Wenn die Gondeln Trauer tragen




Technisches
Land
 
Gb
Jahr
 
1973
Länge
 
110 min.
Farbe
 
color
Tonverfahren
 
Mono
Format
 
35 mm (1.85:1)
Horror
Thriller
Mystery


Credits
Regie   Nicholas Roeg
Drehbuch   Allan Scott, Chris Bryant, Akos Tolnay
Literaturvorlage   Daphne Du Maurier
Kamera   Anthony Richmond
Schnitt   Graeme Clifford
Musik   Pino Donaggio
Ton   Rodney Holland, Peter Davis,
    Bob Jones
Bauten   Francesca Chinanese
Ausstattung   Giovanni Soccol
Kostüme   Marit Allen, Andrea Galer
Maske   Giancarlo Del Brocco (Make-up),
    Maria Luisa Garbini, Barry Richardson
    (Frisuren)
Stunts   Richard Grayden
Produktion   Peter Katz, Anthony B. Unger für
    Casey-Eldorado/British Lion
Verleih   Gloria, Taurus (Video)


Erstaufführung
Kinostart
Gb
  Oktober 1973
D
  29.08.1974
       
Videostart
D
  März 1984
       
DVD
USA
  03.09.2002 (Paramount)
Gb
  29.06.2002 (Warner)
D
  27.03.2001 (Kinowelt)
D
  10.12.2005 (SZ-Cinemathek Nr. 41)


Einspielergebnisse

?



Darsteller
Julie Christie   (Laura Baxter)
Donald Sutherland   (John Baxter)
Hilary Mason   (Heather)
Clelia Matania   (Wendy)
Massimo Serato   (Bischof Barbarrigo)
Adelina Poerio   (Zwerg)
Leopoldo Trieste   (Hotelmanager)
Renato Scarpa   (Inspektor Longhi)
Giorgio Trestini   (Arbeiter)
David Tree   (Anthony Babbage)
Ann Rye   (Mandy Babbage)
Nicholas Salter   (Johnny Baxter)
Sharon Williams   (Christine Baxter)
Bruno Catteano   (Detective Sabbione)


Inhalt
Der Restaurateur John Baxter besitzt - ohne es zu wissen - die Gabe des »zweiten Gesichts«: er kann in die Zukunft schauen. Als er sich auf seinem Landsitz auf die Restauration einer venezianischen Kapelle vorbereitet und Dias betrachtet, sieht er auf einem Bild gleich mehrere Dinge: Die in rötliches Licht getauchte Innenansicht einer Kirche, die Rückansicht seiner kleinen Tochter, die einen roten Mantel trägt, und eine blutrote Flüssigkeit. Erfüllt von einer düsteren Vorahnung läuft er aus dem Haus. Zu spät allerdings, denn seine Tochter ist Sekunden zuvor beim Spielen in einem Teich ertrunken. Später reist Baxter mit seiner Frau Laura nach Venedig. Hier lernen sie zwei ältere Schwestern aus Schottland kennen. Eine der Damen ist zwar blind, aber sie behauptet, »Dinge« zu sehen und mit der toten Tochter der Baxters in telepathischem Kontakt zu stehen. Während John das Gerede der alten Damen als Firlefanz abtut und sich in seiner Arbeit vergräbt, freundet Laura sich mit den Schwestern an und gerät auf geheimnisvolle Weise in ihren Bann. Als die Baxters erfahren, daß ihr Sohn erkrankt ist, fährt Laura nach London zurück. Kurz darauf hat John auf dem Canale Grande eine schicksalhafte Begegnung: Er sieht eine Gondel mit drei schwarzgekleideten Frauen - den beiden alten Damen und Laura. Verwirrt ruft er in London an. Laura ist dort. Sie verspricht, am Abend wieder zurück zu sein. John, am Ende seiner geistigen Kraft, sieht vor ihrer Rückkehr eine kleine, in einen roten Mantel gekleidete Gestalt, in der er seine Tochter zu erkennen glaubt. Als die Gestalt flieht, folgt er ihr in ein altes, leerstehendes Gebäude. Die Gestalt entpuppt sich als ein in ganz Venedig gesuchter- und offenbar irrer Mörder: Es ist ein häßlicher, faltiger Zwerg, der ein überdimensionales Messer zückt und John mit einem gnadenlosen Hieb die Halsschlagader zerfetzt. Als er sterbend zu Boden sinkt, wird ihm alles klar: seine Beobachtung auf dem Canale Grande war die Vision seines nahen Todes. Die Gestalt im roten Mantel, die er kurz vor dem Tod seiner Tochter auf dem Dia gesehen hat, war ebenfalls dieser geisteskranke Zwerg.

