Land
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Jahr
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1963-64
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Länge
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95 min. (2590 m)
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Farbe
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Tonverfahren
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Mono
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Format
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35 mm (1.37/1.66:1)
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Regie | Stanley Kubrick | |
Drehbuch | Stanley Kubrick,Terry Southern, | |
Peter George | ||
Literaturvorlage | Peter George | |
Kamera | Gilbert Taylor | |
Spezialeffekte | Wally Veevers | |
Schnitt | Anthony Harvey | |
Musik | Laurie Johnson | |
Songs | »We'll meet gain« von Lew Pollack und | |
Laurie Johnson (gesungen von Vera Lynn), | ||
»Try a Little Tenderness«, »When Johnny | ||
Comes Marching Home« | ||
Ton | John Cox, H.L. Bird (Schnitt) | |
Prod.-Design | Ken Adam | |
Ausstattung | Peter Murton | |
Kostüme | Bridget Sellers | |
Maske | Stewart Freeborn (Make-up), Barbara | |
Ritchie (Frisuren) | ||
Produktion | Stanley Kubrick für Hawk Films | |
Verleih | Columbia |
29.01.1964 | |||
10.04.1964 | |||
Mai 1986 | |||
20.06.1968, ARD | |||
03.09.1997 (Columbia/Tristar) | |||
29.06.1999 (Columbia/Tristar, Kubrick Collection) | |||
27.02.2001 (Columbia/Tristar, Special Edition) | |||
02.08.1999 (Columbia/Tristar) | |||
05.04.2001 (Columbia/Tristar) | |||
23.11.2004 (Columbia/Tristar, Limited Edition) |
?
Peter Sellers | (Capt. Lionel Mandrake, | |
Präsident Muffley, Dr. Seltsam) | ||
George C. Scott | (General Buck Turgidson) | |
Sterling Hayden | (General Jack D. Ripper) | |
Keenan Wynn | (Colonel Bat Guano) | |
Slim Pickens | (Major King Kong) | |
Peter Bull | (Botschafter de Sadesky) | |
Tracy Reed | (Miss Scott) | |
James Earl Jones | (Lt. Lothar Zogg) | |
Jack Creley | (Mr.Staines) | |
Frank Berry | (Lt. H.R. Dietrich) | |
Glenn Beck | (Lt. W.D. Kivel) | |
Shane Rimmer | (Captain G.A. "Ace" Owens) | |
Paul Tamarin | (Lt. B. Goldberg) | |
Gordon Tanner | (General Faceman) | |
Robert O'Neil | (Admiral Randolph) | |
Roy Stephens | (Frank) |
General Jack D. Ripper, Kommandant des Luftwaffenstützpunktes Burpelson, dreht ganz plötzlich durch. Da er einen Anfall von sexueller Impotenz erlebt hat, glaubt er an eine kommunistische Weltverschwörung: Allem Anschein nach, so sagt ihm sein etwas verdrehter Verstand, haben ausländische Agenten das amerikanische Trinkwasser vergiftet. Dieser Anschlag auf »unserer kostbaren Körpersäfte« kann natürlich nicht ungestraft bleiben. Geschwind setzt er eine Strategische Bomberflotte in Marsch, instruiert seinen Untergebenen, den englischen Austauschoffizier Mandrake, sämtliche zivilen Rundfunkgeräte einzusammeln und jeden Soldaten umzunieten, der den Stützpunkt betritt (denn das können ja nur getarnte Kommunisten sein). Anschließend informiert er den Präsidenten von seinem eigenmächtigen Vorgehen: »Mit Gottes Hilfe werden wir siegen und Frieden, Freiheit von Furcht und guten Appetit bewahren, durch die Reinheit und Kraft unserer soliden Körpersäfte. Möge der Herr uns beistehen.« Zur gleichen Zeit vertreibt sich die Besatzung des von Major »King« Kong geführten B-52-Bombers die Zeit mit Kartentricks, Schlafen und PLAYBOY-lesen, als sie das Code-Signal erhalten um nach Rußland zu fliegen und dort Atombomben auf vorbestimmte Ziele abzuwerfen. Auch eine Nachfrage bei der Basis ergibt, daß es sich nicht um einen Irrtum handelt. Major Kong vertauscht den Pilotenhelm mit seinem Cowboyhut und hält eine markig-sentimentale Ansprache an seine Leute. Natürlich bricht unterdessen im Pentagon und anderswo Chaos aus. Man versucht, Funkkontakt mit dem General und mit den über die Failsafe-Points hinausgelangten Bombern aufzunehmen, doch vergebens. General Turgidson wird aus seinem Schäferstündchen mit seiner