Verschwörung der Frauen




Technisches
Land
 
Gb
Jahr
 
1988
Länge
 
118 min. (3240 m)
Farbe
 
color
Tonverfahren
 
Dolby
Format
 
35 mm (1.66:1)
Monumentalfilm
Historienfilm
Komödie


Regie   Peter Greenaway
Drehbuch   Peter Greenaway
Kamera   Sacha Vierny
Schnitt   John Wilson
Musik   Michael Nyman
Ton   Ted Swanscott, Trevor Holland, Tony Fish,
    Chris Wyatt
Prod.-Design   Ben Van Os, Jan Roelfs
Kostüme   Heather Williams
Maske   Sara Meerman (Make-up), Mary Sturgess
    (Frisuren)
Stunts   Peter Brayham
Produktion   Kees Kasnader, Denis Wigman für Film
    Four International/ Elsevier Vendex Film/
    Allarts Produktion;
Verleih   Pandora, Arthaus (Video)


Kinostart
D
  17.11.1988
       
Videostart
D
  20.02.1995
       
TV-Premiere
D
  04.04.1990, ZDF
       


 
D
  424773 $
 
D
 
537205 €, 148489 Zuschauer


Bernard Hill   (Henry Madgett)
Joan Plowright   (1.Cissie Colpitts)
Juliet Stevenson   (2.Cissie Colpitts)
Joely Richardson   (2.Cissie Colpitts)
Jason Edwards   (Smut)
Bryan Pringle   (Jake)
Trevor Cooper   (Hardy)
David Morrissey   (Bellamy)
John Rogan   (Gregory)
Paul Mooney   (Teigan)
Jane Gurnett   (Nancy)


Großmutter, Mutter und Tochter - Cissie 1, 2 und 3 - ertränken im Laufe der Geschichte, Untreue, Gleichgültigkeit und Anmaßung zum Anlaß nehmend, ihre Männer, weil sie sie einfach satt haben. Die drei Frauen verbünden sich mit dem Leichenbeschauer Madgett, der in Hoffnung auf erotischen Lohn stets einen natürlichen Tod attestiert. Angehörige der jäh aus dem leben Gerissenen schöpfen Verdacht und schmieden nachts bei ihren Treffen am Wasserturm Pläne zur Entlarvung der Mörderinnen und ihres Komplicen. Ein Tauziehen soll am Ende nach Madgetts Vorschlag den Konflikt entscheiden. Zwar verliert dabei die Partei der Frauen, aber Madgett, der mit den Mörderinnen auf den See hinausrudert, um die Urnen mit den Überresten der Ehemänner zu bestatten, wird ihr letztes Opfer und findet ebenfalls ein nasses Grab. Madgetts Sohn Smut, Typ des bebrillten Strebers und pervertierte Realisation einer »Alice im Wunderland«, sammelt, numeriert und katalogisiert parallel zu den mörderischen Aktivitäten der Frauen alle Fälle von Absterben in der Natur und quittiert sie mit Feuerwerken und der Rezitation surrealer Regeln nekrophiler Gesellschaftsspiele. Als seine kleine Freundin, die seilhüpfend die Namen von hundert Fixsternen wiederholt, am Ende Opfer eines betrunkenen Autofahrers geworden ist, spielt Smut sein letztes Spiel und erhängt sich.

 


Versteckt angelegt ist das Zahlenspiel, das Greenaways Film in mehreren Variationen durchzieht: Da hüpft ein Mädchen den ganzen Film hindurch Seil und zählt dabei die Sterne - von eins bis 100. Da sammelt Smut einen Tierkadaver nach dem anderen - von 1 bis 100. Und da ziehen sich Ziffern, versteckt irgendwo in der Dekoration, vom Anfang bis zum Ende durch den ganzen Streifen hindurch, ebenfalls von eins bis 100. Das Auftauchen der letzten Zahl, des letzten Sterns und des letzten Tierkadavers geht einher mit dem Tod des Leichenbeschauers. Ein weiters Ordnungsprinzip bilden die skurrilen Spiele, deren Regeln Smut erklärt. Im Verlauf des fünften Spiels »Fang oder stirb« spiegelt sich die weitere Entwicklung des Films: Nacheinander müssen Hardy, Bellamy, Madgett und Smut ins Leichentuch; in dieser Reihenfolge werden sie auch im Film zu Tode kommen. In der Mitte des Films - mit dem Erreichen der Zahl 50 - spielen alle Figuren »Henkerkricket«, ein Spiel, in dem sich ihre Rollen spiegeln und dessen Rollen lange Zeit rätselhaft bleiben. Den tieferen Sinn seiner makabren Symbolik beschreibt Greenaway so: »Es ist eine poetische Geschichte moralisch erzählt, um den Glauben zu unterstützen, daß die Guten selten belohnt werden, die Bösen meistens ohne Strafe davonkommen und daß die Unschuldigen stets mißbraucht werden.«

