spezialeffekte   Joe Lombardi
Schnitt   Richard Marks, Lisa Fruchtman,
    Gerald B. Greenberg, Walter Murch
Musik   Carmine Coppola, Francis Coppola,
    Mickey Hart, Richard Wagner
Songs   The Doors
Ton   Walter Murch, Mark Berger, Richard Beggs,
    Nat Boxer, Richard Cirincione (Schnitt),
    David Bell (Redux), Michael Kirchberger
    (Schnitt Redux)
Bauten   George R. Nelson
Ausstattung   Dean Tavoularis, Angelo Graham
Kostüme   Charles E. James
Maske   Fred C. Blau Jr., Jack H. Young
Stunts   Terry Leonard
Produktion   Francis Ford Coppola für Omni Zoetrope
    Production, Kim Aubry (Redux)
Verleih   Tobis Filmkunst


Kinostart
USA
  15.08.1979 (Redux: 03.08.2001)
F
  Mai 1979 (Redux: 11.05.2001)
D
  04.10.1979 (Redux: 18.10.2001)
       
Videostart
D
  08.04.2002 (Redux)
       
DVD
USA
  23.11.1999 (Paramount)
USA
  20.11.2001 (Paramount, Redux)
Gb
  06.11.2000 (Paramount)
D
  09.11.2000 (Paramount)
D
  08.04.2002 (Paramount, Redux)


USA
  78800000 $ (Redux: 4615959 $)
 
D
  10030041 €, 3285939 Zuschauer
  (Redux: 80736 Zuschauer)


Marlon Brando   (Colonel Kurtz)
Martin Sheen   (Captain Willard)
Robert Duvall   (Oberst Kilgore)
Albert Hall   (Chief Phillips)
Frederic Forrest   (Hicks)
Sam Bottoms   (Lance B. Johnson)
Larry Fishburne   (Clean)
Dennis Hopper   (Fotoreporter)
G. D. Spradling   (General Corman)
Harrison Ford   (Colonel Lucas)
Scott Glenn   (Captain Richard Colby)


Der Film führt zurück in das Saigon des Jahres 1969. Ein von Alpträumen geplagter amerikanischer Geheimdienstoffizier erhält den Spezialauftrag, irgendwo im tropischen Regenwald an der kambodschanisch-vietnamesischen Grenze einen Colonel der eigenen Armee, einen gewissen Walter E. Kurtz, ausfindig zu machen und zu liquidieren; denn Kurtz, einst ein Mann mit brillanter Karriere und hohen soldatischen Qualitäten, hat sich abgesetzt und im Dschungel ein despotisches Todesregiment errichtet. Sein Treiben ist dem Pentagon mehr als unheimlich. Man hält ihn für wahnsinnig. Er soll verschwinden. Inspiriert von Joseph Conrads phantastischer Novelle Herz der Finsternis, läßt Coppola den Captain Willard mit vier Leuten - dem erfahrenen schwarzen »Boss«, dem jungen schwarzen Clean, dem Ex-Koch »Chef« und dem Wellenreiter-As Lance - und einem Kanonenboot tagelang einem Flußlauf folgen, um in das Reich des Colonel Kurtz zu gelangen. Die Fahrt durch den Dschungel wird für ihn zu einer Konfrontation mit einer makabren Wirklichkeit - und mit sich selbst. Er trifft auf Oberst Kilgore, der zu den Klängen von Wagners »Walkürenritt« mit seiner Hubschrauber-Staffel ein vietnamesisches Dorf dem Erdboden gleichmacht und das Gebiet mit Napalm »säubert«, damit einer aus Willards Truppe ungestört seine Künste als Surfer vorführen kann. Er findet mitten im Dschungel ein gigantisches Versorgungslager, in das mit Hubschraubern Playgirls zur Truppenbetreuung eingeflogen werden. An einer Brücke im Niemandsland treffen die Bootsfahrer auf eine US-Truppe, die schon gar nicht mehr weiß, wo im Dschungel der Gegner sein könnte, die führungslos und im Hasch-Rausch einfach um sich schießt. Später treffen sie auf eine harmlose vietnamesische Dschunke, bei deren Kontrolle zwei seiner Männer die Nerven verlieren und eine ganze Familie mit ihren Maschinenpistolen durchsieben. Nur den Feind sehen sie nicht; der steckt irgendwo im Dschungel. Nach Überfällen durch feindliche Einheiten (die Clean und »Boss« töten), erreicht Willard mit dem inzwischen aufgrund von Drogenkonsum und Kriegsgreueln irre gewordenen Lance und dem bodenständigen »Chef« Kurtz' Lager - eine phantastische Tempelruine im Urwald, deren Umgebung von Gekreuzigten und anderweitig ums Leben gekommenen Menschen verunziert wird. Willard findet schließlich einen Philosophen des Untergangs, der einer fragwürdigen westlichen Zivilisation die Maske der moralischen Selbstgerechtigkeit mit rigoroser, selbstzerstörerischer Entschlossenheit heruntergerissen hat, um dahinter die apokalyptische Fratze imperialistischen Destruktionstriebes sichtbar werden zu lassen. Kurtz schlachtet »Chef« ab, bevor dieser die Division anfunken kann. Irgendwann erfährt Willard, daß Kurtz getötet werden will, und zwar von ihm - vorausgesetzt, er informiert seine Familie über seine wahren Beweggründe. Während eines blutigen Opfer-Zeremoniells im mythenraunenden, monumentalen Gomorrha des Colonel Kurtz entledigt sich der bis auf den Grund seiner Seele verstörte Captain Willard auf brutal-rituelle Weise eines Auftrags. Die eingeborenen Anhänger von Kurtz feiern nun Willard als ihren Gott. Der flieht jedoch mit dem letzten Überlebenden seiner Männer zurück hinter die amerikanischen Linien.

