Belle de jour - Schöne des Tages




Technisches
Land
 
FI
Jahr
 
1967
Länge
 
99 min. (2737 m OL,
   
2726 m DL)
Farbe
 
color
Tonverfahren
 
Mono
Format
 
35 mm (1.66:1)
Drama
Avantgarde


Credits
Regie   Luis Buñuel
Drehbuch   Luis Buñuel, Jean-Claude Carrière
Literaturvorlage   Joseph Kessel
Kamera   Sacha Vierny
Schnitt   Walter Spohr, Louisette Hautecoeur
Ton   René Longuet, Pierre Davoust
Bauten   Robert Clavel, Maurice Barnathan
Ausstattung   Robert Clavel
Kostüme   Yves Saint-Laurent
Maske   Janine Jarreau (Make-up), Simone
    Knapp (Frisuren)
Produktion   Luis Buñuel, Henri Baum, Robert
    und Raymond Hakim für Paris Film
Verleih   Inter


Erstaufführung
Kinostart
F
  24.05.1967
D
15.09.1967
       
TV-Premiere
D
  09.03.1975, ARD
       
DVD
USA
  02.09.2003 (Buena Vista, Special Edition)
USA
  16.09.2002 (Studio Canal Video)
D
  19.08.2006 (SZ-Cinemathek Nr.77)


Einspielergebnisse

?



Darsteller
Cathérine Deneuve   (Séverine Sérizy)
Jean Sorel   (Pierre Sérizy)
Pierre Clementi   (Marcel)
Michel Piccoli   (Henri Husson)
Geneviève Page   (Madame Anais)
Francisco Rabal   (Hippolyte)
Macha Méril   (Renée Févret)
Françoise Fabian   (Charlotte)
Maria Latour   (Mathilde)
Muni   (Pallas, Dienstmädchen)
Dominique Dandrieux   (Catherine)
Georges Marchal   (Herzog)
Francis Blanche   (M. Adolphe)
François Maistre   (Professor)
Bernard Fresson   (der Pockennarbige)
Brigitte Parmentier   (Séverine als Kind)
Iska Kahn   (asiatischer Kunde)
Marcel Charvey   (Professor Henri)
Marc Eyraud   (Barmann)
Pierre Marcay   (Doktor)
Bernard Musson   (Butler)
Michel Charrel   (Diener)
D. de Roseville   (Kutscher)
Adélaide Blasquez   (Dienstmädchen)


Inhalt
Die schöne Séverine lebt in scheinbar glücklicher Ehe mit dem Chirurgen Pierre. Aber sie ist unausgefüllt, verliert sich in erotische Wunschträume. Durch eine Freundin erfährt sie von der Existenz exklusiver "maisons de rendezvous", in denen ehrbare Damen sich stundenweise als Prostituierte verdingen; dem zynischen Lebemann Husson, einem Freund des Hauses, entlockt sie die Adresse eines solchen Etablissements. Séverine landet bei Madame Anais, wo sie unter dem Namen "Belle de jour" täglich von 14 bis 17 Uhr arbeitet. Hier lernt sie Marcel kennen, der sie eifersüchtig ganz für sich haben will, und hier wird sie eines Tages von Husson entdeckt, der glaubt, sie nun in der Hand zu haben. Der eifersüchtige Marcel schießt Pierre nieder. Pierre überlebt den Anschlag- gelähmt und blind; Marcel wird von einem Polizisten erschossen. Séverine pflegt ihren Mann aufopferungsvoll. Husson verrät dem wehrlosen Pierre die Wahrheit über seine Frau; doch im Schlußbild sieht man Pierre gesund auf den Balkon treten.

 


Kritik

Ein Thema des Films ist der »Zwiespalt in den Gefühlen einer Frau, die Isolierung der Liebe von der Lust. Ihren Ursprung - so deuten es auch die zwei Kindheitsrückblenden an - hat sie in der lustfeindlichen katholischen Erziehung und der patriarchalischen Gesellschaft, die den Ort der Frau als Ehefrau und Mutter markiert und Sexualität lediglich zum Zweck der Fortpflanzung akzeptiert. Für Séverine kann der Ort der Liebe nicht der Ort der Lust sein, ihren Ehemann vermag sie zu lieben, aber nicht zu begehren. Die männlichen Figuren um sie herum charakterisieren ihre Position noch deutlicher: Pierre als Vaterfigur, als Garant der Sicherheit, die vom realen Vater auf den Ehemann übertragen wird. Husson als Verkörperung der Lust, zu der er sich als Mann bekennen darf, eine Position von Freiheit, die für Séverine als Frau ausgeschlossen ist und schließlich Marcel als Verkörperung jener ›amour fou‹, die Séverines Stand ebenfalls ausschließt.« (Christiane Bornemann in: Metzlers Filmlexikon).

