Fanny und Alexander




Technisches
Land
 
S
Jahr
 
1982
Länge
 
187 min. (5129 m)
   
Originalfasung:
   
188 min. (5155 m)
   
Director's Cut:
   
312 min. (8546 m)
   
TV: 340 min.
Farbe
 
color
Tonverfahren
 
Mono
Format
 
35 mm (1.66:1)
Drama


Credits
Regie   Ingmar Bergman
Drehbuch   Ingmar Bergman
Kamera   Sven Nykvist
Spezialeffekte   Bengt Lundgren
Schnitt   Sylvia Ingemarsson
Musik   Daniel Bell
Ton   Owe Swensson, Bo Persson, Björn
    Gunnarsson, Lars Liljeholm
Bauten   Susanne Lingheim
Ausstattung   Anna Asp
Kostüme   Marik Vos
Maske   Barbro Holmberg-Haugen, Anna-Lena
    Melin, Leif Qviström
Stunts   Johan Thorén
Produktion   Jörn Donner für Cinematograph,
    Schwedisches Fernsehen SVT1,
    Gaumont, Personafilm, Tobis Filmkunst
Verleih   Tobis


Erstaufführung
Kinostart
S
  17.12.1982
D
  28.10.1983
       
TV-Premiere
D
  30.12.1984/3.1.1985/6.1.1985, ZDF
       
DVD
USA
  16.11.2004 (Criterion/Voyager, Special Edition)
Gb
  25.02.2002 (Artifical Eye)
D
  05.12.2005 (Universum, Ingmar-Bergman-Edition)


Einspielergebnisse
 
D
 
587687 €, 165146 Zuschauer (1983)


Darsteller
Pernilla Allwin   (Fanny Ekdahl)
Bertil Guve   (Alexander)
Ewa Fröling   (Emilie Ekdahl)
Gunn Wallgren   (Helena Ekdahl)
Börje Ahlstedt   (Carl Ekdahl)
Allan Edwall   (Oscar Ekdahl)
Jarl Kulle   (Gustav Adolf)
Jan Malmsjö   (Bischof Vergérus)
Erland Josephson   (Isak Jacobi)
Stina Ekblad   (Ismael)
Pernilla Wallgren   (Maj)
Kristian Almgren   (Putte)
Carl Billquist   (Polizeioffizier)
Axel Düberg   (Zeuge)
Kristina Adolphson   (Siri, Hausmädchen)
Harriet Anderson   (Justina)
Gunnar Björnstrand   (Filip Landahl)


Inhalt
Uppsala 1907. Helena Ekdahl hat ihre drei Söhne und deren Familien zur traditionellen Weihnachtsfeier eingeladen: Oscar leitet zusammen mit seiner Frau Emilie das Theater der Stadt, das sich schon in der zweiten Generation im Besitz der Familie befindet; Carl ist ein mit sich und der Welt unzufriedener Trinker; Gustav Adolf ist als Geschäftsmann und Schürzenjäger gleichermaßen erfolgreich. Und natürlich sind auch die Enkelkinder da - unter ihnen die achtjährige Fanny und ihr zehnjähriger Bruder Alexander. Die Weihnachtsfeier gerät ebenso stimmungsvoll wie turbulent und - für Alexander wenigstens - ebenso fröhlich wie bedrohlich. Wenig später wird der Junge im Innersten verstört. Man holt ihn mit Gewalt an das Sterbebett des Vaters; Oscar hat auf der Bühne einen Herzanfall erlitten. Emilie geht eine zweite Ehe ein mit dem fanatisch-strengen Bischof Vergérus. Aus der sinnlich-heiteren Welt der Ekdahls geraten die Geschwister in eine Art Gefängnis, in dem Düsternis und Askese herrschen. Als Emilie erkennt, daß diese Ehe ein Irrtum war, scheint es zu spät. Vergérus verweigert ihr die Scheidung und droht, falls sie ihn verlassen sollte, die Kinder durch Gerichtsbeschluß in sein Haus zu holen. Doch Isak Jacobi, ein weiser Jude und alter Freund Helenas, weiß Rat. Durch eine geschickte Intrige, der offenbar auch Gott durch ein Wunder hilft, entführt er die Kinder aus dem Haus des Bischofs. Und ein zweites, schreckliches »Wunder« geschieht. In Isaks Haus trifft Alexander dessen 16jährigen Neffen Ismael, der wegen seiner magischen Fähigkeiten in einem verborgenen Raum des Hauses lebt. Ismael eröffnet Alexander, ertrage soviel Haß in sich, daß er damit einen Menschen töten könne. Alexander ist entsetzt, will sich gegen diese furchtbare Kraft wehren, hat dann aber plötzlich Visionen einer brennenden Gestalt. Am anderen Tag wird bekannt, daß der Bischof durch einen Unfall in seinem Bett verbrannt ist. Am Ende feiern die Ekdahls wieder ein fröhliches Familienfest, eine doppelte Taufe Emilies aus ihrer Ehe mit dem Bischof und für ein Kind, das Emilies Kindermädchen Maj von Gustav Adolf empfangen hat. Und den Schlußpunkt setzt Emilies Entschluß, das alte Theater, das sie nach ihrer Hochzeit geschlossen hatte, wieder zu eröffnen.

