Fahrenheit 451




Technisches
Land
 
Gb
Jahr
 
1966
Länge
 
113 min. (3073 m)
   
Originallänge:3084 m
Farbe
 
color
Tonverfahren
 
Westrex
Format
 
35 mm (1.85:1)
Science Fiction


Credits
Regie   François Truffaut
Drehbuch   François Truffaut, Jean-Louis Richard,
    David Rudkin, Helen Scott
Literaturvorlage   Ray Bradbury
Kamera   Nicholas Roeg
Spezialeffekte   Les Bowie, Charles Staffel
Schnitt   Thom Noble
Musik   Bernard Herrmann
Ton   Bob McPhee, Gordon McCallum,
    Norman Wanstall
Bauten   Syd Cain
Ausstattung   Tony Walton
Kostüme   Tony Walton, Yvonne Blake
Maske   Basil Newall
Produktion   Lewis M. Allen für Anglo Enterprise/
    Vineyard Films
Verleih   UIP


Erstaufführung
Kinostart
I
  06.09.1966, IFF Venedig
F
  16.09.1966
D
  23.12.1966
       
TV-Premiere
D
  03.02.1973, ARD
       
DVD
USA
  11.03.1998 (Image Entertainment)
USA
  01.04.2003 (Universal)
USA
  19.06.2002 (MK2 Editions)
D
  30.10.2003 (Universal)
D
  18.06.2005 (SZ-Cinemathek Nr. 16)


Einspielergebnisse

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Darsteller
Oskar Werner   (Montag)
Julie Christie   (Linda Montag/Clarisse)
Cyrill Cusak   (Hauptmann)
Anton Diffring   (Fabian)
Jeremy Spenser   (Mann mit dem Apfel)
Bee Duffell   (Bücher-Frau)
Anne Bell   (Doris)
Caroline Hunt   (Helen)
Anna Palk   (Jackie)
Roma Milne   (Nachbarin)
Arthur Cox   (Krankenpfleger)
Eric Mason   (Krankenpfleger)
Alex Scott   (Stendal: Das Leben des Henry
    Brulard)
Denis Gilmore   (Bradbury: Die Mars-Chroniken)
Fred und Frank Cox   (Jane Austen: Stolz und
    Vorurteil)
Michael Balfour   (Machiavelli: Der Fürst)
David Glover   (Dickens: Die Pickwicker)
Judith Drynan   (Platon: Der Staat)
Yvonne Blake   (Sartre: Die Judenfrage)
John Rae   (Stevenson:Weir von Hermiston)