 


Bereits 1969 schrieb John Milius, der Anekdoten und Berichte über den Krieg gesammelt hatte, ein Drehbuch, und verwendete als Handlungsrahmen Motive aus Joseph Conrads Novelle Herz der Finsternis. Damals sollte eigentlich George Lucas Regie führen. Aber der konnte sich mit dem Stoff nicht anfreunden. Aus Geldmangel legte man die Sache auf Eis, bis Coppola, den Erfolg seiner Paten-Filme im Rücken, sich 1976 an die Realisierung des Projektes machte. Coppola selbst schrieb den Entwurf von Milius mehrfach um und verarbeitete weitere literarische Themen und Motive: von T.S. Eliot (The Hollow Men And The Waste Land - hieraus stammt ein Teil der Monologe von Brando), Jesse L. Weston (From Ritual To Romance, ein Buch über die Gralssage) und James Fraser (The Golden Bough). Als Erzähler des inneren Monologes im Film engagierte er schließlich Michael Herr, der wohl eine der besten Reportagen über den Vietnam-Krieg geschrieben hat. Nach dem Theater um die Besetzung der Hauptrollen zogen sich die Außenaufnahmen auf den Philippinen 14 Monate lang hin, begleitet von Kulissen-zerstörenden Taifunen, einem Herzinfarkt Martin Sheens und einer Kostenexplosion von 12 Mio. auf über 31 Mio. Dollar. Coppola: »Dieser Film ist Vietnam. Ich hatte eine eigene Armee beim Drehen. Es war exakt wie im Krieg. Ich war der General. Wir fielen in ein fremdes Land ein und lösten eine Inflation aus mit unserem Millionenbudget. Wir hatten wie in Vietnam zuviel Leute, zuviel Material, zuviel Geld. Doch der Dschungel fing uns ein - unser Denken begann sich zu verändern. Als ich bemerkte, wie sich diese Probleme und Parallelen häuften, habe ich versucht, alles in den Film mit hineinzunehmen.« Am Ende hatte Coppola 500 Kilometer Filmmaterial zu bearbeiten. Unter immensem Erfolgsdruck erstellte Coppola aus dem über vier Stunden langen Rohschnitt für die Cannes-Premiere im Mai 1979 eine 153 Minuten-Fassung und hoffte, sich der damaligen Publikumserwartung annähern zu können: Coppola eliminierte ganze Sequenzen, betonte die Action und legte über die Szenen einen Voice-over-Kommentar der Hauptfigur, geschrieben vom Vietnam-Autor Michael Herr. Diesen inneren Monolog, angelsächsisch als stream of consciousness bezeichnet, verwendete Coppola ganz wörtlich, um seinem Kriegs-Kaleidoskop einen roten Faden zu geben, eine eigentliche erzählerische Ebene. In einem genialen Publicity-Stunt ließ der Regisseur sein unfertiges Werk bei den Filmfestspielen 1979 in Cannes als »work in progress« aufführen, und die Sensation war perfekt. Apocalypse Now erhielt (zusammen mit Schlöndorffs Die Blechtrommel) die Goldene Palme. Die offizielle Premiere fand am 15.8. desselben Jahres in New York statt - mit leicht geändertem Schluß. Dieser hatte Coppola auch während der Dreharbeiten am meisten Kopfzerbrechen bereitet.