 


Kritik
»Alles ist möglich und wahrscheinlich. Die Gesetze von Raum und Zeit sind aufgehoben, die Wirklichkeit steuert nur eine geringfügige Grundlage bei, auf der die Phantasie weiter schafft und neue Muster webt: ein Gemisch von Erinnerungen, Erlebnissen, freien Erfindungen...« Diese Sätze aus Strindbergs »Traumspiel« stehen, gesprochen von der Großmutter Ekdahl, am Ende von Bergmans letztem Film: »das Vermächtnis eines großen Erzählers; ein Monument, in dem sich noch einmal der ganze Bergmansche Kosmos findet, vieles aus den Vorgängen aufgenommen wird: Figuren, Namen, Motive, Szenen, Themen, Symbole: die Liebe zum Theater, das Verhältnis der Geschlechter, Sterben und Tod, Traum und Wirklichkeit, enttabuisierte Sexualität. Die Frage nach der Existenz Gottes wird aufgelöst im Blick des Kindes: Alexander sieht Gott, der sich dann als große Marionette entpuppt; Drahtzieher ist ein Mensch. Alexander erinnert an den bösen Jungen aus Das Schweigen, der böse Stiefvater heißt auch hier Vergérus, es geht um die Suche nach den beiden Seiten des Lebens, die lichte und die dunkle, um die Kindheit, die verlorene Vergangenheit; einmal ist sogar wieder von den wilden Erdbeeren die Rede, jenen Sinnbildern des vollkommenen Glücks. Komödiantisch Leichtes mischt sich mit asketischen Zügen des Traumspiels. Die Männer sind die Schwachen, auf Erbarmen und Gnade angewiesen, die Frauen die Starken, selbstsicher, eine Aura des Glücks ausstrahlend.

