Die Blechtrommel




Technisches
Land
 
D
Jahr
 
1979
Länge
 
145 min. (4058 m)
Farbe
 
Color
Tonverfahren
 
Mono
Format
 
35 mm (1.66:1)
Komödie
Historienfilm
Drama


Credits
Regie   Volker Schlöndorff
Drehbuch   Jean-Claude Carrière, Volker Schlöndorff,
    Franz Seitz, Günter Grass
Literaturvorlage   Günter Grass
Kamera   Igor Luther
Schnitt   Suzanne Baron
Musik   Maurice Jarre, Friedrich Meyer
Ton   Peter Kellerhals, Walter Grundauer, Peter
    Beil, Hans Dieter Schwarz (Mischung)
Prod.-Design   Piotr Dudzinski, Zeljko Senecic
Requisite   Franz Bauer, Thomas Schulz
Bauten   Nikos Perakis
Ausstattung   Bernd Lepel
Kostüme   Dagmar Niefind, Inge Heer
Maske   Rino Carboni, Alfredo Tiberi (Make-up),
    Vitaliana Patacca, Ingeborg Thiess (Frisuren)
Produktion   Franz Seitz, Anatole Dauman für Bioskop-Film/
    Artemis-Film/ Hallelujah-Film/ GGB14KG/
    Argos-Film/ Jadran-Film/ Film Polski
Verleih   United Artists



 Kinostart
D   03.05.1979
       
Videostart
D   01.02.2001
       
DVD
D
  13.11.2001 (Kinowelt)


Einspielergebnisse

 
D
 
8909690 €; 2918901 Zuschauer


Darsteller
Mario Adorf   (Alfred Mazerath)
Angela Winkler   (Agnes Mazerath)
David Bennent   (Oskar Mazerath)
Daniel Olbrychski   (Jan Bronski)
Katharina Thalbach   (Maria)
Heinz Bennent   (Albrecht Greff)
Fritz Hakl   (Bebra)
Mariella Oliveri   (Roswitha Raguna)
Tina Engel   (Anna Koljaiczek)
Berta Drews   (Oma Anna)
Roland Teubner   (Joseph Koljaiczek)
Ernst Jacobi   (Löbsack)
Werner Rehm   (Alexander Scheffler)
Ilse Pagé   (Gretchen Scheffler)
Wigand Witting   (Herbert Truczinski)
Käte Jaenicke   (Mutter Truczinski)
Charles Aznavour   (Sigismund Markus)
Andréa Ferréol   (Lina Greff)
Otto Sander   (Musiker Meyn)


Inhalt

1924 wird Oskar Mazerath in der Freien Reichsstadt Danzig geboren als mutmaßlicher Sohn des Alfred Mazerath, aber vielleicht auch des Jan Bronski, mit dem Oskars Mutter ebenfalls intimen Umgang pflegte. An seinem dritten Geburtstag aber sagt Oskar der Welt der Kleinbürger ade, verweigert sich fortan jedem Wachstum, um als»Oskarchen« der Bigotterie seiner Umwelt zu entkommen. Er bleibt ein Zwerg, der unablässig eine Blechtrommel mit sich herumführt und mit hoher Stimme Glas springen lassen kann. Im Zirkus begegnet er dem ebenfalls kleinwüchsigen Artisten Bebra, noch kann er diese Karriere nicht einschlagen. Die Nazis haben die Macht übernommen. Oskar dagegen stört mit seinem Trommelschlag eine Massenversammlung und bringt die Musiker dazu, vom Marsch zum Wiener Walzer überzuwechseln, bis fast alle tanzen. Bei einem Ausflug ans Meer begegnet die Familie einem Fischer, der aus einem Pferdekopfkadaver Aale herauszieht. Agnes wird es schlecht, sie stopft sich in den folgenden Tagen und Wochen mit Fischen aller Arten bis zum Erbrechen voll - dann stirbt sie. Zu Beginn des Krieges verliert Oskar auch Jan Bronski beim Sturm der Nazis auf die Polnische Post in Danzig. Ins leere Haus kommt die junge Marie als Hilfe und Oskar krabbelt am Ende unter ihre Bettdecke. Wie bei seiner eigenen Geburt bleibt unklar, wer der Vater des Kindes ist, das Marie erwartet. Denn Oskar ist Alfred in der entscheidenden Sekunde auf den Rücken gesprungen, so dass der die empörte Marie nicht rechtzeitig verlassen kann. Oskar reist mit Bebras Fronttheater zur Unterhaltung der deutschen Wehrmacht nach Frankreich, er verliebt sich in die Liliputanerin Roswitha - sie kommt bei einem Granateneinschlag um. Zu Hause, im zerstörten Danzig, ziehen die Russen ein. Im Keller verschluckt Alfred sein Parteiabzeichen, er fuchtelt herum, weil er zu ersticken droht, und wird erschossen. An seinem Grab beschließt Oskar zu wachsen, er wirft die Trommel auf den Sarg. Mit Marie und anderen zieht er in den Westen.