Die metaphysisch überlagerten, mit Symbolen und mit dämonischen Motiven der Realität entfremdeten Schlußsequenzen des Films machen jedoch nicht den spektakulären Charakter des Films aus. Was Apocalypse Now zu einer der härtesten Abrechnungen mit dem verbrecherischen Krieg der USA gegen das vietnamesische Volk werden läßt, das ist die Flußfahrt des Captain Willard mit all ihren wahnwitzigen Details wie der unter den Klängen von Wagners Walkürenritt virtuos gefilmte Helicopter-Angriff, der den Krieg in seiner technisierten Gewalttätigkeit zeigt und dabei fast zu einem fragwürdigen Faszinosum wird. Nicht weniger obszön sind die Szenen aus dem Armeelager, wo kreischende Go-go-Girls die GIs erst anmachen und dann rasch wieder verschwinden, als die Absicht der Manager, den Soldaten aggressiven Frust zu verschaffen, erfüllt ist. Captain Willards Reise stromaufwärts wird zusehends zu einer Fahrt in den Wahnsinn. Das Abbild des sinnlosen Materialkrieges einer imperialistischen Industrienation gegen ein - bei Coppola freilich gesichtslos und daher arrogant-abweisend gezeichnetes - Bauernvolk wird zum Sinnbild einer Schlachtbeschreibung, die unversehens My Lai mit Auschwitz in eine Linie rückt. Es sei kein Film über Vietnam, sondern Vietnam selbst. Es sei auch kein Film über den Krieg, sondern über die Grundsituationen menschlichen Daseins, wie sie in einem Krieg auftreten. »Der Film als Krieg, aber auch - der Krieg als Medienereignis, das ist Apocalypse Now: gigantomanisch, manieriert, selbstverliebt (Coppola inszeniert sich in einer Szene selbst als Fernsehregisseur, der gerade eine ihm entgangene Schlacht fürs TV neu ablaufen lässt!) und zugleich brutal, realistisch, satirisch, zynisch, dann wieder mythisch, opernhaft, pathetisch. Apocalypse Now handelt vom Krieg in Vietnam als von einer Erfahrung der Selbstzerstörung Amerikas. Darin ist der Film politisch kritisierbar, darin liegt aber auch sein ästhetischer Wahrheitsgehalt.« (Bernd Kiefer in: Thomas Koebner (Hrsg.), Filmklassiker).

Das Ergebnis war nicht unumstritten. Aber es überwog doch die Anerkennung für einen Film, der den Wahnwitz des Krieges in bildstarken Sequenzen einfängt und der das Grauen gleichzeitig mehr und mehr zu Metaphern verdichtet. Dabei ist dieses aufwendige Anti-Kriegs-Drama gleichzeitig auch ein psychologisches Kammerspiel. Willards Fahrt auf dem Fluß wird auch zur Expedition in sein eigenes Bewußtsein und Unterbewußtsein, die ihn schließlich in der Begegnung mit Kurz zu einer Konfrontation mit den dunklen Seiten seiner eigenen Seele führt. So ist die Tötung von Kurtz auch eine Abrechnung Willards mit sich selbst.