Im Mittelpunkt steht die große Antinomie, die Bergmans ganzes Werk durchzieht: der unversöhnliche Gegensatz von Freiheit und Zucht, von Sinnlichkeit und Askese, Erfindungsreichtum und Phantasiemangel, von Religion und Kunst. Obwohl sie im Titel noch vor ihm steht, tritt Fanny ganz hinter ihrem zehnjährigen Bruder Alexander zurück. Aus seinem Blickwinkel ist der Film erzählt, der Rückblick auf die Kindheit, die in zwei Abschnitten geschildert wird: zwei Abschnitte, die für die Antinomie stehen, die auch eine der Dramaturgie ist und bis in die Farbgestaltung hinein konsequent durchgehalten ist. Alexander wächst zunächst in einer Welt der Heiterkeit und Lust auf, eine kleine Welt, in der sich das Kind wohl fühlt, die es mit aller Macht zu begreifen sucht. Auch der Traum gehört in diese Welt: Alexander besitzt eine Laterna Magica, projiziert seine Imaginationen. Dieser Welt der Sinnenfreude, die Bergman in warmen, roten und braunen, Farben malt, ist hart entgegengesetzt die des Bischofs Vergérus. Statt Toleranz und Heiterkeit erlebt Alexander Disziplinierung, Unterdrückung, Strenge. Die Farben des Films werden nun fahl, grau, fast schwarzweiß. Alexander kann dieser Welt entkommen, darf wieder eintauchen in das überquellende Leben des Hauses, wird erlöst. Noch einmal bezieht Bergman Stellung, ergreift Partei. Die Welt des Stiefvaters versinkt in Flammen. Dennoch ist Alexander von ihr fürs Leben gezeichnet. Das freilich ahnt man mehr, als daß man es sieht. Vielleicht liegt es daran, daß der Film trotz seiner drei Stunden gekürzt ist und sich erst in der Fernsehfassung voll entfalten wird, er wirkt manchmal sprunghaft und aus dem Gleichgewicht geraten. Überhaupt gelingt Bergman die Schilderung des ersten Teils viel besser als die des zweiten, beschwört er die Lebensfreude viel eindrucksvoller als die Ängste des Knaben - das verlangt Respekt, weil es den meisten Regisseuren eher anders gelingt. Für den ersten Teil findet er starke Bilder, gegen Ende wird der Film literarischer, hat Bergman sein Welttheater nicht mehr so gut im Griff, verliert er an visueller Kraft. Dennoch ist immer noch bewundernswert, daß ihm ein Film, der doch als Summe in Gefahr war, überlastet, erdrückt zu werden, so locker wird. Feste Bestandteile des Bergmanschen Kosmos sind auch die Schauspielertruppe, die altbekannten Gesichter, die meisterhafte Kamera Sven Nykvists. Ein Alterswerk, ein Meisterwerk.« (Fischer Filmalmanach).



Auszeichnungen
Academy Awards, USA
Jahr   Kategorie/Preisträger
1984
Oscar
Best Ausstattung - Anna Asp, Susanne Lingheim
Beste Kamera - Sven Nykvist
Beste Kostüme - Marik Vos-Lundh
Bester ausländischer Film
Beste Regie - Ingmar Bergman (Nominierung)
Bestes Originaldrehbuch - Ingmar Bergman (Nominierung)
 
British Academy Awards, UK
Jahr   Kategorie/Preisträger
1984
British Academy Award
Beste Kamera - Sven Nykvist
Beste Kostüme - Marik Vos-Lundh (Nominierung)
Bester fremdsprachiger Film - Ingmar Bergman, Jörn Donner (Nominierung)
 
César, Frankreich
Jahr   Kategorie/Preisträger
1984
Bester ausländischer Film - Ingmar Bergman
 
Golden Globes, USA
Jahr   Kategorie/Preisträger
1984
Golden Globe
Bester ausländischer Film
Beste Regie - Ingmar Bergman (Nominierung)
 
Filmfestival Venedig, Italien
Jahr   Kategorie/Preisträger
1983 Goldener Löwe
FIPRESCI-Preis - Ingmar Bergman
 


Bewertung


Literatur

Richard Corliss/William Wolf in: Film Comment, 3/1983; Linda Haverty in: Literature/Film Quarterly, 3/1988; Walter Ruggle in: Filmbulletin, 133/1983; Leo Schönecker in: film-dienst, 25/1983

Cinema Nr.66 (11/1983), S.30

Bergman Ingmar: Mein Leben, Hamburg 1987

Engelmeier, Peter W.: 100 Jahre Kino - Die großen Filme, Augsburg 1994

Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Stuttgart/Leipzig 1995

Lange-Fuchs, Hauke: Ingmar Bergman (Heyne Filmbibliothek), München 1988



Weblinks

IMDB