Sekretärin gerissen; im Pentagon wird eine Krisensitzung abgehalten. Der russische Botschafter wird ins Pentagon gerufen, und Präsident Muffley spricht mit dem russischen Premier über das rote Telefon. Er erklärt dem Angetrunkenen mit Mühe die Lage und bittet ihn, die Bomber abzuschießen, nachdem er ihre Ziele und die Art der Bewaffnung durchgeben wird. In der belagerten Basis entdeckt Mandrake ein verstecktes Transistorgerät und wundert sich über das normale Tanzmusik-Programm. Doch als der General, der hinter ihm die Tür verriegelt hat, ihm in seinem Büro seinen Plan erklärt, erkennt Mandrake, daß er es mit einem übergeschnappten Zwangsneurotiker zu tun hat. Weder durch diplomatisches Vorgehen, noch durch energisches Auftreten gelingt es ihm, Ripper zur Herausgabe der Rückholcodes für die Bomber zu bewegen. Schließlich versucht eine Fallschirmjägereinheit den Stützpunkt Burpelson zu überrennen, was ihr nach horrenden Verlusten auch gelingt. Nur: General Ripper hat sich eine Kugel ins Hirn geblasen, weil er Angst davor hatte, die Kommunisten könnten ihm unter der Folter den Geheimcode zum Zurückrufen seiner Bomberflotte entreißen. Als dem britischen Verbindungsoffizier Mandrake aus den Kritzeleien Rippers eine Codeknackmethode einfällt, kann er das ununterbrochen tagende Pentagon nicht erreichen, denn sämtliche Stützpunkttelefone sind ausgefallen. Da man kein R-Gespräch annehmen will und er auch kein Kleingeld hat, um von einem Münzfernsprecher aus anzurufen, muß er mit Hilfe des Haudegens Colonel Guano einen Getränkeautomaten knacken. Vier der fünf mit Atombomben bestückten Flugzeuge schwenken zwar ab, aber die B-52 des texanischen Majors Kong, die leicht angeschossen wurde und das Rückrufsignal nicht mehr empfangen kann, rast weiter. Obwohl der US-Präsident und sein sowjetischer Kollege per Telefon allen Goodwill dieser Erde aufbringen, nimmt das Unglück seinen Lauf. Die Russen können Kongs Bomber nicht mehr abschießen. Als seine Tätigkeit eine sowjetische Geheimwaffe in Betrieb setzt, von der nicht einmal die CIA etwas wußte und die bezeichnenderweise »Weltvernichtungsmaschine« heißt, lauschen Präsident Muffley, der herbeigerufene russische Botschafter und die Pentagon-Generalstäbler den Worten eines Wissenschaftlers, der sich Dr. Seltsam nennt, unverkennbar deutscher Herkunft ist, bereits wieder Überlebenspläne schmiedet, den Präsidenten versehentlich mit den Worten »Mein Führer« anspricht und ständig seine rechte Hand daran hindern muß, sich zum Hitlergruß zu erheben. Und zu den Klängen eines populären Schlagers, dessen Refrain »We'll meet again/don't know where/don't know when/ but it will be some sunny day« lautet, reicht die Welt den Abschied ein.
Anders als die beiden anderen Filme, die sich im selben Jahr mit dem Thema eines drohenden oder unabsichtlich herbeigeführten Atomkriegs beschäftigen (Sieben Tage im Mai, Fail Safe - Angriffsziel Moskau), verweigert Kubricks Film jeden Heroismus, verzichtet konsequent auf nationales oder humanistisches Pathos, auf positive Indentifikationsfiguren und auf die gewohnte Charakterpsychologie - und damit auch auf jede tröstende Erklärung, die das Unheil erträglich machen und mit Sinn ausstatten könnte. Das dahinter stehende Menschenbild ist zutiefst pessimistisch: Der Mensch ist weder moralisch noch intellektuell in der Lage, die von ihm selbst geschaffenen technischen Apparate zu kontrollieren; diese - angefangen von simplen Kommunikationstechniken wie dem Telefon bis hin zu der großen logistischen Maschinerie der Kriegführung - gewinnen vielmehr ein Eigenleben, eine kalte, mitleidslose, aber in sich schlüssige Folgerichtigkeit und Logik. Kubrick schafft in seiner Inszenierung ein Pendant zu dieser tödlichen Logik: Seine Dramaturgie treibt die Handlung mit der Präzision und Unaufhaltsamkeit eines ablaufenden Uhrwerks auf ihr fatales Ende zu; nicht die Figuren agieren in dieser Zeit oder gestalten sie, sondern der Ablauf diktiert umgekehrt das Verhalten der Figuren.« (Kilb/Rother, Stanley Kubrick).
