Land
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Jahr
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1972-73
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Länge
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116 min. (3164 m)
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Originallänge: 3176 m
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Farbe
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Tonverfahren
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Mono
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Format
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35 mm (1.66:1)
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Regie | François Truffaut | |
Drehbuch | François Truffaut, Jean-Louis Richard, | |
Suzanne Schiffman | ||
Kamera | Pierre-William Glenn | |
Schnitt | Martine Barraqué, Yann Dedet | |
Musik | George Delerue | |
Ton | René Levert, Harrik Maury, | |
Antoine Bonfanti (Mischung) | ||
Ausstattung | Damien Lanfranchi | |
Kostüme | Monique Dury | |
Maske | Fernande Hugi, Thi-Loan Nguyen | |
(Make-up), Malou Rossignol (Frisuren) | ||
Stunts | Marc Boyle | |
Produktion | Marcel Berbert für Les Films du Carosse/ | |
PECF/PIC | ||
Verleih | Warner-Columbia |
14.05.1973 (Filmfestspiele Cannes) | |||
21.09.1973 | |||
09.05.1977, ZDF | |||
18.03.2003 (Warner Home Video) | |||
12.12.2002 (Warner Home Video) |
?
Jacqueline Bisset | (Julie Baker) | |
Valentina Cortese | (Séverine) | |
Alexandra Stewart | (Stacey) | |
Jean-Pierre Aumont | (Alexandre) | |
Jean-Pierre Léaud | (Alphonse) | |
François Truffaut | (Ferrand) | |
Jean Champion | (Bertrand) | |
Nathalie Baye | (Joëlle) | |
Dani | (Liliane) | |
Bernard Menez | (Bernard) | |
Nike Arrighi | (Odile) |
Ferrand weigert sich als einziger nicht mehr gegen den arbeitsbedingten radikalen Verzicht auf jegliches Privatleben. Aber auch alle anderen Mitarbeiter Ferrands stehen letztlich vor der Alternative zwischen einem Leben beim Film und einem Leben außerhalb, in der Wirklichkeit, und Verbindungen dazwischen sind nur auf der Basis unablässig jede Beziehung gefährdender Kompromisse möglich; Privatleben existiert nur mehr in fragmentarischer Form. Der Film ist das Leben, wenn auch noch kürzer befristet, weil man nach seiner Fertigstellung wieder auseinandergeht. Wer sich Privatleben ertrotzt, gefährdet sogar das Gelingen des Films. Ferrand sieht seine Aufgabe vor allem auch darin, den Film trotz aller privaten Probleme fertigzustellen, auf welche Weise und mit welchen Opfern auch immer; er vergleicht seine Arbeit mit der Kutschenfahrt im Wilden Westen: Das Erreichen des Ziels ist entscheidend, aber nicht der Verlauf der Fahrt; Ankunft ist alles. »Im Film ist alles harmonischer als im Leben. Leute wie Du und ich können nur bei der Arbeit glücklich sein.« Das sagt Ferrand zu Alphonse, aber gleichzeitig sagt es eben auch Truffaut zu Léaud. Immer wieder, wie auch mit jenem Traum aus Sie küßten und sie schlugen ihn, durchbricht Truffaut mit seinem persönlichen Bekenntnis seine ironische Haltung gegenüber seinem Helden Ferrand und dessen Arbeit. Truffaut selbst ist mit Die amerikanische Nacht seiner eigenen Forderung konsequent nachgekommen: »Solange ich Kritiker war, glaubte ich, ein gelungener Film müsse zugleich eine Vorstellung von der Welt und eine Vorstellung vom Kino ausdrücken. Heute verlange ich von einem Film, den ich mir anschaue, daß er entweder die Freude am Filmemachen oder die Angst am Filmemachen ausdrücke, alles dazwischen interessiert mich nicht, d.h. alle Filme, in denen man das nicht spürt.« (Truffaut in seinem Einleitungsaufsatz zu Die Filme meines Lebens). In Die amerikanische Nacht sind Angst und Freude am Film zum eigentlichen Thema geworden. Truffaut trägt in seiner Rolle als Ferrand ein Hörgerät - eine Referenz gegenüber Luis Buñuel (weitere werden gegenüber Hawks, Hitchcock, Bergman, Rossellini u.a. eingebracht, als Ferrand ein Paket mit Filmliteratur auspackt), doch das Hörgerät ist zweifellos mehr als ein Zitat: ein Zeichen auch für den eingestandenen Rückzug aus dem tätigen Leben in die Harmonie des Films. Brecht hat dieses Motiv auf eine Formel gebracht: »Die leichteste Weise der Existenz ist die Kunst.« Nur hat die Kunst für Truffaut ungleich mehr mit Spiel zu tun, mit dem liebesbedürftigen, nach Identität suchenden Spiel eines Kindes. Ganz folgerichtig klingt auch hier einmal jenes Zitat des jungen Mozart an: »Ich spiele für dich, was du willst - aber sage mir vorher, daß du mich liebst.