»Schon die Eingangsszene enthält alles, was die folgenden zwei Stunden und zwanzig Minuten zu einem Erlebnis der Superlative werden lassen: perfektes Handwerk, einen ungeheuren technischen Aufwand, eine radikale persönliche Sicht des amerikanischen Vietnam-Traumas, eine Fülle von vielschichtigen Verweisen sowie szenische, optische und akustische Erfindungskraft, die sinnlicher verdeutlicht, was sich hinter den fünf Buchstaben des Wortes ›Krieg‹ verbirgt, als es die alltäglichen Nachrichten in den Medien während des jahrelangen Vietnamkriegs je vermochten.« (Bodo Fründt, Der Stern).

»130 Minuten lang ist Apocalypse Now eine fantastische Fieberphantasie des militaristischen Wahnsinns, der die Amerikaner vom Zweiten Weltkrieg bis heute fehlgeleitet hat. Doch ab dem Moment, in dem Willard auf den berüchtigten Kurtz in seinem Dschungelcamp trifft, schleppt sich der Film seinem Ende entgegen. In Coppolas Film verlieren sich Brandos Ambitionen in existentialistischem Gefasel, ein bißchen so, als imitiere er Klaus Kinski im Halbdunkel einer New Yorker Studiobühne. Apocalypse Now begeistert mit seinem perfekten und grandiosen ersten Teil und zerläuft dann ein wenig in eine Urwald-Coda, die freudianisches Mythenspiel zu zelebrieren versucht. Wie auch immer: was Coppola aus Conrads spätkolonialistischer Albtraumnovelle machte, das bleibt einem in Erinnerung wie ein Jimi-Hendrix-Gitarren-Solo. Der Film ist eine psychedelische Symphonie, und er ist auch wirklich eine knallharte Beschreibung dieses für eine ganze amerikanische Generation so zutiefst verheerenden Kriegs.« (Dominik Graf, EPD Film).

Allerdings kann man darüber streiten, ob die Verbindung der symbolträchtig-geheimnisvollen Novelle Conrads und anderer literarischer Einflüsse mit der Realität des Vietnam-Krieges nicht dazu beiträgt, den Krieg zu mystifizieren und ihn den rationalen Kategorien, die zu seiner Verhinderung nötig sind, zu entziehen. »Da gibt es die inneren Monologe, die wie das schlechte Gewissen des Regisseurs über den Bildern zu hören sind - oft aber absorbiert werden von den Farben, den visuellen Reizmomenten, der aufwendigen Tongestaltung. Der so angegriffene The Deer Hunter von Michael Cimino ist ein viel ehrlicherer Film über Vietnam, weil er kaum den Krieg, aber dessen verheerende Auswirkungen auf ein paar Menschen, die glaubten, ein Abenteuer hinter sich zu bringen, beschreibt.« (Erwin Schaar, Medien+Erziehung).

Apocalypse Now war ein gewaltiger kommerzieller Erfolg und erhielt sieben Oscar-Nominierungen, darunter für den besten Film, Nebendarsteller, Regie, Schnitt, Bauten und Original-Drehbuch. Er gewann für Kamera und Ton. 21 Jahre später hat Francis Ford Coppola - ursprünglich nur für den Datenträger DVD - seinen zum Klassiker gewordenen Film von 1979 mit 53 zusätzlichen Minuten aus dem Originalnegativ zu Apocalypse Now Redux erweitert. »Ich habe den Film im Fernsehen gesehen und fand ihn zu konventionell, weniger scharf und böse, als ich ihn in Erinnerung hatte, wahrscheinlich weil unsere Kultur und unsere Rezeption sich mit der Zeit ändern. Der erste Entwurf dauerte schon fast vier Stunden. Was dann sehr viel kürzer ins Kino kam, war ein Kompromiss mit Konzessionen an die traditionelle Struktur des Antikriegsfilms und den Mainstream-Geschmack. Ich glaube, die neue Version ist interessanter, manchmal sogar etwas komischer und romantischer. Und trotz der Länge wirkt sie irgendwie schneller. An diesem Film war damals alles 'oversized', die Vorbereitung, die Produktion, die Dreharbeiten, der Schnitt. Als ich mich dann mit Walter Murch im Jahr 2000 an die Arbeit machte, haben wir nicht nur Szenen eingefügt, die in der ersten Fassung schweren Herzens herausfielen, sondern einen kompletten Neuschnitt gefertigt. Der neue Film entspricht total meinen Vorstellungen, das Ende hat sich nicht geändert, ist aber besser nachvollziehbar.« (Francis Ford Coppola).