Inhalt
Im streng reglementierten, autoritär und anonym gelenkten Zukunftsstaat Inasmuch ist jegliche Art der schriftlichen Mitteilung und Überlieferung streng verboten. Die herrschende und lediglich durch die Polizeifunktionen ausübende Feuerwehr repräsentierte Macht hat gesetzlich verfügt, daß alle schriftlichen Unterlagen, Zeugnisse und Überlieferungen vernichtet werden müssen. Die Feuerwehr ist mit Flammenwerfern ausgerüstet, die den Hitzegrad Fahrenheit 451 (das sind 232 Grad Celsius) erzeugen. Bei dieser Hitze entzündet sich Papier. Unerbittlich fahndet die Feuerwehr nach verborgenen Buchbeständen. Wer Bücher besitzt oder liest, ist als Staatsfeind abzuurteilen, da das nichtsnutzige Geschwätz, die törichten Gedanken und unangebrachten Gefühle, die in den Büchern enthalten sind, die Menschen verdummen, aufwiegeln oder gar zum Nachdenken verleiten. Nur das allgegenwärtige, auf große Projektionsflächen übertragene Fernsehen, das jedoch im Stil primitiver Frauenmagazine dargeboten wird, ist einzige erlaubte Informationsquelle, deren informativer Gehalt allerdings gleich Null ist. Von der Richtigkeit dieser Gesetze überzeugt, zeichnet sich der Feuerwehrmann Guy Montag bei der Auffindung von Staatsfeinden besonders aus. Mit Vehemenz legt er die Schätze aufgespürter Bücherbesitzer und auch deren Häuser in Schutt und Asche. Die Begegnung mit der noch zu selbständigem Denken erzogenen Clarisse veranlaßt ihn, nach dem Grund seiner Tätigkeit zu fragen. Er spürt langsam, daß etwas faul im Staate sein muß. Bei seiner Frau Linda kann er auf keine Unterstützung hoffen: Sie ist der Prototyp der neuen Gesellschaft, angepaßt, ohne Wünsche, Sehnsüchte und Leidenschaften (eheliche Beziehungen beschränken sich ohnehin nur auf das gemeinsame Fernsehen). Montag gelingt es, bei seinen Einsätzen Bücher »abzustauben«. Er fängt an, intensiv zu lesen. Damit entfernt er sich in Gedanken immer weiter von Staat und Gesellschaft. Er wird zum Gegner des Systems. Seine Frau Linda denunziert ihn. Guy Montags letzter Diensteinsatz richtet sich gegen sein eigenes Haus. Dazu gezwungen, seine eigenen Bücher zu verbrennen, richtet er zunächst den Feuerstrahl auf Ehebett und Fernsehbildwand, dann erst nach einigen Ermahnungen auf den Bücherstapel. Als er dann auch noch sein letztes Buch herausgeben soll, tötet Montag seinen Vorgesetzten mit dem Flammenwerfer. In der allgemeinen Verwirrung gelingt ihm die Flucht. Im Fernsehen wird die Falschmeldung von der Festnahme und Hinrichtung Montags gesendet. Der (alte) Montag ist tot, der neue flieht in das Land der Bücher: in diesem Land lebt eine Gruppe Menschen, die die Schriften der Vergangenheit Wort für Wort im Gedächtnis bewahren, um sie mündlich der Nachwelt zu erhalten. Jeder trägt den Namen seines Buches. Montag heißt nach Edgar Allan Poe »Seltsame Geschichten«. Wie die anderen schreitet er fortan, einem Roboter gleich, seinen Text hinmurmelnd, durch den winterlichen Wald.

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Kritik
»Bradbury zeichnete in seinem Roman ein düsteres, furchterregendes Zukunftsbild: das Amerika der Riesenstädte mit gewaltigen Gebäudekomplexen im Zentrum, endlos aneinandergereihten Einfamilienhäusern in der unendlichen Peripherie; in einer total motorisierten Welt ist die Natur verpönt; Verweilen ist bereits ein Vergehen, denn Verweilen könnte mit Nachdenken kombiniert werden, und gerade Nachdenken ist verboten; Kinder bringen sich gegenseitig um; das absolute Fernsehzeitalter ist angebrochen; weil alle Häuser mit technischer Hilfe feuerfest gemacht worden sind, wird der Feuerwehr eine neue Aufgabe übertragen, nämlich die Bücherverbrennung; die Jagd auf Bücherdissidenten ist die beliebteste Fernsehunterhaltung. Man hätte aus der literarischen Vorlage einen technischen Zukunftsknüller wie Flucht ins 23.Jahrhundert machen können, Truffaut setzt aber andere Schwerpunkte: Durch Verzicht auf utopisches Brimborium gelingt es ihm, eine weit entfernte utopische Gefahr - die Unterdrückung der Gedankenfreiheit - in die unmittelbar bevorstehende Zukunft zu verlegen. Truffaut übernimmt von Bradbury nur die Grundidee der bücherlosen Gesellschaft und die Geschichte des Feuerwehrmannes Montag. Es fehlt der düstere, furchterregende Anstrich zukünftiger Unmenschlichkeit. Futuristische Technik zeigt sich nur bei einer Art Einschienenbahn als öffentlichem Verkehrsmittel und beim den Fernsehwänden (die heutzutage bereits Schnee von gestern sind). Es dominiert dagegen liebenswert Altmodisches (bretonisches Eßgeschirr, Telefone im Stil Edisons und Fachwerkhäuser), dazu filmhistorisch Bekanntes: Kleider von Carole Lombard und Debbie Reynolds; ein Feuerwehrwagen ähnlich dem in Frank Capras 1936 entstandenen Publikumserfolg Mr.Deeds geht in die Stadt (mit Gary Cooper).« (Hahn/Jansen, Lexikon des Science-Fiction-Films). Die Musik zu Fahrenheit 451 spiegelt die künstlerische Gesamtkonzeption des Werkes wieder: sie ist keineswegs futuristisch, verfremdet, sondern, wie der Komponist bemerkt, »etwas so Altes, daß es wie supermodern klingt«. Genau so verfährt auch die Regie. Es gibt keinerlei formale Experimente, der Erzählfluß ist eher klassisch, fast getragen. Truffaut inszeniert seine Figuren weniger, als daß er sie so geduldig wie insistierend verfolgt und beobachtet. Bestimmendes Merkmal ist die langsame, konzentrierte, durchkomponierte Kamerafahrt, und auch in den actionbetonten Szenen wird das Tempo nicht über Gebühr forciert. Dazu gehört auch, daß viele Möglichkeiten, Spezialeffekt-Feuerwerke abzubrennen, ungenützt bleiben, um noch genauer das Verhalten seiner Protagonisten wiederzugeben. Fast liebenswert sind auch die handelnden Personen - behäbige Kleinbürger, die tun, was man von ihnen verlangt. Sie zeigen absolute Dienstbeflissenheit und Einsatzbereitschaft und werden so zu programmierten Unpersonen. Die Feuerwehrleute sind das Sinnbild des Perfektionismus der anonymen Staatsmacht: ein kühler Ablauf von Warten/Alarm/Vollzug; staatliche Gewalt, die überall und jederzeit zuschlagen kann. Unmenschlichkeit zeigt sich bei Truffaut weniger im Verbot der Kommunikation und des Denkens als vielmehr in der Bereitwilligkeit gerade der Betroffenen, solche Verbote zu akzeptieren.

