Der Blade Runner




Technisches
Land
 
USA
Jahr
 
1982
Länge
 
117 min. (3196 m)
   
Director's Cut:
   
116 min. (3189 m)
Farbe
 
color
Tonverfahren
 
70 mm 6-Track/Dolby
Format
 
35 mm
   
(2.35:1, Panavision)
Krimi
Science Fiction


Regie   Ridley Scott
Drehbuch   Hampton Fancher, David Peoples
Literaturvorlage   Philip K. Dick
Kamera   Jordan Cronenweth
Spezialeffekte   Douglas Trumbull, Matthew Yuricich,
    David Dryer
Schnitt   Terry Rawlings, Marsha Nakashima
Musik   Vangelis
Ton   Bud Alper, Peter Pennell, Michael Hopkins
Prod.-Design   Lawrence G. Paul
Bauten   Tom Duffield, Bill Skinner, Greg Pickrell
Ausstattung   David Snyder
Kostüme   Charles Knode, Michael Kaplan
Maske   Marvin G. Westmore (Make-up),
    Shirley Padgett (Frisuren)
Stunts   Gary Combs
Produktion   Michael Deeley für The Ladd Company
Verleih   Warner-Columbia


Kinostart
USA
  25.06.1982
D
  14.10.1982 (Director's Cut: 22.04.1993)
       
Videostart
D
  November 1983, August 1993 (DC)
       
DVD
USA
  25.03.1997 (Warner Home Video)
USA
  06.06.2000 (Creative Design, Collectors Ed.)
D
  29.09.1999 (Warner Home Video)
D
  25.10.2001 (Warner, Collector's Box)


 
USA
  30740000 $
 
D
  3635455 €, 1045637 (1982)


Harrison Ford   (Deckard)
Rutger Hauer   (Batty)
Sean Young   (Rachael)
Edward James Olmos   (Gaff)
Emmett Walsh   (Bryant)
Daryl Hannah   (Pris)
William Sanderson   (Sebastian)
Brion James   (Leon)
Joe Turkel   (Eldon Tyrell)
Joanna Cassidy   (Zhora)
James Hong   (Hannibal Chew)
Morgan Paull   (Holden)
Kevin Thompson   (Bear)
John Edward Allen   (Kaiser)
Hy Pyke   (Taffey Lewis)