»Die grösste Erweiterung besteht in der sogenannten Plantagen-Sequenz der letzten Station von Willard und seiner Boots-Crew vor dem Eindringen in Kurtz' Dschungelreich, unmittelbar nach dem Tod des ersten Crew-Mitglieds, im Hause einer alten französischen Kolonialfamilie. Hier, in absurd gepflegter Atmosphäre, werden Sinn und Motivation für den Krieg in Vietnam diskutiert, und Willard wird von einer jungen französischen Witwe im Opiumrausch verführt. Die bewusst retardierendeSequenz erinnert an die Circe-Episode der Odyssee, und es ist klar, warum Coppola seinerzeit darauf verzichtet hat: Ohne den Handlungsfaden zu unterbrechen, sparte er auf einen Schlag eine halbe Stunde und viele politisch-philosophische Dialogzeilen ein. Die Sequenz leistet allerdings genau jene ideologische Unterfütterung des Films, welche seinerzeit der Interpretation durch die Kritik überlassen wurde. Apocalypse Now Redux erweitert auch die Episode um den surfwütigen und napalmliebenden Oberstleutnant Kilgore um einige komische Facetten; auf die Sequenz mit dem Auftritt der Playboy-Bunnies vor den Soldaten folgt eine weitere in einem regenüberfluteten MASH-Camp, in dem sich die verlorenen Jungen von Willards Boot mit den ebenso verlorenen und schon halb verrückten Playboy-Mädchen einem traurig-erotischen Totentanz hingeben. Diese Szenen, ebenso wie eine weitere wieder hinzugefügte, in der Marlon Brando als Kurtz dem gefangenen Willard einen authentischen Time-Artikel über den bevorstehenden Sieg der USA in Vietnam vorliest, machen überdeutlich, was mit dem Gestank der Lüge gemeint ist, von dem Kurtz mehrfach redet.« (Michael Sennhauser, NZZ).

