Das Leben des Brian




Technisches
Land
 
Gb
Jahr
 
1979
Länge
 
93 min. (2573 m)
Farbe
 
color
Tonverfahren
 
Dolby
Format
 
35 mm (1.85:1)
Monumentalfilm
Historienfilm
Komödie


Regie   Terry Jones
Drehbuch   Graham Chapman, John Cleese, Terry
    Gilliam, Eric Idle, Terry Jones, Michael Palin
Kamera   Peter Biziou
Spezialeffekte   Kent Houston, Paul Whitbread
Schnitt   Julián Dyle
Musik   Geoffrey Burgon, Eric Idle, Michael Palin
Ton   John Foster, Garth Marshall
Ausstattung   Roger Christian
Kostüme   Hazel Pethig, Charles Knode
Maske   Kenteas Brine, Elaine Carew, Faouzia
    Choura, Susan Frear, Fatma Jaziri,
    Diana Webber, Maggie Weston
Produktion   John Goldstone, Tim Hampton für
    Handmade Films
Verleih   CIC


Kinostart
Gb
  17.08.1979
D
  14.08.1980
       
DVD
USA
  04.05.1999 (Anchor Bay)
USA
  16.11.1999 (Criterion)
D
  08.05.2003 (Columbia Tristar)


 
D
 
4019273 €,1316753 Zuschauer


Terry Jones   (Jungfrau Mandy, Brians Mutter/
    Colin/ Simon, der Heilige/ Bob
    Hoskins/ Heiligmäßiger Passant)
Graham Chapman   (Brain/ Erster Weiser/ Pimmulus
    Longus)
Michael Palin   (Zweiter Weiser/ Herr Dicknase/
    Francis/ Frau A./ Ex-Lepröser/
    Ben/ Pontius Pilatus/ Eddie/
    Langweiliger Prophet/ Nisus
    Feuchtus)
John Cleese   (Dritter Weiser/ Reg/ Jüdischer
    Beamter/ Zenturio/ Der Tödliche
    Dirk/ Arthur)
Eric Idle   (Herr Dreist/ Stan, genannt
    Loretta/ Harry, der Feilscher/
    Missetäterin/Stinklangweiliger
    Jüngling/ Otto, der Nazirener/
    Kerkermeistergehilfe/ Herr
    Frisbee III)
Terry Gilliam   (Kommandosoldat/ Geoffrey/
    Apokalyptischer Prophet/
    Kerkermeister)
Gwen Taylor   (Frau Dicknase/ Frau mit
    krankem Esel/ Junges Mädchen)
Ken Colley   (Jesus)
Terrence Bayler   (Herr Gregory)
Sue Jones-Davis   (Judith)
John Young   (Matthias,ein zu Steinigender)
Carol Cleveland   (Frau Gregory/Elsie