In seinem äußeren Ablauf hat das Filmemachen in Die amerikanische Nacht freilich um keinen Deut mehr Harmonie anzubieten als das Leben selbst - dies jedoch, weil das Filmemachen nicht abgeschieden, im Elfenbeinturm des Poeten, stattfindet, weil immer wieder Leben einbricht durch alle an der Produktion Beteiligten, vielleicht mit Ausnahme des Regisseurs. Die Konflikte deuten sich bereits an, als verschiedene Schauspieler die Story des Films erzählen: sie sehen sie so egozentrisch, daß die verschiedenen Varianten kaum den gleichen Ausgangspunkt in einem Drehbuch zu haben scheinen. Dabei sind Schauspieler und Stab eine äußerst inhomogene Versammlung, die durch eine mehr oder minder zufällig gemeinsam auszuführende Arbeit verpflichtet wären, eine Gruppe oder ein Team zu sein, das dem gleichen Ziel dient. Was an Leben einbricht, bedeutet Gefährdung oder gar Zerstörung derer, die am Film arbeiten, obwohl sie, oder gerade weil sie als unfähig erscheinen, Erfahrungen zu verarbeiten und sich durch sie zu verändern. Das beginnt bei Alphonse und seinem Bedürfnis nach Zuwendung; es setzt sich fort bei Séverine, die an der Krankheit des Sohnes sowie ihrem Altern leidet und reicht bis zu jenem kleinen Arbeiter im technischen Stab, der Ferrand um drei Tage Urlaub bittet, weil seine Mutter gestorben ist. Was stört bei der Arbeit, hat immer mit dem Leben zu tun, mit dem, was den Stab und die Schauspieler von außen bedrängt; daß jenes Leben auch Gewinn bedeuten könnte und Erfahrungen vermittelt, die einen Künstler prägen, die vielleicht seine eigene Qualität ausmachen, dies scheint Truffaut/Ferrand nur so weit zu interessieren, als er es unmittelbar verwerten kann. Auch den Tod von Alexandre scheint Ferrand weniger als Mensch denn als besessener Cineast zu empfinden, wenn er trauernd kommentiert: »Mit Alexandre verschwindet eine ganze Kinoepoche. Die Ateliers veröden nun, die Filme werden auf der Straße gedreht...« Gerade hier wird deutlich, wie innerhalb dieses Films über Film die Beteiligten Kunstfiguren bleiben und nur als solche Truffauts Interesse haben. So sagt Truffaut auch über den Darsteller des Alexandre: »Jean-Pierre Aumont z.B. kann man als eine Synthese aus allen französischen Schauspielern auffassen, die mal mit Hollywood zu tun hatten.«
Film ist Leben, Leben ist Film. Nur beim Filmen hat das Leben Sinn, Tiefe, Erotik. Wenn die Kamera läuft, lösen sich alle Schwierigkeiten auf magische Weise, vereinigt sich alles Trennende im Klangrausch der Bilder. »Das Kino regiert« - heißt es in der Mitte des Films im Stile einer Verkündigung. Majestätische Barocktrompeten erklingen wie im Finale einer Bach-Kantate, schwelgerisch-mitreißende Bilder werden vom Kamerakran in den Himmel gehoben. »Und so kommt eine Hommage an die Kinomaschine und die Menschen, die sie bedienen, heraus. Aber so schöne Geschichten erzählt man heute nicht mehr so einfach. ›Diese perfekten Geschichten auf Liebe und Tod, es wird sie nicht mehr geben.