»Es gibt Kriegsfilme und kriegsverherrlichende Filme. Apocalypse Now ist ein Kriegsfilm, und zwar der radikalste, und gerade, oder trotz seiner Übersteigerungen, der wahrhaftigste. Wenn, nach beinahe einem Vierteljahrhundert, der Directors Cut eines längst legendären Films in die Kinos kommt müssen Fragen erlaubt sein wie: Warum nicht früher? Und: Muss das wirklich sein? Ist die Veröffentlichung dieses neuen Materials nicht allein ein werbetechnischer Anreiz, Generationen ins Kino zu locken, die Apocalypse Now höchstens per Video wahrgenommen haben? Und wenn die Antwort ›Nein‹ lautet, sich also der Directors Cut der bisherigen Fassung wirklich überlegen zeigt, fragt man sich erst recht, weshalb ein Regisseur so lange damit hinterm Berg hielt, warum er überhaupt je eine derartige Verstümmelung seines Schaffens zugelassen haben mag. Coppola sagt, er habe damals Angst vor einem Kassenflop gehabt und als Zugeständnis an den Massengeschmack den Film gekürzt. Das ist eine ehrliche, wenngleich beschämende Auskunft. Nun, da er es sich leisten kann, bringt er eine Fassung von 203 Minuten und sagt, er sei endlich zufrieden. Er hat allen Grund dazu, denn er hat sich und uns ein Meisterwerk geschenkt, das so jung und frisch wirkt, als sei es eben erst abgedreht worden. Apocalypse Now ist jetzt noch um einiges größer und böser als zuvor. Die PR-Maschine der späten Siebziger hielt es wahrscheinlich für politisch korrekt, Apocalypse Now als Verurteilung des Krieges per se zu verkaufen, und viele haben das eifrig nachgeplappert. Tatsächlich wird aber nicht der Krieg für sinnlos erklärt, sondern nur dieser, der Vietnam-Krieg, und das explizit an drei Stellen. ›Ihr Amerikaner könntet diesen Krieg gewinnen,‹ sagt einer der gespenstischen französischen Kolonialherren, ›warum tut ihr es nicht?‹ Colonel Walter Kurtz entgegnet indirekt, an einer anderen Stelle, noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, man könne keinen Krieg gewinnen, der nicht konsequent geführt würde, schon gar nicht mit frischen Rekruten, die - sinngemäß - durch Drogen, Playboyhefte und Rock 'n' Roll verweichlicht seien. Später, schon geisteskrank, wird er deutlicher, erzählt von Vietcongtruppen, die in einem Dorf allen von Amerikanern geimpften Kindern den geimpften Arm abgehackt hätten. Und Kurtz sagt: ›Diese Leute sind aber keine Unmenschen, sie sind echte Kämpfer, für die es nur Sieg oder Tod gibt. Hätte ich zehn Divisionen solcher Leute, der Krieg wäre schnell zu Ende.‹ Das klingt entsetzlich nach einer geheimen Himmler-Rede. Kein Wunder, dass Apocalypse Now sich Vorwürfe faschistoider Tendenzen einfing. Nun kann man entgegnen, dass Colonel Kurtz ja geisteskrank sei. Gewiss, aber unzweifelhaft transportiert der Film die Botschaft, dass der Krieg durchaus hätte gewonnen werden können, von Soldaten, für die der Sieg irgendeinen essentiellen Sinn gehabt hätte. Man könnte Apocalypse Now, böse interpretiert, als Plädoyer für den totalen Krieg sehen - ganz oder gar nicht - und diese Ansicht wird durch die Langfassung noch um etliches verstärkt. Ob Coppola es so gemeint hat, ist eine nachrangige Frage. Ebenso unzweifelhaft wird durch dieses Plädoyer die Sinnlosigkeit des Vietnamkrieges umso grotesker deutlich, gewinnt die Anklage der Comic-Generäle, wie Kurtz sie nennt, um einiges an Vehemenz, wird zur nur noch radikaleren Abrechnung mit der militärischen und politischen Führung - und schickt den Kinogänger in einen beispiellosen Alptraum, gegen den selbst Filme wie Die durch die Hölle gehen oder The Thin Red Line beschaulich bis idyllisch wirken. Ein Rausch der bösen Bilder, ein Nachtmarsch in die letzten Winkel der vom Krieg pervertierten, bzw. offengelegten Seele. Aber sind denn wirklich alle neuen 49 Minuten notwendig? Nein, man hat ja gesehen, dass es auch ohne ging. Nur ist beinahe jede der 49 Minuten eine Stufe nach oben auf der Leiter zur künstlerischen Perfektion, und höchstens über den Sinn der kurzen erotischen Eskapade auf der französischen Plantage könnte man streiten. Ansonsten kommt einem nach Sichtung des neuen Materials die bisherige Fassung wie eine wirr verstümmelte, verhackstückte Karikatur vor. Alles ist nun viel organischer, auch grausamer. Die Gewaltorgien, die nicht nur im Sinne von Splatter oder Action, sondern