Los Angeles 2019: Die Stadt ist ein Moloch. Sie ist schmutzig, dem Verfall ausgeliefert und platzt aus allen Nähten. Wolkenkratzer recken sich 400 Stockwerke hoch in die Luft, dazwischen schweben Gleiter, die Personen befördern oder die Stadtbewohner unablässig mit Neonwerbung bombardieren. Ganze Häuserwände sind zu gigantischen Videoschirmen umfunktioniert worden. Die engen Straßen gleichen finsteren Canyons. Permanenter Nieselregen beherrscht die Szenerie. Die Luftverschmutzung hat dermaßen zugenommen, daß es nie richtig hell wird. Die Stadtmenschen leben in einem ständigen Zwielicht. Um der Überbevölkerung Herr zu werden, versucht man die Menschen zum Auswandern auf andere Planeten zu bewegen, die von sogenannten Replikanten (Androiden) urbar gemacht werden. Der aller Illusionen entkleidete Ex-Polizist Rick Deckard wird - als er sich im Menschengewimmel von Chinatown gerade einen Imbiß genehmigen will - in einer als Cityspeak bekannten Mischmaschsprache von dem zwielichtigen Kriminalbeamten Gaff aufgefordert, seinen ehemaligen Chef Bryant aufzusuchen. Obwohl Deckard seiner Einheit ade gesagt hatte, läßt er sich noch einmal mit der staatlichen Blade- Runner-Organisation ein. Es gibt Probleme: Diverse Replikanten mit Spezialausbildung haben ein irdisches Raumschiff gekapert und sind nach Los Angeles zurückgekehrt; zweifellos, um das Geheimnis ihres Lebens zu erfahren und eine Möglichkeit zu finden, ihr nur vier Jahre währendes Dasein zu verlängern. Die Replikanten sind gefährlich, weil sie a) gegen die Zeit kämpfen und b) äußerlich nicht von gewöhnlichen Menschen zu unterscheiden sind. Des weiteren gehören sie der hochentwickelten Nexus-6-Serie an: Sie sind hochintelligent und nicht zu unterschätzen. Deckard läßt sich von Mr.Tyrell, einem Großindustriellen, der Replikanten in Massen herstellt, über die Gesuchten informieren. Als er mit Hilfe eines Spezialgeräts während eines Testverhörs seine Fähigkeiten unter Beweis stellt, entdeckt er, daß Tyrells Sekretärin Rachael ebenfalls ein Replikant ist: Nur weiß sie nichts davon, denn Tyrell hat sie mit einer künstlichen Erinnerung versehen. Als Deckard ihr seine Erkenntnis mitteilt, ist er über die menschliche Reaktion Rachaels entsetzt, denn das künstlich erzeugte Lebewesen Gefühle haben können, ist ihm noch nicht in den Sinn gekommen. Rachael und Deckard verlieben sich ineinander, und als die Replikantin Deckard fragt, wieso er so sicher sei, kein Replikant mit künstlicher Erinnerung zu sein, haßt er seinen Job noch mehr. Recht bald gerät er in der nächtlichen Stadt mit den vier gesuchten Replikanten aneinander: Die als Schlangentänzerin untergetauchte Zhora erledigt er im Labyrinth der Großstadtstraßen; Sebastian, der Deckard auflauert und beinahe zu Tode prügelt, wird von der überraschend herbeieilenden Rachael getötet. Batty - eine besonders ausgebildete Kampfmaschine - und das Replikantenmädchen Pris haben sich inzwischen bei dem gutmütigen Gentechniker Leon in einem leeren, halbverfallenen Haus Unterschlupf gefunden. Als Batty mit Leon seinen "Vater" Tyrell aufsucht, um zu erfahren, wie er ein Dasein als Mensch führen kann, erfährt er, daß er schon jetzt dem Tode geweiht ist. Batty tötet Tyrell auf bestialische Weise. Als er in Leons Haus zurückkehrt, hat Deckard dort nach einem mörderischen Kampf die Replikantin Pris umgebracht. Batty, dessen Körper inzwischen von ersten Lähmungserscheinungen geplagt wird, besinnt sich seiner gewaltigen Kraft und jagt den verhaßten Blade Runner durch das gespenstische Gebäude. Obwohl Deckard eine Spezialwaffe hat, kann er dem Replikanten nicht die Stirn bieten. Binnen weniger Minuten wird aus dem einsamen Jäger ein Gejagter, der erfährt, wie es ist, wenn einem ein eiskalter Killer an den Fersen klebt. Als Deckard hoch über den Straßenschluchten von Los Angeles an einem Eisenträger hängt und ihn nur noch Sekunden vom Tod trennen, erweist sich der Replikant Batty menschlicher als die Menschen: Er bewahrt in vor dem Absturz und haucht kurz darauf sein eigenes Leben aus.

 


»Durch das Werk des amerikanischen SF-Autors Philip K. Dick zieht sich wie ein roter Faden die Frage, ob der Mensch noch ein echtes Lebewesen ist oder schon so von der Umwelt geprägt wurde, daß er nur noch das Dasein eines programmierten Androiden führt. Folglich sind die Androiden Dicks menschlicher als die Menschen: sie haben sich die Reinheit des Herzens bewahrt, sind weniger manipulierbar und stellen für jene, die das Manipulieren besorgen, eine Gefahr dar. Rick Deckard, ein Mensch, der sich auf des Messers Schneide bewegt und in dem die Filmkritiker scharenweise einen Philip Marlowe des nächsten Jahrhunderts erkannt zu haben glauben, hat zu Beginn der Handlung seinen Dienst quittiert, möglicherweise deswegen, weil er herausgefunden hat, daß er selbst ein Androide ist: Als die Replikantin Rachael mit ihrer gefälschten Vergangenheit (auch dies ist ein Standardthema Dicks) ihn fragt, ob er sicher ist, selbst ein echter Mensch zu sein, besteht seine Reaktion aus Sprachlosigkeit.« (Hahn/Jansen, Lexikon des Science-Fiction-Films).