Im Mittelpunkt steht der Judäer Brian, der zur gleichen Zeit wie Jesus geboren wird und dessen Wege sich mit denen des Heilands immer wieder kreuzen. So kommen die drei heiligen Könige zunächst zu Brians Mutter, um ihre Geschenke abzuliefern, werden von dieser jedoch unter großem Getöse aus dem Stall getrieben, da sie mit Weihrauch und Myrrhe nichts anzufangen weiß. Die Anbeter haben sich in der Adresse geirrt: Sie huldigen dem Besatzerkind Brian, der wahre Erlöser kam im Stall nebenan auf die Welt. Und wer bereits als Säugling Opfer einer derart gravierenden Verwechslung wird, erholt sich sein ganzes Leben nicht davon. Brian wächst zu einem simplen jungen Mann heran und verdient sich seine Brötchen als Bauchladenhändler in der Arena und bietet den Zuschauern römische Leckereien wie Otternasen und Lerchenzungen zum Verkauf. Als seine Mutter ihm gesteht, er sei der Sohn eines römischen Soldaten, von dem sie vergewaltigt wurde, schließt Brian sich der aufständischen »Volksfront von Judäa« an, die sich im ständigen Clinch mit der Organisation »Judäische Volksfront« befindet und in ihrem Versteck pausenlos Resolutionen verfaßt, daß sie für revolutionäre Taten so gut wie keine Zeit hat. Die Organisation wird von Francis, Gregory, Judith und Stan (der aber lieber Lon genannt werden möchte, weil er sich noch nicht im klaren ist, welchem Geschlecht er angehört) angeführt. Die Aufnahmeprüfung absolviert er mit Bravour: Über Nacht verwandelt er den Palast von Pontius Pilatus in eine riesige Wandzeitung mit antirömischen Parolen. In Sachen Orthographie ist ein Centurio behilflich. Im Verein mit den Genossen will er später in Pontius Pilatus' Palast eindringen, um die Gattin des römischen Statthalters zu entführen. Doch das Unternehmen geht jämmerlich schief, da die Konkurrenz den gleichen Plan hat und die Revolutionäre einander gegenseitig umbringen. Brian, der einzige Überlebende, wird geschnappt und vorgeführt, doch in seiner Todesangst überwindet er seinen Angst vor den Besatzern und gesteht, einen römischen Vater zu haben, was ihn automatisch zum Bürger des verhaßten Imperiums macht. Diverse Gags, Kalauer und Katastrophen später befindet er wieder auf der Flucht. Zwei Aliens, die mit ihrem Raumschiff gerade zufällig vorbeikommen, retten ihn dabei in letzter Sekunde aus einer ausweglosen Situation. Zur weiteren Tarnung schlüpft Brian notgedrungen in die Rolle eines Propheten. Obwohl sich Brians Geschwafel kaum von dem seiner »Konkurrenz« unterscheidet, zieht er das Interesse einiger Zuhörer auf sich, die rasch mehr werden - und sich sicher sind, daß er der Messias ist. Fortan steht sein Leben nicht mehr unter einem guten Stern. Was er sagt und tut, die Massen sehen in allem die Worte und Wundertaten des Erlösers: Verliert Brian auf der Flucht vor seinen Jüngern einen Schuh, sehen sie darin irgendeine Absicht und ahmen ihn nach. Denn sind die Wege des Herrn nicht unerforschlich? Seine Rede an die Massen, sie sollen keinem Führer folgen, verhallt, nur nicht bei dem Revolutionär Reg und der drallen Judith, die ihn gleich zu einem Führer aufbauen. Doch Brian wird erneut geschnappt und zum Tod am Kreuz verurteilt, dem er sich leider auch nicht entziehen kann, als er von Pilatus begnadigt wird. Ein Spaßvogel gibt sich als Brian aus und nimmt die Begnadigung für sich in Anspruch. Ein in letzter Sekunde anrückendes Selbstmordkommando macht Brian nur kurzfristig Hoffnung, aber dann seinem Namen alle Ehre. Schließlich singt er gemeinsam mit seinen beiden Leidensgenossen zum Abschied: »Always Look On the Bright Side of Life...« mit.

 


Man bezeichnete sie abwechselnd als Gipfel der Geschmacklosigkeit oder als humoristische Wunderwaffe. Gemeint ist Monty Python, jene sechsköpfige englische Komikertruppe, die zuvor bereits mit Die Ritter der Kokosnuß von sich reden machte. Widmete sich die Gruppe bei ihrer ersten Filmproduktion der König-Artus-Legende, so nahm sie sich mit der gleichen beißenden Ironie der pathetischen Bibelfilme italienischer bzw. amerikanischer Provenienz an. Mehr als seine Vorgänger und Nachfolger weist Das Leben des Brian eine geschlossene erzählerische Struktur auf. Das Ergebnis ist eine Parodie, die zwischen Blasphemie und typisch englischem Witz angesiedelt ist. Erzählt wird eine Passionsgeschichte plebejischer Art, jedes falschen Pathos entkleidet, ausgestattet mit jener exzentrischen Komik, die vornehmlich von Absolventen der britischen Eliteschule Oxford kreiert wurde. Die Idee zu ihrem Leinwandgag kam der Truppe 1976. Terry Jones und Terry Gilliam stießen bei einer Reise durch Nordafrika in Monastir (Tunesien) auf die zurückgelassenen Kulissen aus Franco Zefirellis Jesus von Nazareth. Die Erinnerung an jenen pathetischen Bibelschinken förderte den Gedanken an eine eigene, populäre Passionsgeschichte. Im Mittelpunkt des Films sollte jedoch nicht Jesus, sondern seine Zeit stehen, die gesellschaftlichen Fragen - römische Besatzung und jüdischer Widerstand - sollten primär behandelt werden. Mit ihrer Respektlosigkeit entmythologisieren sie die Bibelgeschichte, der fälschlich für den Messias gehaltene Brian ist ein Opfer des Glaubenswahns seiner Umgebung, die römischen Besatzungstruppen wiederum werden als lächerliche imperiale Clowns vorgeführt, die jüdischen Widerstandskämpfer sind heillose Wirrköpfe. In einem Interview räumte Terry Gilliam, Vorspann-Designer, Drehbuchautor und als Gefängniswärter vor der Kamera, jedoch ein: »Niemand von uns wollte Jesus ernsthaft an die Karre fahren. Wir hatten halt Spaß daran, den Herrn ein bißchen zu verarschen.«