 


Kritik

»Der Tod des Kindes in England ist das Vorspiel der eigentlichen Handlung. Die ganze erste Sequenz ist Bezugssystem für alle weiteren Ereignisse. Alle Motive sind in ihr angelegt. Die Farbe rot ist aufgeladen mit dem persönlichen Schicksal, sie dominiert den Film, taucht immer wieder auf. Der ganze Film ist mit Zeichen, Symbolen, Hinweisen und Andeutungen durchsetzt, die die verschiedenen Zeit- und Handlungsebenen miteinander verzahnen, für die Akteure jedoch undurchsichtig und rätselhaft bleiben. Ein Netz paralleler Ereignisse durchzieht die Geschichte und impliziert geheimnisvolle Verbindungen: Das Lackmäntelchen des Kindes und der Kapuzenmantel der grausigen Gnomengestalt; das Stück Glas, das der Sohn zerbricht, als seine Schwester ertrinkt, und die Scherbe die bei der Ermordung des Vaters fällt; der verschüttete Whisky, der in der Anfangssequenz auf einem Dia in dieselbe Form fließt wie am Ende die Blutlache von John Baxter. Während die Ereignisse in zwingender Logik wie Zahnrädchen ineinandergreifen, irren die Akteure orientierungslos hinter Irrbildern, Erscheinungen, sekundenlangen Eindrücken hinterher. Sie stolpern von Moment zu Moment, werden zu hilflosen Opfern im sorgfältig gewebten Netz ihres Regisseurs. Entscheidend für die Wirkung des Films ist, daß die Präsenz des Übersinnlichen eher impliziert als behauptet wird. In einer raffinierten Gratwanderung erscheint es lediglich als Frage der Wahrnehmung: eine mögliche Sinnestäuschung. In ähnlicher Weise hält der Film die Balance zwischen den Genres, ist nie eindeutig Horrorfilm, Thriller oder Melodram. Die labyrinthisch undurchsichtige Struktur Venedigs prägt Stimmung und Stil: nächtlich dunkle Gassen, nebelhaftes Licht, flüchtige Reflexe auf dem Wasser bieten keine Sicherheiten für die Wahrnehmung. Kameraarbeit und Montagetechnik nehmen John Baxters Unsicherheit auf und üertragen sie auf den Zuschauer: Lange, eindringliche Blicke brechen in die Normalität des Alltags ein und installieren Irritationen. Kurze, flüchtige Blicke verweigern jegliche Gewißheit über das Wahrgenommene, gewähren nichts als fragmentarische Ansichten eines größeren Zusammenhangs. Anziehung und Abstoßung sind die Kräfte dieses Films, zwischen denen er nie zur Ruhe kommt. Aus diesen sich widersprechenden Elementen ist auch die zentrale Liebesszene zwischen John und Laura komponiert: Die Szenen ihrer Annäherung und Vereinigung sind bereits mit Bildern ihrer Trennung unterschnitten; während sie sich noch ausziehen und nahekommen, reißt der Film sie bereits wieder auseinander. Die Dynamik des Liebesspiels wird in der Schwebe gehalten; trotz der Intensität ihres Zusammenseins ist dem Paar wie dem Zuschauer jede Erfüllung und Sicherheit verweigert. Bereits im Originaltitel des Films klingt die ganze ausgeklügelte Ambiguität dieses Films an: Die Aufforderung Don't Look Now ist an John Baxter ebenso gerichtet wie an den Zuschauer. Für beide bedeutet sie gleichermaßen Verbot und die Versuchung, es zu übertreten.« (Anke Sterneborg in: Thomas Koebner (Hrsg.), FILMLASSIKER). »Sprunghaft und überraschend wie die Bildmontage ist auch Roegs antinaturalistische Tondramaturgie. Tongebende Objekte sind mitunter erst dann zu hören, wenn sie auch sichtbar werden. Taucht das Objekt ins filmische Off ab, ist auch das Geräusch schnell verschwunden - erneut ein deutlicher Hinweis auf die zentrale Bedeutung des Sehens.« (Julia Gerdes in : Ursula Vossen (Hrsg.), Filmgenres: Horrorfilm).