schlicht im Sinne von überwältigender Bildgewalt stattfinden, gewinnen enorm durch die Hineinnahme vordergründig ruhiger Phasen, die den Fluss der Verstörung indes an keinem Punkt zum Versickern bringen. Besonders die Szene, in der Captain Willard zur Aufheiterung seiner Männer in einem verregneten Außenlager zwei Benzinkanister gegen eine Viertelstunde mit den im Dschungel sitzen gebliebenen Playmates tauscht, gehört zu den schwärzesten und erbarmungslosesten Passagen. Es wird Stimmen geben, die die Fortführung der Surfszene, in der dem satirisch überzeichneten Kommandanten der Luftkavallerie das Surfbrett geklaut wird, albern nennen. Aber zur Bösartigkeit des Filmes gehört ja, dass er uns zuerst auf eine Art M.A.S.H.-Linie führt, uns eine Groteske anbietet, in der wir es uns vorläufig bequem machen können. Bis er uns in die Tiefe stürzt. Selbst Marlon Brando, als sehr spät ins Bild kommender Colonel Kurtz hat neue Szenen, deren vorheriges Fehlen nachträglich beinahe unfasslich anmutet. Darin agiert und redet er relativ rational, mit dem Sprachduktus eines politischen Analysten - und gibt der Figur eine ganz neue, paradoxerweise noch abgründigere Tiefenschärfe. Bisher konnte man durchaus behaupten, dass Brando nicht viel mehr getan habe, als einen Geisteskranken mit diversen Klischees anzudeuten. Aber nicht er, sondern einer der Franzosen klärt Willard auf: ›Die Vietcong sind eine Erfindung der Amerikaner. Ihr habt sie damals Freiheitskämpfer genannt und gegen uns losgeschickt.‹ Da fröstelt es einen. Plötzlich stimmt alles. Die hinzugewonnene Epik wirkt nie opulent, jede Einstellung besitzt ihren Sinn. Das Verlassen der letzten zivilisatorischen Grenzmarken ist nicht mehr nur eine Flussfahrt auf dem bunt beleuchteten Styx, sie wird zur inneren Reise in die Geschichte Südostasiens - und in die Atavismen des körpereigenen Mischwesens aus Tier und Gott. Manches, was zuvor aufgesetzt aussah, erscheint nun als logische Bebilderung dessen, was Joseph Conrad in seinem Roman angestrebt und auf seine Weise erreicht hat. Obwohl die Plots vordergründig weit auseinanderliegen, muss Apocalypse Now künftig als eine der gelungensten Literaturverfilmungen überhaupt gelten. Die Entwicklung der Charaktere, die Verlagerung des äußeren Geschehens in die Gehirne der einander verwandten Antagonisten Willard und Kurtz, die zum Schluss den Krieg hinter sich lassen, in dem sie ihn zur Auseinandersetzung miteinander reduzieren, und die durch den archaischen Zweikampf (in Wahrheit ein ritueller Selbstmord) zumindest für einen der beiden einen Weg zurück ins Licht finden - all das ist nun zwingend, überzeugend. Der Zuseher muss, um den Film zu ertragen, Position beziehen, zwischen zwei soldatischen Denkmustern, die ihm beide unendlich fern vorkommen müssen, im Grunde aber nur die äußersten Konsequenzen eines zu Ende gedachten Stoffes anbieten. Wo es sonst für Kriegsfilme so oft fatal wird, nämlich beim Versuch, die Ungeheuerlichkeit der Todesmaschinerie mithilfe eines Gegensatzpaares zweier Individuen wiederzuspiegeln, gewinnt Apocalypse Now souverän, weil er - simpel gesagt - von der Selbstverständlichkeit ausgeht, dass ein Phänomen wie der moderne Krieg, in dem das Schicksal von Individuen nichts, aber auch gar nichts zählt, dennoch aus nichts anderem besteht als aus hunderttausenden individueller Leidensgeschichten. Woraus denn sonst? Dass das dargestellte Grauen nicht vom Vorwurf der Ästhetisierung frei bleiben dürfte, ist zu erwarten. Das kann allerdings dem Film nur zum Lob gereichen, handelt es sich doch um nichts anderes als ein ästhetisches Produkt, ein Kunstwerk. Im allerbesten Sinne. Die Reise, die man mit dem Ansehen von Apocalypse Now antritt, geht noch lange weiter, wenn der Abspann längst durchgelaufen, im Kino die Lichter wieder angegangen sind. 22 Jahre nach seiner Premiere ist Apocalypse Now erneut der Film der Saison.« (Helmut Krausser, Die Welt). Da die deutschen Synchronsprecher und ihre Stimmen über die Jahre gealtert sind, wurde für die meisten Darsteller Ersatz gesucht. Nur die Hauptfigur Captain Willard, gespielt von Martin Sheen, wurde wieder von Christian Brückner synchronisiert. Für Marlon Brando, der Colonel Kurtz spielt, wurde Thomas Fritsch engagiert. Er ersetzte den verstorbenen Gottfried Kramer.