»Die Geschichte hat in ihrer Einfachheit und Direktheit viel von einem Märchenstoff, und immer wieder münden Truffauts Filme in dieses betont literarische Genre, sei es ein Kriminalfilm wie Schießen Sie auf den Pianisten, eine amour fou wie Das Geheimnis der falschen Braut oder ein politischer Film wie Die letzte Metro, in der das märchenhafte Ende die Utopie der Versöhnung konkretisiert. Immer wieder verwendet auch Fahrenheit 451 einerseits thematische Muster des Märchens: die Verbrennung der Old Lady erinnert an das Ende einer Märchenhexe; das Haus, in dem Clarisse mit ihrem Onkel lebt, entstammt, ganz im Gegensatz zu den modernen Norm-Bungalows der Nachbarschaft, eindeutig einer Märchenwelt; und die alles andere als futuristischen Feuerwehrautos sind deutlicher einem 50er-Jahre-Bilderbuch mit Märchencharakter entlehnt als einem Science-Fiction-Stoff. Andererseits spiegelt sich das Märchenhafte des Films auch in seinen narrativen Elementen selbst: Truffaut fungiert dabei als Dichterindividualität, die mit bewußtem Kunstverstand ein Kunstmärchen erschafft und dabei das unbewußte Fantasiespiel durch allegorische Verkleidung von Gedanken, Tendenzen und Meinung zerbricht. Dabei wäre es freilich unangemessen, Truffaut dafür zu schelten, daß sich sein Film dabei nicht zur Parabel über die Gefährdungen des Menschen durch staatlichen Dirigismus verdichtet und als solche dementsprechend nur ansatzweise funktioniert. Denn dies ist nur eine der möglichen, betont vage umrissenen Tendenzen des Films, der selbst viel unkonkreter, im positiven Sinne eben märchenhafter bleibt. Man mag dies durchaus als Positionslosigkeit interpretieren und es Truffaut entsprechend ankreiden, würde damit aber dessen ganz anders gelagerten Ansatz übersehen.« (Horst Peter Koll in: Lexikon des internationalen Films).