»Der Film ist am besten, wenn die Groteske hart an der Realität bleibt und Menschen zeichnet, nicht abnorme Figuren. Gerade die Normalität der abnormen Situation, die unüberbrückbare Diskrepanz zwischen den Menschen und diesem Ereignis ist das eigentlich Makabre... Und der junge General im Pentagon begeistert sich für die Doomsday Machine. So ein Ding müßten wir auch haben. Er begreift nicht, daß er von seiner eigenen Vernichtung spricht und daß diese schon feststeht. Das wahrhaft Schreckliche ist nicht die Existenz irgendwelcher Strangeloves, die vom Dämon besessen sind, sondern daß unser Schicksal abhängig ist von jenen beschränkten Sportstypen, die alles fabelhaft finden, was funktioniert, ganz gleich, was da funktioniert, und von jenem mit fixen Ideen behafteten altgewordenen Jünglingen.« (Film).
Sexuelle Anspielungen ziehen sich durch den gesamten Film. »Schon die Wahl der Namen läßt keinen Zweifel an der Haltung, die der Wahl zugrundeliegt: Jack D. Ripper = Jack the Ripper; de Sadesky; Turgidson = Sohn des Geschwollenen; Mandrake = Mandragora = Alraune ist in der Sexologie als Aphrodisiakum oder Fruchtbarkeitshelfer ebenso notorisch wie Bat Guano = Fledermauskot; Kissoff = piss-off = fuck-off; Präsident Merkin Muffley hat sich mit Namen abzufinden, die Vulgärausdrücke für die weibliche Scham oder Vulva sind; King Kongs Bomben tragen Aufschriften, die ebenfalls aus dem Bereich der Sexualität stammen. Wo die Namen kein Zufall sind, sind es die Bilder ganz gewiß nicht: das Opening mit der phallischen Nasenspitze des Tankflugzeugs; der Vorgang des Betankens in der Luft als ein Sexualakt von Insekten. Die einzige Frau im ganzen Film ist Miß Scott: als Pin-up im Playboy, indem Kong blättert; als Sexualobjekt von Turgidson, der verhindert ist. Ripper handhabt sein Mikrofon nicht anders als seine Zigarre, wenn er zu seiner Truppe spricht; ebenso später, wenn er ein langrohriges Maschinengewehr aus dem Golfschlägersack (Präservativ) befreit. Kong fährt, einen gigantischen Phallus zwischen den Beinen, in den Orgasmus des Todes.« (Peter W. Jansen/Wolfram Schütte (Hrsg.), Kubrick).
»Krieg erscheint als Ersatzbefriedigung. Sexualität ist verschoben auf Maschinen, die den Tod verheißen. Eine Erektion besonderer Art ist beim Auftritt Dr. Strangeloves - bei der Übersetzung Dr. Seltsam geht der sexuelle Beiklang verloren, wie überhaupt die deutsche Synchronisation stark kritisiert worden ist - zu beobachten, als er über die Rettung der Menschengattung nach dem Atomkrieg durch gezielte Vermehrung der Besten doziert. Gegen seinen Willen reckt sich sein rechter Arm immer wieder zum Hitlergruß. Die Figur steht für viele NS-Forscher, die ihre Arbeit in den USA nahtlos fortführen konnten. Strangelove ist als Figur nicht so zentral, wie es der Filmtitel suggeriert, doch er verkörpert die These des Films: Die militärische Logik mündet in der Unmenschlichkeit faschistischer Vernichtungsstrategien und Zerstörungsphantasien.« (Tim Darmstädter in: Metzlers Filmlexikon). Die deutsche Kritik allerdings empfindlich im deutschen Selbstbewußtsein getroffen, nur allein wissen zu können, was ein authentischer Nazi ist hat seinerzeit seltsam einmütig auf die Figur des Dr. Strangelove reagiert, vom Filmdienst (»ein billiger Über-Goebbels und könnte so wohl nie bis ins Pentagon vordringen«) bis zur Filmkritik: »Mißglückt ist auch die Titelfigur Strangelove, lächerlich, unglaubwürdig und deshalb leider harmlos, verdirbt den Film an einer zentralen Stelle.« Derlei Einwände kamen allerdings in der anglo-amerikanischen Kritik überhaupt nicht zur Sprache; für sie ist anders als in Deutschland der Nazismus auch zum Genre geworden, zur Kinomythe mit all ihren Entfaltungen und Wucherungen, eine Kino(wieder)geburt, die sich aus dem Kino nährt.