»Und so fallen sie denn hemmungslos über das Buch der Bücher her und treiben ihre schrägen Scherze mit den Gestalten der Geschichte: daß es nur eines Tritts auf den dicken Zeh bedarf, um einen Eremiten dazu zu bringen, sein seit 18 Jahren eingehaltenes Schweigegelübde zu brechen; daß öffentliche Steinigungen in alter Zeit, als das Fußballspiel noch nicht en vogue war, Sonntagsvergnügen der Massen war, an dem »Weibervolk« nicht teilnehmen durfte, was vergnügungssüchtige Damen zwang, falsche Bärte zu tragen; daß die Römer wirklich die einzigen waren, die sich mit den grammatischen Tücken der lateinischen Sprache auskannten; daß römische Offiziere nette Kerle waren, die jeden zur Kreuzigung anstehenden Delinquenten höflich baten, »bitte nur ein Kreuz« zu nehmen; daß Pontius Pilatus (»Der kleine Chelm ist ein Widerporst! Solche Purchen cheinen mir unberechenbar prutal vorzugehen. Chleudert den Purchen zu Poden«) einen Sprachfehler hatte und mit dem Schöngeist Schwanzus Longus befreundet war; daß es auch hartgesottenen Prätorianern schwerfiel, bei seiner Aussprache Disziplin zu wahren; daß auch die jüdischen Befreiungsbewegungen Probleme hatten, die klare ideologische Linie zu finden, und daß in ihren Kreisen Spaltertum und Abweichlerei üppig sprossen; daß die Forderung nach der Gleichberechtigung der Frauen (und Neutren) keineswegs eine Erfindung des 21. Jahrhunderts ist; daß es schon damals in den Städten von Verkündern wimmelte, die der Menschheit Übles prophezeiten, wenn sie so weitermacht; daß die Ufologen, die behaupten, daß die Menschheit schon in grauer Vorzeit Besuch von Außerirdischen in UFOs hatte, wirklich recht haben.« (Hahn/Jansen, Kultfilme).

Besonders in den USA riefen Kirchenleute zum Boykott des angeblich blasphemischen Werkes auf, verschafften ihm damit allerdings nur willkommene Publicity. Das Leben des Brian avancierte zum Kultfilm. »Eine mögliche Erklärung für dieses Phänomen liegt darin, daß der Film unterschiedliche Rezipientenkreise anspricht: Für kirchlich sozialisierte ermöglicht er einen befreienden Spaß entre nous, gekennzeichnet von ironisch bis frivoler Distanz zu manchen kirchlich-tradierten Jesus-Stereotypen; aber ebenso finden diejenigen, die von den Glaubensinhalten nichts mehr wissen, durch den Film ihre Ansicht von der Lächerlichkeit alles Religiösen bestätigt; den Cineasten wurde der Film interessant, weil er die monumentalen bombastisch-erhabenen Bibelfilme à la Hollywood vorführt; nicht zuletzt wurde er ein Kultfilm für die Freunde der Gruppe Monty Python. Die Komik funktioniert, vor allem die ›falschen‹ Anschlüsse, die ständig den Erwartungshaltungen des Zuschauers zuwiderlaufen. Die Perikope vom geheilten Leprakranken z.B. liest der Bibelleser als Beglaubigung Jesu durch Gott. Monty Python wechselt die Ebene und läßt den Geheilten irdisch-lebenspraktisch über den Verlust einer Einnahmequelle klagen. Ein weiteres Beispiel aus einer ganzen Reihe von Gags, die mit Religion nichts zu tun haben: Der antirömische Parolen malende Brian wird eben nicht von der römischen Patrouille verhaftet, sondern er muß wegen seiner mangelhaften Grammatikkenntnisse als Strafarbeit hundertmal die Parole korrekt pinseln; wer denkt da nicht an seine eigene Schulzeit? Die Kontroverse spitzt sich meist zu an der Frage der Bewertung der Schlußsequenz mit den Gekreuzigten: Ein skandalöser Jux mit dem Kreuz, dem Skandalon schlechthin, oder ein existentialistischer Jux einer Dennoch-Lebensbejahung angesichts des dunklen Abgrunds menschlicher Existenz? Beide Lesarten sind begründbar, ich neige eher zur letzteren.« (Johannes Horstmann in: Spuren des Religiösen im Film).



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P. Linhard in: film-dienst, 21/1980; L. Sch. in: film-dienst, 19/1979

Cinema Nr.27 (8/1980), S.46

Hahn, Ronald/Jansen, Volker: Kultfilme (Heyne Filmbibliothek), München 1998

Hasenberg, Peter/Luley, Wolfgang/Martig, Charles: Spuren des Religiösen im Film, Mainz 1995

Heller, Heinz B./Steinle, Matthias (Hrsg.): Filmgenres: Komödie, Stuttgart/Leipzig 2005

Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Stuttgart/Leipzig 1995

Monty Python - Das Leben Brians. Drehbuch und apokryphe Szenen, München 1994

Müller, Jürgen: Filme der 70er, Köln 2003

Pittler, Andreas: Monty Python (Heyne Filmbibliothek), München 1997