»Seinen Schrecken, seine Suggestion bezieht der Film ausschließlich aus der nahtlosen Verklammerung von Wahn und Wirklichkeit, Verstand und Halluzination, Schönheit und Tod, Innenwelt und Außenwelt. Er soll verunsichern- die natürlichen und übernatürlichen Szenen werden nicht voneinander abgehoben. So verheißt er Antworten, die er dann doch nicht gibt. Ein raffinierter Film, der in einem spätherbstlichen Venedig spielt, das mehr als Kulisse ist. Der morbide Reiz dieser Stadt verstärkt den Eindruck des Mysteriösen, Labyrinthhaften, Trostlosen, den Roegs Film hinterläßt.« (Michael Schwarze, FAZ).

»Ein Meisterwerk des fesselnden Thrillers, mit Anleihen aus dem Reich der Parapsychologie und trotzdem erschreckend logisch und bedrohend glaubhaft: Nicolas Roeg gelang eine brillante, bis zum letzten Moment atemberaubend spannende Verfilmung der literarischen Vorlage von Daphne du Maurier - ein Kaleidoskop mysteriöser Situationen, das sich unter den angstvoll geweiteten Augen des Zuschauers für die Menschen, die sich in ihm verstrickt haben, zu einem unentrinnbaren Irrgarten des Schreckens entwickelt. Anthony Richmonds virtuose Kameraführung vor der beklemmenden Kulisse des morbiden Venedigs und die sehenswerten schauspielerischen Leistungen machen Wenn die Gondeln Trauer tragen zu einem Horror-Kultfilm erster Güte.« (Cinema Filmlexikon).



Auszeichnungen
British Academy Awards, UK
Jahr   Kategorie/Preisträger
1974
British Academy Award
Beste Kamera - Anthony Richmond
Bester Hauptdarsteller - Donald Sutherland (Nominierung)
Beste Hauptdarstellerin - Julie Christie (Nominierung)
Beste Regie - Nicolas Roeg (Nominierung)
Bester Film (Nominierung)
Bester Schnitt - Graeme Clifford (Nominierung)
Bester Ton - Rodney Holland, Peter Davis, Bob Jones (Nominierung)
 


Bewertung
 
*
*
*
 


Literatur

Barbara Schweizerhofer in: epd Film, 8/2005

Hahn, Ronald M./Jansen, Volker: Lexikon des Horror-Films, Berg.-Gladbach 1985

Heinzlmeier, Adolf/Schulz, Berndt: Kultfilme (Cinema-Buch), Hamburg 1989

Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Stuttgart/Leipzig 1995

Müller, Jürgen: Filme der 80er, Köln 2003

Stresau, Norbert/Wimmer, Heinrich(Hrsg.): Enzyklopädie des phantastischen Films, Meitingen 1986ff

Vossen, Ursula (Hrsg.): Filmgenres: Horrorfilm, Stuttgart/Leipzig 2005



Weblinks

IMDB