»Rick Deckards Namensverwandschaft mit René Decartes, der als Begründer der neuzeitlichen Philosophie gilt, identifiziert ihn als Vertreter eines modernen Rationalismus, der nur das als wahr ansieht, was klar und deutlich erkennbar ist, Die Trennung von geistig-seelischer und materieller Substanz im cartesianischen Weltbild degradiert den lebendigen Organismus zur Maschine - lediglich die Fähigkeit zum denken beweist die eigene Existenz als Subjekt: ›Ich denke, also bin ich‹, ausgerechnet mit dieser Formel versichert sich Pris ihrer menschlichen Identität und setzt damit Deckards Legitimationsprinzip außer Kraft. Seine kategorisierende Wertung wird auch für ihn unhaltbar, als er sich in Rachel verliebt. Ebenso wie die Replikanten gerät auch er in den Konflikt zwischen seinen privaten Interessen und seinem sozialpolitischen Auftrag. In ihrer Gemeinsamkeit als Opfer eines Gesellschaftapparates, der ihre Existenzberechtigung lediglich aus ihrer Tauglichkeit als Arbeits- und Produktionskraft herleitet, erkennt Deckard seine Verwandtschaft zu den von ihm verfolgten Replikanten. Die Reise des Anti-Helden Deckards beschreibt seinen Weg zu der Erkenntnis, daß auch er nicht mit Sicherheit ausschließen kann, ein Replikant zu sein. Die auf seinem Klavier wie ein nostalgisches Privatarchiv dekorierten Familienphotos sind Dokumente einer längst vergangenen Epoche, eine unglaubwürdige Ahnengalerie, aus denen er genau wie Rachel seine natürliche Abstammung und persönliche Erinnerung herleitet. Die Verunsicherung über seine eigene Identität wird durch das modifizierte Ende des Director's Cut zusätzlich verschärft. Vor seiner Türschwelle findet Deckard ein aus Silberfolie gefaltetes Origami-Einhorn. Es ist anzunehmen, daß Deckards zwielichtiger und omnipräsenter Polizeikollege Gaff, den man zuvor ein Papierhuhn und ein Streichholzmännchen hat basteln sehen, dieses Indiz zurückgelassen hat als Hinweis darauf, daß er Deckards Einhorn-Traum kennt, daß also auch dessen Erinnerungen lediglich Implantate sind.

Die Auflehnung der Mensch-Maschine gegen ihren Schöpfer ist ein von Filmen wie 2001 - Odyssee im Weltraum(1968) und Terminator(1984) aufgegriffenes Grundmotiv des Science-Fiction-Genres, das mit Blade Runner um eine erkenntnistheoretische Dimension erweitert wird. Der Film, der auf der Handlungsebene einem eher einfachen und klar strukturierten Muster folgt - Deckards schrittweise Entlarvung und Tötung der einzelnen Replikanten, deren parallele Suche nach ihrem Schöpfer sowie die den inneren Konflikt des Helden konstituierende Liebesgeschichte zwischen Deckard und der Replikantin Rachel - , eröffnet bei genauerer Betrachtung vielschichtige Bedeutungsebenen, die vor allem zahlreiche Reflexionen über die neuzeitliche Realitätsauffassung und den damit verbundenen Humanitätsbegriff zulassen. Die Frage nach der Unterscheidbarkeit zwischen Mensch und Maschine stellt sich bereits in den ersten Minuten des Films. Weit entfernt vom Resultat eines Programmfehlers, erweist sich die angebliche Boshaftigkeit der Replikanten als allzu menschlicher Überlebenskampf. Ihr existentielles Bedürfnis nach einer persönlichen Geschichte und Identität, das bewußte Sammeln von Photographien sowie ihr Zusammenhalt in einer Art Ersatzfamilie verdeutlichenden verzweifelten Versuch, ihrem auferlegten, der menschliche Natur entfremdeten Dasein zu entrinnen. Die fehlende Erinnerung an eine Mutter als Folge des patrilinearen Schöpfungsverlaufs wird zum Zentrum ihrer Verwundbarkeit.

Die Polarität zwischen dem Sehen einer äußeren Realität und dem Erkennen einer inneren Wahrheit manifestiert sich in Blade Runner am Symbol des Auges, welches sich leitmotivisch durch den Film zieht. Zunächst sind die Augen der Punkt, an dem sich der Unterschied zwischen Mensch und Replikant äußerlich festmachen läßt. Sie sind Zeugnis einer Unvollkommenheit, welche die Zweite Genesis unweigerlich von ihrem Schöpfer trennt. Mit der Entlarvung der äußeren Realität als Trugbild wird die Bedeutung des Sehsinns innerfilmisch umkodiert: Das Auge - zuvor zentrales Organ zur Erlangung von Wissen und macht, Mittel aufklärerischer Emanzipation und Bedingung für die privilegierte Stellung des Menschen innerhalb der Schöpfung - wird Sinnbild für die menschliche Selbstüberschätzung und den gescheiterten Glauben an eine grenzenlose Erkenntnisfähigkeit. Die Strafe für die Hybris, der Vatermord an Tyrell, erfolgt dementsprechend als Akt der Blendung. Der verlorene Sohn Batty küßt seine father maker, um ihm dann die Augäpfel hinter den Gläsern einer Wissensmacht demonstrierenden Brille einzudrücken, als er erfährt, daß seine Lebensspanne nicht verlängert werden kann.