Bei seiner Erstaufführung hat Kubricks Film begreiflicherweise in der Öffentlichkeit zu erheblichen Kontroversen geführt. Zur gleichen Zeit entwickelte sich der Film unter der jugendlichen Intelligenz zu einem Schlüsselfilm, der die eigenen Ängste und Aggressionen zum Ausdruck brachte. Kubricks Film gelangte nicht nur in den politischen Teil der Zeitungen, sondern auch in Verlautbarungen von Politikern, die ansonsten mit dem Kino wenig im Sinn hatten. Das beliebteste Argument war, daß auch ein Künstler vom Rang Kubricks nicht auf diese Weise mit dem Entsetzen Scherz treiben dürfe.
»Kubricks Film ist verletzend, und ich kann mir nicht denken, daß er viele Freunde findet, wohl aber, daß die Gemütlichkeit, mit der man so mit der Bombe dahinzuleben begonnen hat, empfindlich gestört werden dürfte. Das, und außerdem die schöne Überlegenheit eines intelligenten Autors, der nicht um dieses Thema herumschleicht, machen Dr. Seltsam zu einem Ereignis.« (Filmkritik).
»Anzuzeigen ist ein Meisterwerk: ein Film, der das zentrale Thema unserer Zeit, die atomare Bedrohung der Menschheit, als Stoff für eine mörderische Satire verwendet. Technisch brillant, mit optischen Gags und bösartig glitzernden Bild-und Wortklischees gewürzt, zeichnet sich der Film durch eine Sparsamkeit der Mittel aus, die jeder Szene, jedem Dialog Brennglasschärfe verleihen. Der Wahnsinn hat Methode. Kubricks Gestalten sind keine Karikaturen, sondern durchwegs identifizierbare Herren.« (SZ).
Academy Awards, USA
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Jahr | Kategorie/Preisträger | ||
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1965
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Bester Hauptdarsteller - Peter Sellers (Nominierung)
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Bestes adaptiertes Drehbuch - Stanley Kubrick, Terry
Southern, Peter George (Nominierung)
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Beste Regie - Stanley Kubrick (Nominierung)
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Bester Film - Stanley Kubrick (Nominierung) |
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British Academy Awards, UK
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Jahr | Kategorie/Preisträger | ||
1965 |
Beste britische Ausstattung (s/w) - Ken Adam
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Bester britischer Film
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Bester Film
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UN-Award
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Bester britischer Darsteller - Peter Sellers (Nominierung)
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Bestes britisches Drehbuch - Stanley Kubrick, Terry
Southern, Peter George (Nominierung)
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Bester ausländischer Darsteller - Sterling Hayden
(Nominierung)
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Robert Lamm in: Journal of Popular Film and Television, 2/1991; Charles Maland in: Film und Fernsehen, 6-7/1988; Gary K. Wolfe in: Journal of Popular Film, 1/1976
Ciment, Michael: Kubrick, München 1982
Hahn, Ronald M./Jansen, Volker: Lexikon des Science-Fiction-Films, München 1997
Heinzlmeier, Adolf: Kinoklassiker, Hamburg/Zürich 1986
Jansen, Peter W./Schütte, Wolfram (Hrsg.): Kubrick (Hanser Reihe Film Bd.18), München/Wien 1984
Kilb, Andreas/Rother, Rainer (Hrsg.): Stanley Kubrick, Berlin 1999
Kirchmann, Kay: Stanley Kubrick - Das Schweigen der Bilder, Marburg 1993
Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmgenres - Science Fiction, Stuttgart 2003
Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Stuttgart/Leipzig 1995
Manthey, Dirk (Hrsg.): Goldenes Kino (Cinema-Buch), Hamburg 1986
Müller, Jürgen: Filme der 60er, Köln 2004
Seeßlen, Georg/Jung, Fernand: Stanley Kubrick und seine Filme, Marburg 1999
Stresau, Norbert/Wimmer, Heinrich(Hrsg.): Enzyklopädie des phantastischen Films, Meitingen 1986ff
Thissen, Rolf: Stanley Kubrick (Heyne Filmbibliothek), München 1999