»Sehr sarkastisch zeigt Truffaut das gesellschaftspsychologische Dilemma dieser schriftlosen Kultur: den ungezügelten Narzißmus. Jeder Mensch ist sich selbst zum einzig möglichen Objekt der Begierde geworden. Montag beobachtet ein Mädchen, das versonnen ihr Spiegelbild im Fenster küßt, Montags Frau liebkost vor dem Spiegel ihre Brüste; der Hauptmann verteilt Medaillen, auf denen er selber abgebildet ist. So erscheint das Verbot der Bücher weniger als ein Verbot der Vernunft, als vielmehr das Verbot eines bestimmten Genusses, der sich mit der Neugier auf das andere und den anderen verbindet. Es ist in der Tat nicht die Schönheit von Clarisse, die Guy Montag anspricht, sondern ihre geistige Freiheit, ihre Idee der Autonomie. Das zeigt Truffaut schon dadurch, daß er Montags Frau Linda und Clarisse mit derselben Schauspielerin besetzt hat: die Alternative ist frei von jeder Äußerlichkeit, läßt sich nicht mehr (wie in anderen Filmen Truffauts) problemlos als veränderte Konstellation in einem erotischen Dreieck interpretieren. Für die Doppelrolle von Julie Christie gibt es im übrigen, wie für viele großartige Regieeinfälle, auch eine triviale Erklärung des Regisseurs: ›Oskar Werner tritt in jeder Szene auf, während die weiblichen Hauptrollen klein sind. Das bewog mich, Julie Christie beide spielen zu lassen, so extrem verschieden sie auch sind.‹ « (Georg Seeßlen in: Enzyklopädie des phantastischen Films).

Truffauts Film ist ein pessimistischer Film. Die Flucht Montags aus dem utopischen Staat ist sinnlos, sie weist keinen Weg in eine andere Zukunft. »Sowohl der Außenseiter als auch die Gesellschaft selbst sind dem Untergang geweiht. Eine Gesellschaft, die sich nicht mehr fortpflanzt, die keine Möglichkeit zur Fixierung von Inhalten hat, die die Tradition leugnet und nur verbal und optisch kommuniziert, ist bereits tot." (Filmbeobachter). Indem die Menschen zu lebenden Büchern werden, sind sie von ihrer Selbstbestimmung so weit entfernt und so entfremdet wie die Menschen in der Welt, der sie entkommen sind. Am Ende gehen Clarisse und Montag durch den Wald, und jeder rezitiert ein anderes Buch. Die Möglichkeit zur Kommunikation ist so fern wie zuvor (und hier zeigt sich ein weiterer Aspekt in der Doppelrolle von Julie Christie). Die Welt der Buch-Menschen wird vom Zukunftsstaat Inasmuch geduldet, weil nur zu klar ist, daß sie keine wirkliche Bedrohung ist, und umgekehrt kommt aus der Kultur der Buch-Menschen auch kein Impuls, sich der anderen Kultur entgegenzustellen. Zu sehr ist man damit beschäftigt, ein Buch zu werden, auf eine nun ganz andere Art seine Persönlichkeit zu verlieren. Die Auslöschung der Person scheint beschlossene Sache; es stellt sich, nach dem Auseinanderfallen der verschiedenen Kräfte, nur noch die Frage nach dem Weg dahin. Mit dieser Wendung richtet sich Truffaut radikal gegen seine literarische Vorlage. Bradbury macht es sich da einfacher: Die Außenseiter überleben als einzige die Katastrophe, bei der der Zukunftsstaat total zerstört wird; sie können eine neue Gesellschaft aufbauen