Der Showdown des Films, die finale Konfrontation zwischen Deckard und Roy Batty, endet als religiöse Erlösungssequenz. Das Verhältnis zwischen Jäger und gejagtem umkehrend, rettet Roy Batty seinen Gegenspieler im letzten Moment vor dem Tod. Ausgehend von der Annahme, daß die erste Genesis korrekturbedürftig sei, wird der in eine unmenschliche Welt geborene Replikant zum Vertreter eines neuen Humanismus. Nicht zu übersehen in Battys Hand ist der rostige Nagel, den er sich kurz zuvor durchs Fleisch gestoßen hat und der ihn unverkennbar als leidende Christusfigur identifizieren läßt. Der gefallene Engel, Rebell gegen den eigenen Schöpfervater, verläßt die diesseitige Welt schließlich als messianischer Heilsbringer. Die Taube, die er dabei im Arm hält, steigt im Moment seines Todes zum Himmel auf als Verkörperung dessen, was ihm als Replikanten abgesprochen wurde: eine Seele. Erst durch Battys (Selbst-)Opferung ist es Deckard möglich, ihn als seinen späten Bruder zu erkennen. Die Spiegelbildfunktion des Replikanten ist Voraussetzung für die Erkenntnis des Selbst im Anderen, die Deckard befähigt, den weg zur Menschlichkeit zurückzufinden. Aus der Analogie von Mensch und Maschine wird eine Symbiose, die in der fahrt Deckards und Rachels in eine imaginäre Naturlandschaft als Metapher für die erträumte Rückführung in einen paradiesischen Zustand der Unschuld ihre bildliche Entsprechung findet (so der Schluß der Produzentenfassung, die 1982 zunächst in die Kinos kam).« (Fabienne Will in: in: Thomas Koebner (Hrsg.), Filmgenres: Science Fiction).

»Mehr noch als die zum großen Teil unbekannten Schauspieler sind die Trickspezialisten die wahren Stars dieses Films: Das futuristische Los Angeles, das Scotts Techniker erschaffen haben, ist ein Stadtmoloch, der den Betrachter förmlich erschlägt. Man merkt nie, daß man eine Filmkulisse vor sich hat. Die sich endlos in den schwarzen Himmel schraubenden Wolkenkratzer, die gigantonomischen Werbeflächen, die überall herumsirrenden Helikopter und Gleiter machen einen glauben, da sei jemand mit einer Zeitmaschine in der Zukunft gewesen und habe lediglich die Realität abgefilmt. Über die Detailfreudigkeit der Macher dieses Streifens kann man nur noch staunen: Da sitzt Deckard vor einem Bildbetrachter, in den er ein Foto einspeist, und die Maschine dreht und wendet das Foto so, daß man schließlich sogar in das Nebenzimmer des Raumes sehen kann, in dem die Aufnahme gemacht wurde; der an einem sogenannten Methusalem-Syndrom leidende Leon (er ist Mitte Zwanzig, sieht aber wie Mitte Fünfzig aus) hat seine in einem riesigen, halbverfallenen Abbruchhaus liegende Wohnung mit allerlei selbstgebastelten mechanischen Geschöpfen bevölkert; die Statisten, die die Straßenszenen beherrschen, bestehen aus Menschen aller Nationen, aus Hare-Krishna-Jüngern, Superpunks und Asiaten, die auch in der zwölften Generation noch kein Wort Englisch beherrschen. Aber trotz der Ödnis und Trostlosigkeit der Welt, in der sich die Akteure bewegen, beschreibt Blade Runner keine Weltuntergangsvision.« (Hahn/Jansen, Lexikon des Science-Fiction-Films).