»Trotzdem geht in dem Film sicher nicht um eine psychologische Studie. Buñuel behandelt vielmehr abermals die Gefährdung des Menschen, spielt wieder mit Traum und Realität, die hier als gleichwertig akzeptiert und mit den gleichen stilistischen Mitteln dargestellt werden. Am Anfang etwa sieht man Séverine und Pierre in einer Kutsche durch einen wunderschönen Park fahren. Sie widersetzt sich seinen Zärtlichkeiten, und er läßt sie zur Strafe von den Kutschern an einen Baum binden, auspeitschen und vergewaltigen. Nach einem harten Schnitt erweist sich dieses realistisch gestaltete Sequenz als ein Wunschtraum, den Séverine im Ehebett träumt. Entsprechend konnten sich die Kritiker nicht einmal einigen, ob der Schluß, die Heilung Pierres, als Symbol für die Kraft von Séverines neuer Liebe zu verstehen sei oder ob es sich wieder um einen Wunschtraum Séverines handelt. Außerdem kann man sich darüber streiten, was sie geträumt hat: die Heilung oder die effektvollere Passage des Mordanschlags und ihre herzergreifende Pflegerinnentätigkeit. Daß allerdings auch an dieser Stelle wieder eine Kutsche und Glockenklang präsent sind, spricht für einen Wunschtraum Séverines, in dem sie sich dieses Mal das Normale herbeisehnt.« (Reclams Filmführer). Solche Wunschträume, die den Betrachter verunsichern und ihm die bequeme Kategorisierung von Realität und Fiktion erleiden, gibt es im Film etwa ein halbes Dutzend. Und Buñuel variiert sie noch einmal, indem er zeigt, wie in Madames Etablissement die Kunden sich von den Damen die Verwirklichung ihrer absonderlichen erotischen Phantasien vorspielen lassen. »Buñuels filmische Sicht auf das Geschehen ist nicht voyeuristisch, oftmals ist sie sogar hermetisch. Zwar läßt sich reale Handlung von Traumhandlung unterscheiden, aber Buñuel läßt auch Geheimnisse offen, in Form von wiederkehrenden Motiven (Katzen, Glocken und Kutschen). Filmgeschichte machte die Frage, was sich wohl in dem Kästchen befinde, das der asiatische Bordellbesucher bei sich hat und dessen Inhalt - den die Kamera nicht zeigt - bei Séverine Begeisterung, bei ihren Kolleginnen Entsetzen auslöst.« (Christiane Bornemann in: Metzlers Filmlexikon).

»Der Verunsicherung dient zweifellos auch die Zeichnung der Personen. Séverine, die mädchenhaft zarte, reine Bürgersfrau, simuliert ihre Unnahbarkeit nur und träumt insgeheim von einer ganz anderen Welt. Der zynische Playboy Husson dagegen bekennt sich ungeniert und damit ehrlicher zu seinem Prinzip des unbekümmerten Genusses. Marcel, der Ganove mit den glitzernden Goldzähnen und den schmutzigen, zerrissenen Socken, ist der einzige in diesem Film, der den höchsten Preis für seine Liebe zu zahlen bereit ist. So werden alle Werturteile, die der Zuschauer vorschnell abgibt, auf den Kopf gestellt.« (Reclams Filmführer).

Buñuel kündigte Belle de jour als seinen Abschied vom Film an. Sein letzter Film aber war Belle de jour keineswegs, er markierte vielmehr den Wendepunkt zum erfolgreichen Spätwerk des Regisseurs, in dem er in opulent ausgestatteten Filmen die Bourgeoisie, ihre Moral und ihre Irrationalität inszenierte.



Auszeichnungen
British Academy Awards, UK
Jahr   Kategorie/Preisträger
1969
British Academy Awards
Beste Hauptdarstellerin - Catherine Deneuve (Nominierung)

 
Filmfestival Venedig, Italien
Jahr   Kategorie/Preisträger
1967
Goldener Löwe
Goldener Löwe - Luis Buñuel
Bester Film (Premio Francesco Pasinetti) - Luis Buñuel
 


Bewertung


Literatur

Marvin D'ugo in: Film Criticism, 2-3/1977-78; Frieda Grafe in: Filmkritik, 11/1967; Karl Korn in: FAZ, 7.9.1967; Joachim Mengershausen in: Film, 11/1967; Dieter Prokop in: Film 11/1967

Engelhard, Günter/Schäfer, Horst/Schorbert, Walter: 111 Meisterwerke des Films (Fischer Cinema), Frankfurt a.M.1989

Jansen, Peter W./Schütte, Wolfram: Buñuel (Hanser Reihe Film Bd.6), München/Zürich 1976ff

Karasek, Hellmuth: Mein Kino - Die 100 schönsten Filme, Hamburg 1994

Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Stuttgart/Leipzig 1995

Link-Heer, Ursula/Volker Roloff (Hrsg.): Buñuel, Darmstadt 1994

Müller, Jürgen: Filme der 60er, Köln 2004

Schütz, Jutta: Außenwelt - Innenwelt, Franfurt a.M. 1990



Weblinks

IMDB