 


Kritik
Oskar Mazerath ist die Hauptfigur, aus seiner Perspektive wird der Film erzählt. Der Darsteller des Oskar ist der vielleicht größte Glücksfall des Films. Bei der Planung der Verfilmung wurde Volker Schlöndorff auf den damals zwölf Jahre alten David Bennent aufmerksam. Der Sohn des renommierten Schauspielers Heinz Bennent leidet an einer Wachstumsstörung. Er verleiht dem Oskar eine grandiose Ausstrahlung der Ernsthaftigkeit und Abgründigkeit. David Bennett spielt den anarchistischen Zwerg auf eine so überzeugende Weise, daß sich aus seiner Darstellung eine eigene Gestalt entwickelt hat, die sich gleichberechtigt neben der Romanfigur behaupten kann. Schlöndorff war vonihm so begeistert, daß er sich entschloß, den nach 1945 spielenden Teil des Buches nicht zu verfilmen, um nicht den erwachsenen Oskar mit einem anderen Schauspieler besetzen zu müssen.

Der 1959 erschienene Roman von Günter Grass galt über Jahrzehnte als unverfilmbar. Erst 1975 verkaufte Grass die Rechte. Schlöndorffs Film ist ein buntes Kaleidoskop: Die Kleinbürgerwelt spielt Aufstieg und Niedergang des Dritten Reiches. Als der Roman entstand, war der kleine Blechtrommler progressiver Vorgriff auf eine Generation der Nein-Sager, die Distanz zwischen sich und die kleinbürgerlichen Mitläufer bringen wollte. Es geht weniger um eine totale Verweigerung als vielmehr um eine Weigerung, teilzunehmen an einem Spiel, dessen Regeln weitgehend unter Ausschluß der Beteiligten festgelegt werden. Das heißt also nicht, Verweigerung als passives Abwarten, sondern Verweigerung als aktiver Widerstand. Für die restaurative Adenauer-Ära war der Roman eine Provokation. Bestimmte Momente haben auch heute noch aktuellen Bezug. »Und doch wirkt der Blechtrommler eher anachronistisch denn aktuell. Als Identifikationsfigur ist er eher fatal und - vielleicht am schlimmsten - unverbindlich. Die historischen Parallelen stimmen einfach nicht. Ganz schlimm wird es am Ende, wenn Oskar sich entschließt, wieder zu wachsen und einer von denen zu werden, die das Heft in die Hand nehmen. Das kann jemand sagen, der auf den Trümmern der Diktatur steht und ihr da capo verhindern will, nicht aber der, dem unter demokratischen Verhältnissen schon der Notendurchschnitt das Rückgrat bricht: der nämlich wartet auf bessere Zeiten, aber er tut nichts dafür. Das hehre Pathos dieses Schlusses ist Täuschung und wird als willkommene Selbsttäuschung beifällig aufgenommen. Der Oskar des Films bricht einfach in die falsche Zeit auf. Geschichtliche Hintergründe sind genausowenig austauschbar wie politische Bezüge.« (Filmdienst, 1979).