Academy Awards, USA
Year   Kategorie/Preisträger
1980
Oscar
Beste Kamera - Vittorio Storaro
Bester Ton - Richard Beggs, Mark Berger,
Nathan Boxer, Walter Murch
Bester Nebendarsteller - Robert Duvall (Nominierung)
Best Ausstattung - Angelo P. Graham, George R. Nelson, Dean Tavoularis (Nominierung)
Beste Regie - Francis Ford Coppola (Nominierung)
Bester Schnitt - Lisa Fruchtman, Gerald B. Greenberg, Richard Marks, Walter Murch (Nominierung)
Bester Film - Francis Ford Coppola, Gray Frederickson, Fred Roos, Tom Sternberg (Nominierung)
Bestes adaptiertes Drehbuch - Francis Ford Coppola, John Milius (Nominierung)
 
British Academy Awards, UK
Jahr   Kategorie/Preisträger
1980
British Academy Award
Beste Regie - Francis Ford Coppola
Bester Nebendarsteller - Robert Duvall

Beste Musik (Anthony Asquith Award) - Carmine Coppola, Francis Ford Coppola (Nominierung)

Bester Hauptdarsteller - Martin Sheen (Nominierung)
Beste Kamera - Vittorio Storaro (Nominierung)
Bester Schnitt - Lisa Fruchtman, Gerald B. Greenberg, Richard Marks, Walter Murch (Nominierung)
Bester Film (Nominierung)
Bestes Produktionsdesign - Dean Tavoularis (Nominierung)
Bester Ton - Nathan Boxer, Richard P. Cirincione, Walter Murch (Nominierung)
 
Filmfestival Cannes, Frankreich
Jahr   Kategorie/Preisträger
1979
Goldene Palme
FIPRESCI-Preis (Wettbewerb) - Francis Ford Coppola
Goldene Palme - Francis Ford Coppola

zusammen mit Die Blechtrommel
 
César, Frankreich
Jahr   Kategorie/Preisträger
1980
Bester ausländischer Film - Francis Ford Coppola (Nominierung)
 
Golden Globes, USA
Jahr   Kategorie/Preisträger
1980
Golden Globe
Beste Regie - Francis Ford Coppola
Bester Nebendarsteller - Robert Duvall
Beste Originalmusik - Carmine Coppola, Francis Ford Coppola
Bestes Drama (Nominierung)
 
Goldene Leinwand, Deutschland
Jahr Kategorie
1980


 




Hartmut Bitomsky in. Filmkritik, 12/1979; Linda Costanzo Cahir in: Literature/Film Quarterly, 3/1992; Jan Distelmeyer in: taz, 29.9.2001; Dominik Graf in: epd Film, 8/2005; Louis K. Greiff in: Literature/Film Quarterly, 3/1992; Reinhold Jacobi in: film-dienst, 21/1979; Thomas Klingenmaier in: Stuttgarter Zeitung, 18.10.2001; Helmut Krausser in: Die Welt, 17.10.2001; Erwin Schaar in: medien+erziehung, 1/1980

Cinema Nr.17 (10/1979), S.12; Nr.281(10/2001), S.86

Blumenberg, Hans C.: Kinozeit, Frankfurt a.M. 1980

Engelhard, Günter/Schäfer, Horst/Schorbert, Walter: 111 Meisterwerke des Films (Fischer Cinema), Frankfurt a.M.1989

Engelmeier, Peter W.: 100 Jahre Kino - Die großen Filme, Augsburg 1994

Heinzlmeier, Adolf: Kinoklassiker, Hamburg/Zürich 1986

Heinzlmeier, Adolf/Schulz, Berndt: Kultfilme (Cinema-Buch), Hamburg 1989

Hölzl, Gebhard/Peipp, Matthias: Fahr zur Hölle, Charlie! (Heyne-Filmbibliothek),München 1991

Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Stuttgart/Leipzig 1995

Müller, Jürgen: Filme der 70er, Köln 2003

Reinecke, Stefan: Hollywood goes Vietnam, Marburg 1993

Weiss, Ulli: Das neue Hollywood (Heyne Filmbibliothek), München 1986