Die Tatsache, daß die Bücher die eigentlichen Protagonisten sind, macht den Film, nach Truffauts selbstkritischer Einschätzung, ungeheuer abstrakt. Während der Regisseur sich sonst einen Stoff über die Charaktere aneignete, steht hier die Konstruktion im Vordergrund. Zur Stilisierung trägt auch die Musik von Bernard Herrmann bei. Deren gewünschte Opernhaftigkeit verleiht dem Film eine Bedeutungsschwere, die nicht frei ist von zeitbedingtem Kulturpessimismus. Truffauts Geständnis seiner Liebe zu Büchern entstand Mitte der sechziger Jahre, als man begann, um die vom Medium Fernsehen bedrohte Lesekultur zu fürchten. So ist es nicht verwunderlich, daß Fahrenheit 451 nicht frei von berechtigter Kritik geblieben ist: »Die Regeln des Genres sind nur äußerst schlampig umgesetzt: Das Feuerwehr-Gebäude sieht aus wie ein hastig angemaltes Parkhaus. Später sehen wir dilettantische Trickaufnahmen von fliegenden Polizisten und die Wuppertaler Schwebebahn wäre im Ambiente dieses Films eine technische Revolution. Es ist aber auch ein Politthriller nur im Ansatz. Weder wird das Motiv der Bücherverbrennung historisch aufgegriffen, noch das Motiv der geistigen Zensur in Richtung einer Darstellung umfassender Unterdrückung ausgeweitet. Truffaut läßt keine zeitlich-gesellschaftliche Bestimmung seiner Welt zu, aktuelle Themen werden nicht konkretisiert. Selbst die Diskussion um die Verdrängung der Print- durch die Bildmedien wird mit sehr simplen Argumenten geführt: Während in der Szene des interaktiven Fernsehens zukünftige Entwicklungen brillant parodiert werden, trägt die reine, nie argumentativ begründete Liebe zum Buch, wie sie der Film zu propagieren scheint, eher oberlehrerhafte Züge. Die ›hommes-livres‹ (Büchermenschen) in bewußter Lautnähe zu ›hommes libres‹ (freie Menschen) so genannt, haben keinen Bezug zu den Büchern, deren Inhalte sie nur rezitieren, der Film schließt in einem babylonischen Sprachgewirr ohne Kommunikation. Ein Märchen, eine moralische Geschichte? Aber das Ende bleibt ambivalent. Viele Kritiker haben dem Film eigentlich nur übelgenommen, daß er von Truffaut ist, nach dem Muster: Ein Truffaut-Film ohne Liebe ist wie ein Hitchcock-Film ohne suspense.« (Günter Giesenfeld in: Koebner (Hrsg.), Filmklassiker).

»Vieles an Fahrenheit 451 wirkt inzwischen in der Tat theoretisch und konstruiert. Reizvoll und interessant ist aber nach wie vor vieles an diesem Film, der immer dann am überzeugendsten ist, wenn er seinem ureigenen Anliegen treu bleibt und die Liebe des Büchermenschen Truffaut zu den literarischen Werken visualisiert. Während die Menschen in seinem Film paradoxerweise oftmals papieren erscheinen, gibt es einige äußerst suggestive Szenen, in denen das Papier der Bücher zu einem ganz eigenen Leben erwacht. Daß sie unter der Besessenheit des Feuerwehrmannes Montag nahezu aus allen Gegenständen des alltäglichen Lebens herausquellen - sogar aus dem Fernsehgerät, das somit nur noch als Aufbewahrungsort literarischer Gedanken fungiert! - , hat schon etwas von Goethes Zauberlehrling, der die lebendig gewordenen Besen nicht mehr länger von einem Eigenleben abhalten kann. Und wenn die alte Dame wie auf einem Scheiterhaufen verbrannt wird, dann beobachtet die Kamera die Auswirkungen der Hitze des Feuers auf die nahezu lebendigen Bücher: Das Papier wellt sich unter dem Einfluß der Hitze, die Seiten springen wild um, die darauf gedruckten Buchstaben tanzen. In solchen Szenen funktioniert auch die durch Bernard Herrmanns Musik suggerierte Opernhaftigkeit des Films, wobei das Bombastische des Entwurfs stets durch die kindliche Art des Blickes angenehm gebrochen wird.« (Hort Peter Koll in: Lexikon des internationalen Films).