‹ Und das ist vielleicht auch gut so, denn dieses alte Kino, das Truffaut zeigt, ist gefilmter Schwindel. Doubles springen für die Stars aus dem fahrenden Auto, eine Attrappe wird erschossen, Schnee spritzt aus den Schaumlöschern, und Spezialfilter machen den hellichten Tag zur ›amerikanischen Nacht‹. Vernarrt in dieses Illusionskino, läßt Truffaut uns teilhaben an dieser schönen Scheinwelt - die aber immer auch mehr ist: ›Es ist so, wie es ihnen scheint‹ (Samuel Beckett). Und was ist schöner für wirklich Liebende, als den Tag zur Nacht zu machen. Truffaut zeigt eine Menge vom Handwerk des Filmemachens, dessen wahre Geheimnisse deckt er jedoch nicht auf. Die liegen woanders: im Etat. Jean-Luc Godard hat in seinem Film übers Filmen Die Verachtung mehr darüber gesagt. Fellinis psychologische und existentielle Radikalität von 8 ½ ist ebenso weit entfernt. Truffaut zeigt: Das Kino macht keine Fehler. Wiederholungen bis zur Perfektion ermöglichen den Figuren und dem Medium, perfekt zu sein. darum lieben wir dieses glamuriöse Kino, ohne zu fragen, wieviel Realität es besitzt. Die Diva, der Charmeur, der jugendliche Held, der Hartgesottene, die junge Liebende, der Stuntman - sie glänzen. Das genügt für eine Liebesbeziehung. Charmanter, gekonnter und amüsanter hat nie ein Film von der Liebe zum Kino gesprochen.« (Adolf Heinzlmeier, Kinoklassiker).
Die amerikanische Nacht, den Schauspielerinnen Dorothy und Lilian Gish gewidmet, wurde überall mit enthusiastischen Kritiken bedacht und war Truffauts größter Publikumserfolg seit Jules und Jim.Bei aller Euphorie traf der Film aber auch vereinzelt auf harschen Widerspruch, vor allem seitens Trauffauts einstigem Weggefährten jean-Luc Godard, mit dem Truffaut damlas endgültig brach. Anfang der siebziger Jahre forderten vor allem in Frankreich viele Intellektuelle eine stärkere Politisierung des Films und warfen Truffaut mit seiner Darstellung der Dreharbeiten eines konventionellen Studiofilms Enthusiasmus am falschen Objekt vor.
Academy Awards, USA
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Jahr | Kategorie/Preisträger | ||
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1975 |
Beste Nebendarstellerin - Valentina Cortese (Nominierung)
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Beste Regie - François Truffaut (Nominierung)
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Bestes Originaldrehbuch - Jean-Louis Richard , Suzanne
Schiffman, François Truffaut (Nominierung)
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1974 |
Bester fremdsprachiger Spielfilm
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British Academy Awards, UK
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Jahr | Kategorie/Preisträger | ||
1974 |
Beste Regie - François Truffaut
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Bester Film
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Beste Nebendarstellerin - Valentina Cortese
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Golden Globes, USA
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Jahr | Kategorie/Preisträger | ||
1974 |
Bester fremdsprachiger Film (Nominierung)
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Beste Nebendarstellerin - Valentina Cortese (Nominierung)
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Engelmeier, Peter W.: 100 Jahre Kino - Die großen Filme, Augsburg 1994
Fischer, Robert (Hrsg.): Monsieur Truffaut, wie haben sie das gemacht, München 1993
Heinzlmeier, Adolf: Kinoklassiker, Hamburg/Zürich 1986
Jansen, Peter W./Schütte, Wolfram: Truffaut (Hanser Reihe Film Bd.1), München/Wien 1985
Karasek, Hellmuth: Mein Kino - Die 100 schönsten Filme, Hamburg 1994
Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Stuttgart/Leipzig 1995
Müller, Jürgen: Filme der 70er, Köln 2003
Winkler, Willi: Die Filme von François Truffaut (Heyne Filmbibliothek), München 1984