Während der Roman 1959 nicht nur von zeithistorischer, sondern auch von zeitpolitischer Aktualität war, während seine Thesen über den »gewöhnlichen Faschismus« und sein Denkmodell der Verweigerung damals die Gesellschaft erregten und für viele zum Ärgernis machten, wirkt der Film heute merkwürdig zeitfern, wie eine skurrile Reminiszenz an eine längst vergangene Welt. Das literarische Ärgernis ist zum ansehnlichen filmischen Konsumprodukt geworden. »Die Blechtrommel trägt schwer am enormen Anspruch, dem Roman gerecht zu werden und von ihm im Film möglichst viel zu erhalten. ›Der Film darf nicht inszenierte Literatur sein‹, notierte Schlöndorff während der Dreharbeiten. Er entschied sich oft für ans Groteske heranreichende Szenen, die sich zu einer Nummernrevue zusammenfügen. Bildhafte Szenen liefert schon der Roman, und sie werden im Film ausgespielt: wie mit einem Pferdekopf Aale gefangen werden, bei deren Anblick Agnes erbrechen muß, wie Oskar mit der Christusfigur in der Kirche spricht oder wie Alfred Mazerath das NS-Parteiabzeichen verschluckt und daran stirbt. Vor allem im Zusammenspiel des polnischen Schauspielers Daniel Olbrychski mit Angela Winkler, Mario Adorf und Heinz Bennent wird das kulturelle Gemisch Danzigs in jener Zeit sichtbar, das für Vitalität und Eigensinn stand und dessen Untergang lange Zeit vor der im Film ausführlich gezeigten Belagerung der Danziger Post begann. Eigenständige Bilder schafft Schlöndorff in den Episoden, in denen Oskar mit den Liliputanern ein Unterhaltungsprogramm am Westwall bestreitet und sie auf einem Bunker picknicken. Insgesamt aber fehlt dem Film ein mitreißender Rhythmus, es entsteht kein vorwärtstreibendes Drängen, kein großer Erzählgestus.« (Michael Töteberg in: Metzlers Filmlexikon).

»Ein gänzlich originelles Werk, eine Kombination von surrealen Bildern und geradlinigem Erzählkino.« (The Motion Picture Guide).

Die Blechtrommel war mit sechs Millionen Mark die bis zu diesem Zeitpunkt aufwendigste deutsche Filmproduktion und war auch international ein Erfolg. Der Film erhielt 1979 die Goldene Schale des Bundesfilmpreises, die Goldene Palme in Cannes und 1980 den Oscar für den besten ausländischen Film.



Auszeichnungen
Deutscher Filmpreis, Deutschland
Jahr   Kategorie/Preisträger
1979
Goldene Schale
 
Academy Awards, USA
Jahr   Kategorie/Preisträger
1980
Oscar
Bester ausländischer Film - Volker Schlöndorff
 
Filmfestival Cannes, Frankreich
Jahr   Kategorie/Preisträger
1979
Goldene Palme
Goldene Palme - Volker Schlöndorff

zusammen mit Apocalypse Now
 
César, Frankreich
Jahr   Kategorie/Preisträger
1980
Bester ausländischer Film - Volker Schlöndorff (Nominierung)
 
Goldene Leinwand, Deutschland
Jahr Kategorie
1980

 

Goldene Leinwand

 


Bewertung
 
*
*
*
 


Literatur

Cinema Nr.12 (5/1979), S.72

Albersmeier, Franz Josef/Roloff, Volker (Hrsg.): Literaturverfilmungen, Frankfurt a. M. 1989

Engelmeier, Peter W.: 100 Jahre Kino Die großen Filme, Augsburg 1994

Faulstich, Werner/Korte, Helmut (Hrsg.): Fischer Filmgeschichte Bd.5 1977 1995 (Fischer Cinema), Frankfurt a.M. 1995

Fischer, Robert/Hembus, Joe: Der Neue Deutsche Film 1960 1980 (Citadel Filmbuch), München 1980

Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Stuttgart/Leipzig 1995

Müller, Jürgen: Filme der 70er, Köln 2003



Weblinks

IMDB