Truffaut hatte fünf Jahre an einem Drehbuch für die Leinwand-Adaptation gearbeitet, doch da sich für sein Lieblingsprojekt in Frankreich kein Geldgeber fand, mußte der Regisseur nach England ausweichen. Das Projekt von Fahrenheit 451 war einerseits wegen der Popularität von Ray Bradbury nicht nur unter Science-Fiction-Fans interessant, sondern auch wegen der Stars, wie dem Österreicher Oskar Werner, vordem schon in Truffauts Jules und Jim zu sehen und gerade als Schiffsarzt in Das Narrenschiff zu Weltruhm (und einer Oscar-Nominierung) gelangt, der Engländerin Julie Christie, die in Schlesingers Darling bekannt (und Oscar-gekrönt) wurde und als Lara in Doktor Schiwago im Gedächtnis war, und dem irischen Charakterschauspieler Cyril Cusack. Im Januar 1966 fiel dann die erste Klappe zu den Dreharbeiten in den englischen Pinewood-Studios. Die Dreharbeiten waren mit einigen Schwierigkeiten verbunden, besonders durch den gesundheitlichen Zustand Julie Christies, deretwegen der Drehbeginn immer wieder verschoben wurde. Da sie eine Doppelrolle spielt, ist sie in fast jeder Szene zu sehen und wurde dementsprechend gefordert. Truffaut fotografierte die Figur der Linda ausschließlich in Innenräumen und betont somit ihre Künstlichkeit und ihren mangelnden Bezug zur Wirklichkeit, der Freigeist Clarisse dagegen ist meist unter freiem Himmel zu sehen, wie auch die »Büchermenschen« ihre Zuflucht im Wald gefunden haben.

Fahrenheit 451 war nicht nur Truffauts erster Film in englischer Sprache, sondern auch sein erster Farbfilm und sein einziger Ausflug ins Science-fiction-Genre - sieht man von einem Auftritt in Spielbergs Unheimliche Begegnung der Dritten Art ab.



Auszeichnungen
British Academy Awards, UK
Jahr   Kategorie/Preisträger
1967
British Academy Award
Beste britische Hauptdarstellerin - Julie Christie
 

 



Bewertung
 
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Literatur

Volker Baer in: Der Tagesspiegel, 16.2.1967; Pierre Billard in: L'Express, 19.9.1966; Jean-Louis Comolli in: Cahiers du Cinéma, 184/1966; Bosley Crowther in: New York Times, 15.11.1966; Michel Delahaye in: Cahiers du Cinéma, 184/1966; Wolfgang Dresp in: FR, 2.6.1967; Michel Flacon in: Cinema, 110/1966; Penelope Houston in: Sight and Sound, 36/1966-67; Peter W. Jansen in: Filmkritik, 5/1967; Urs Jenny in: SZ, 8.9.1966; Brigitte Jeremias in: FAZ, 2.6.1967; Karl Korn in: FAZ, 10.9.1966; Paul-Louis Martin in: Cahiers du Cinéma, 184/1966; Enno Patalas in: Filmkritik, 2/1967; Georges Sadoul in: Les Lettres Francaises, 22.9.1966; Martin Schaub in: NZZ, 11.5.1967; Eckhart Schmidt in: SZ, 28.12.1966; Ulrich Seelmann-Eggebert in: film-dienst, 1/1967; Reinhold E. Thiel in: Filmkritik, 3/1967

Engelhard, Günter/Schäfer, Horst/Schorbert, Walter: 111 Meisterwerke des Films (Fischer Cinema), Frankfurt a.M.1989

Fischer, Robert (Hrsg.): Monsieur Truffaut, wie haben sie das gemacht, München 1993

Grafe, Frieda/Patalas, Enno: Im Off, München 1974

Hahn, Ronald M./Jansen, Volker: Lexikon des Science-Fiction-Films, München 1997

Jansen, Peter W./Schütte, Wolfram (Hrsg.): Truffaut (Hanser Reihe Film Bd.1), München/ Wien 1985

Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmgenres - Science Fiction, Stuttgart 2003

Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Stuttgart/Leipzig 1995

Stresau, Norbert/Wimmer, Heinrich(Hrsg.): Enzyklopädie des phantastischen Films, Meitingen 1986ff

Winkler, Willi: Die Filme von François Truffaut (Heyne Filmbibliothek), München 1984



Weblinks

IMDB