Es gibt kaum einen anderen Regisseur, der wie Greenaway die barocke Philosophie von der Welt als Bühne und der Bühne als Weltspiegel so raffiniert und visuell ausgeklügelt auf die Leinwand übertragen hätte. Mit britischem Eigensinn, Traditionen von Buñuel und Beckett verschmelzend, vereinigt der Regisseur seine ironische Konzeption vom Verhältnis der Menschen zueinander mit den Prinzipien der Kunst mehrerer Jahrhunderte. In Bildern, die von Brueghel über die Surrealisten und Absurden bis zum modernen Clip ihre genau berechnete Inspiration schöpfen, entsteht eine nekrophile Komödie, in der der Mensch des ausgehenden 20.Jahrhunderts, aller schönfarberischer und auch verkniffener Moral entkleidet, das Ende der Kommunikation zelebriert. »Die Hauptthemen der gesamteuropäischen Kultur sind Sex und Tod. Die Mehrheit der Filme romantisiert und sentimentalisiert diese Aspekte. Für mich ist Filmemachen eine seelische Entschlackung«, meinte Regisseur Greenaway, selbst in höchstem Maße der Faszination des Todes erlegen, zu seinem filmischen Schaffen. Wie schon in seinem Debütspielfilm Der Kontrakt des Zeichners oder in späteren manieristischen Werken Der Bauch des Architekten und Ein Z&Zwei Nullen spielt der Tod auch in Verschwörung der Frauen eine zentrale Rolle.

»Greenaway greift in Verschwörung der Frauen Momente seines frühen nichtnarrativen Kinos spielerisch auf. Nicht nur die lineare Zählung von 1 bis 100, sondern auch die wiederkehrende Zahl 3 spielt dabei eine herausragende Rolle: drei Frauen, drei Morde, drei Bestattungen, drei Annäherungsversuche Madgetts. Mit seinem hintergründigen und schwarzen Humor reflektiert der Film das Verhältnis von Fiktion und Realität, Spiel und Leben, Herrschaft und Ohnmacht durch Regeln.« (Klaus Bort in: Metzlers Filmlexikon).

»Greenaway inszeniert seine Spiele in grandiosen Farb- und Lichtkompositionen, als eine Mischung von barockem Schäferspiel in einer ländlichen Idylle, makabrer Kinderparty, Maskenball und Totentanz. Ein Universum eigener Logik, in dem Beziehungen zwischen unterschiedlichen Dimensionen, dem Lauf der Gestirne, den menschlichen Handlungen, der Welt der Insekten und der Mathematik beispielsweise, bestehen. Eine Welt des ungelösten Konflikts zwischen Gegensätzen, Gut und Böse, Mann und Frau, Leben und Tod, Lust und Frust, Bestimmung und Zufall. Die spielerische Art der Präsentation einer Welt rätselhafter Regeln und Beziehungen ergibt keine klare Zuspitzung auf eine in einfachen Worten zu fassende Aussage. Statt dessen entfesselt Greenaway eine Fülle von Assoziationen, die auf Verweise auf Werke der Malerei und Musik ihr intellektuell anspruchsvolles Niveau kundtun. Allerdings entsteht auch vielfach der Eindruck des Prätentiösen, einer gewissen Beliebigkeit, einer Fassade, die bei intensiverer Prüfung zusammenfällt wie ein Kartenhaus, während die tiefgründigen Ideen wie der Kaiser ohne Kleider dastehen und nur skurriler Nonsens übrigbleibt.« (Peter Hasenberg, Filmdienst).



Filmfestival Cannes, Frankreich
Jahr   Kategorie/Preisträger
1988
Goldene Palme
Bester künstlerischer Beitrag - Peter Greenaway
 



 
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Michael Althen in: SZ, 19.11.1988; Johannes Bösiger in: Filmbulletin, 4/1988; Thomas Elsaesser in: Monthly Film Bulletin, 657/1988; Peter Hasenberg in: film-dienst, 24/1988; Michael Kötz in: epd-Film, 12/1988; Heike Kühn in: FR, 18.11.1988; Josef Schnelle in: Kölner Stadt-Anzeiger, 26.11.1988; Marli Veldvoss in: FAZ, 18.11.1988

Cinema Nr.126 (11/1988), S.83; Nr.127 (12/1988), Plakatkarte

Barchfeld, Christiane: Filming by Numbers: Peter Greenaway, Tübingen 1993

Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Stuttgart/Leipzig 1995

Stresau, Norbert/Wimmer, Heinrich(Hrsg.): Enzyklopädie des phantastischen Films, Meitingen