»Was wir sehen, ist die Welt, die nach uns kommt, die zum Teil noch aus dem besteht, was wir jetzt schon haben, sei es von uns geschaffen oder von unseren Vorgängern übernommen, zum Teil aber auch aus dem, was uns die Zukunft erst noch bringen muß. Es ist eine Welt die (noch) nicht an ihren Problemen zugrunde gegangen ist, sie aber auch nicht gelöst hat. Vieles ist besser, wenn auch nicht unbedingt positiver geworden: Gerätschaften wie Elektronenmikroskope gehören mittlerweile zur Ausstattung besserer Straßenhändler, aber der Fortschritt der Werbeindustrie äußert sich vor allem in größerer Aufdringlichkeit. Vieles ist aber auch schlechter geworden - Unrast, Hektik und die krampfhafte Suche nach Ablenkung haben zugenommen, und der Bevölkerungsdruck, der Eindruck einer hoffnungslos überbevölkerten Stadt, bleibt stets allgegenwärtig, selbst in Szenen, die leere Räume zeigen.« (Science Fiction Times). »Blade Runner ist kein Science-Fiction-Film, sondern ein Zukunftsfilm. Science Fiction versucht nicht, zukünftige Entwicklungen vorherzusagen. Es geht ihr nicht darum, ob die beschriebenen Situationen Anspruch auf Tatsächlichkeit und Wahrscheinlichkeit erheben können. Blade Runner hingegen überträgt existente Realität in eine zukünftige Entwicklungsphase. Scotts eigene interpretative Komponente kommt weniger in den Einzelelementen der von ihm kreierten Zukunftslandschaft zum Ausdruck als in deren philosophischer Akzentuierung. Die in die Zukunft projizierte Technologie begründet keine glänzende, fortschrittliche, menschenfreundliche Umwelt, sondern in Scotts Vision überlagern sich existente Technologien und wissenschaftlicher Fortschritt zu einer hochqualifizierten, in ihren Auswirkungen jedoch zutiefst deprimierenden Infrastruktur, die jeden Augenblick vom Zusammenbruch bedroht zu sein scheint.« (Franz Everschor, Filmdienst).

»Weniger offenkundig ist die religiöse Herkunft der pervertierten Megastädte, die von Metropolis bis Der Blade Runner oder Strange Days architektonisch und inhaltlich den Topos der großen Hure Babylon nachbilden, in der grenzenloser Egoismus alle tragenden Strukturen zum Einsturz gebracht hat. Die heilige Ordnung, derer man sich archetypisch etwa im Kalender, durch sakrale Handlungen oder mittels der umfriedeten Stadt versicherte, ist einem alles verschlingenden Moloch gewichen, der in den labyrinthartigen Wolkenkratzerschluchten sein modernes Inbild fand.« (Josef Lederle in Lexikon des internationalen Films).

Nach der Erstaufführung im Jahre 1982 galt Ridley Scotts düstere Science-Fiction-Vision bei der Produktionsfirma Warner als ungeliebter Bastard, der kommerzielle Erwartungen nicht erfüllte. Im Laufe der 80er Jahre entdeckte eine wachsende Fangemeinde die visuellen Qualitäten von Inszenierung und Ausstattung. Blade Runner gewann Kultcharakter. Unabsichtlich gab Warner für ein Festival im Jahre 1991 die Originalversion des Films heraus. Die Begeisterung des Publikums bewog die Produktionsgesellschaft im Einvernehmen mit Scott zu einer Neuauswertung in der ursprünglich vom Regisseur beabsichtigten Form. Blade Runner - The Director's Cut verzichtet just auf die Beigaben, die Warner vormals erzwungen hatte: den Off-Kommentar und das in jeder Hinsicht aufgesetzt wirkende Happy-End. Stilistisch geschlossener und überzeugender, feiert die neue Fassung nun jene Triumphe, die die Gewaltigen von Hollywood bei der Erstauswertung vermißt hatten.

»Blade Runner war der Science-Fiction-Film der achtziger Jahre, das schmutzig-graue Gegenbild zu Kubricks 2001. Als der Film 1982 herauskam, mußte man sich, tunlichst in Kenntnis der literarischen Vorlage, des grandiosen Romans von Philip K. Dick, einiges weg- und anderes hinzudenken. Die destruktiven Eingriffe in das Konzept des Films waren so augenscheinlich, daß dies nicht allzu schwer fiel. Jetzt haben wir den Film so, wie er gedacht war, als lakonische und etwas zynische Studie über die erschrockene Brutalität des vermeintlichen Originals gegenüber seinem verbesserten Abbild und als technologische Variation zur rebellierenden Schöpfungsgeschichte von Miltons Paradise Lost. Die ›Director's Version‹ ist scheinbar langsamer, aber sehr viel dichter, und dies nicht nur, weil es keine leeren Enden der einzelnen Sequenzen mehr gibt und die Präsenz der Nebenfiguren halbwegs ausbalanciert ist. Das Spiel mit dem Verdacht, der Jäger der Replikanten könne selber ein Replikant sein (und mehr noch: die Replikantenjagd nichts als eine weitere implantierte Pseudo-Identität) gewinnt an Bedeutung und konterkariert die Action-Elemente. Befremdlicher noch als zur Zeit seiner Entstehung mag heute Scotts Schilderung des zukünftigen Los Angeles erscheinen, in der die quirlig-schmutzigen Straßen ›asiatisch‹, der Luftraum und die architektonischen Höhen aber ›weiß‹ bestimmt sind. Was damals grandioser Verfremdungseffekt schien, bekommt heute, nicht zuletzt im Vergleich mit Scotts späteren Arbeiten, einen etwas merkwürdigen Beigeschmack. Und schließlich beweist auch der Director's Cut, daß es in Blade Runner eine Reihe von Szenen gibt, die dem visuellen Effekt mehr dienen als der Entwicklung von Story und Thema (etwa in den Szenen beim gentechnischen Puppenmacher). Blade Runner liefert in seiner Director's Version den Beweis für die außerordentliche visuelle Kraft und das Gefühl für Timing des Regisseurs und offenbart zugleich seine größten Schwächen: ideologische Neurose und die Unfähigkeit, etwas von den wirklichen Menschen zu erzählen.« (Georg Seeßlen, epd Film).



Academy Awards, USA
Jahr   Kategorie/Preisträger
1983
Oscar
Beste Ausstattung - Linda DeScenna, Lawrence G. Paull, David L. Snyder (Nominierung)
Beste visuelle Effekte - David Dryer, Douglas Trumbull, Richard Yuricich (Nominierung)
 
British Academy Awards, UK
Jahr   Kategorie/Preisträger
1983 British Academy Awards
Beste Kamera - Jordan Cronenweth
Beste Kostüme - Michael Kaplan, Charles Knode
Bestes Produktionsdesign / Ausstattung - Lawrence G. Paull
Bester Schnitt - Terry Rawlings (Nominierung)
Bestes Make-up - Marvin G. Westmore (Nominierung)
Beste Musik - Vangelis (Nominierung)
Bester Ton - Bud Alper, Graham V. Hartstone, Gerry Humphreys, Peter Pennell (Nominierung)
Beste Spezialeffekte - David Dryer, Douglas Trumbull, Richard Yuricich (Nominierung)
 
Golden Globes, USA
Jahr   Kategorie/Preisträger
1983
Golden Globe
Beste Originalmusik - Vangelis (Nominierung)
 




Michael dempsey in: Film Quarterly, 2/1982-83; Susan Doll/Greg Faller in: Literature/Film Quarterly, 2/1986; David Dresser in: Literature/Film Quarterly, 3/1985; Franz Everschor in: film-dienst, 8/1993; William M. Kolb in: Literature/Film Quarterly, 1/1990; Peter Ruppert in: Cineaste, 2/1989; Josef Schnelle in: film-dienst, 20/1982; Georg Seeßlen in: epd Film, 5/1993; Joseph W. Slade in: Literature/Film Quarterly, 1/1990

Cinema Nr.53 (10/1982), S.16

Faulstich, Werner/Korte, Helmut (Hrsg.): Fischer Filmgeschichte Bd.5 1977-1995 (Fischer Cinema), Frankfurt a.M. 1995

Ronald/Jansen, Volker: Kultfilme (Heyne Filmbibliothek), München 1998

Hahn, Ronald M./Jansen, Volker: Lexikon des Science-Fiction-Films, München 1997

Heinzlmeier, Adolf/Schulz, Berndt: Kultfilme (Cinema-Buch), Hamburg 1989

Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmgenres: Science Fiction, Stuttgart 2003

Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Stuttgart/Leipzig 1995

Karasek, Hellmuth: Mein Kino - Die 100 schönsten Filme, Hamburg 1994

Müller, Jürgen: Filme der 80er, Köln 2002

Schnelle, Frank: Ridley Scott' Blade Runner, Stuttgat 1994

Stresau, Norbert/Wimmer, Heinrich(Hrsg.): Enzyklopädie des phantastischen Films, Meitingen 1986ff