Land
|
||
Jahr
|
1965
|
|
Länge
|
110 min.
|
|
Farbe
|
||
Tonverfahren
|
Mono
|
|
Format
|
35 mm
|
|
(2.35:1, Techniscope)
|
||
Regie | Jean-Luc Godard | |
Drehbuch | Jean-Luc Godard | |
Literaturvorlage | Lionel White | |
Kamera | Raoul Coutard | |
Schnitt | Françoise Collin | |
Musik | Antoine Duhanel | |
Ton | René Levert, Antoine Bonfanti | |
Ausstattung | Pierre Guffro | |
Produktion | Georges de Beauregard für Rome-Paris | |
Films/Dino de Laurentis Cinematographica | ||
Verleih | prokino, Atlas (Video) |
29.08.1965, Filmfestival Venedig | |||
05.11.1965 | |||
17.12.1965 | |||
24.11.1998 (Fox Lorber) | |||
19.09.2001 (Studio Canal) |
?
Jean-Paul Belmondo | (Ferdinand Griffon, genannt | |
»Pierrot le fou«) | ||
Anna Karina | (Marianne) | |
Dirk Sanders | (Fred) | |
Raymond Devos | (Devos) | |
Graziella Galvani | (Maria) | |
Roger Dutoit | (1. Gangster) | |
Hans Meyer | (2. Gangster) | |
Jimmy Karoubi | (Jimmy, der Zwerg) | |
Christa Nell | (Mme. Staquet) | |
Prinzessin Aicha Abadir | (die Prinzessin) | |
Samuel Fuller |
|
»Ich habe Lust gehabt«, erklärte Godard, »die Geschichte des letzten romantischen Liebespaares zu drehen.« - »Ebenfalls aus der Romantik entlehnt scheint das Motiv der Verdoppelung, allerdings ins Innere der Person verlagert. Schon am Anfang des Films teilt Ferdinand mit, daß er das Gefühl habe, mehrere Personen gleichzeitig zu sein. Später wendet er sich direkt der Kamera zu, um festzustellen, daß der Mensch heutzutage, will er mit sich alleine sprechen, keinen Spiegel brauche, da er bereits als Double existiere. Als Pierrot verkörpert er den romantischen Träumer, den verrückten Abenteurer, als Ferdinand den vernünftigen, kultivierten Intellektuellen, der mit Hilfe der Literatur (er führt Tagebuch) Leben und Liebe zu (er-)fassen versucht. Dieser Zwiespalt ist gemeint, wenn Marianne ihn den ganzen Film über Pierrot nennt und der selbst hartnäckig darauf hin weist, daß er Ferdinand heiße. Die beiden unterschiedlichen, im Stil Schumanns komponierten Musikmotive unterstreichen diesen Dualismus. Dabei ist das Ferdinand-Motiv den ganzen Film über zu hören, während das aggressivere Motiv Pierrots häufig plötzlich abbricht, um erst später wieder weitergeführt zu werden. Wie durch falsche Anschlüsse und scheinbar willkürliche Schnitte eine linear-kohärente Erzählung nicht entstehen will, so wird durch ständige Unterbrechungen jegliche harmonische Komposition vereitelt. Darüber hinaus werden z.T. auch die Stimmen wie Musik eingesetzt. So wiederholen Ferdinand und Marianne mehrere Male den Beginn eines Satzes, den sie nach und nach vollenden. In der Eingangssequenz sitzt Ferdinand in der Badewanne und liest seiner Tochter eine Passage aus Élie Faures Kunstgeschichte vor: ›Als Velasquez fünfzig Jahre alt war, malte er keine bestimmten Gegenstände mehr. Er umkreiste die Gegenstände mit der Luft und der Dämmerung; er spürte im Schatten und in durchsichtigen Hintergründen die farbigen Regungen auf, die er zum unsichtbaren Zentrum seiner schweigenden Symphonie machte . . . Der Raum regiert.‹ In der Mitte des Films greift Ferdinand diesen Gedanken nochmals auf und entwirft eine neue Form des Romans, der ›nur noch das Leben, das Leben allein; das, was zwischen den Menschen ist, den Raum, den Ton, die Farben‹ beschreibt. Damit verkündet Ferdinand das ästhetische Credo Godards. Neben dem Ton (in der Sprache und der Musik) widmet er sich dem Raum (der Natur) sowie den Farben und ihrer Symbolik. Seit Eine Frau ist eine Frau (1961) dominieren in Godard-Filmen die Farben Rot und Blau, doch erst hier gewinnen sie ihre Symbolhaftigkeit: Rot steht für Gewalt und Tod, Blau für Romantik und Freiheit. Am Ende, kurz bevor er sich in die Luft jagt, malt Ferdinand sich das Gesicht blau an. Dem Auge eines Malers gleich, betrachtet die Kamera die Blumen, Bäume, den Himmel, den Sand und vor allem das Meer. Godard will dem filmischen Ausdruck poetische Kraft verleihen, um die ungeliebte Gesellschaft mit einem Gegenbild zu konfrontieren.« (Achim Haag in: Metzlers Filmlexikon).
»Pierrot Le Fou besteht aus Seitenwegen, aus Hintergrund und Schattenspiel. Sein Sinn ist der Unsinn der Anarchie. Und seine Freiheit von Sinn die Anarchie der unaufhörlichen Spiegelung. Alles ist ›wie im alltäglichen Leben, bis zum Tod‹. Die Bilder haben ihre Parallelwelten bei Auguste Renoir und Pablo Picasso, bei Matisse, Modigliani, Van Gogh, Chagall. Und die Handlungsfragmente haben ihre Vorbilder bei Conrad und Stevenson, Faulkner, London und Chandler, bei Fuller, Duvivier, Michel Simon. Werbesprüche sind Bestandteile des Denkens, Comic-Abenteuer Bestandteile der Träume. Die Welt bei Godard ist abgegriffen, tausendmal schon interpretiert und verstanden, tausendmal schon interpretiert und mißverstanden. Die Dinge und die Sprüche: alles aus dritter Hand. Nur Godards Sicht auf diese Welt ist voller Abenteuer. Man kennt alles, versteht alles. Man kennt nichts, versteht nichts. Abenteuerlich bleibt, was neu zusammengefügt/gedacht/gefühlt wird. Abenteuerlich bleibt, was ganz einfach, ganz beiläufig, ganz wahr umrissen ist. Das Kino, das Godard einst so mochte: wo wir nicht denken, wo wir gedacht, also verführt werden. Wo selbst das Unwahrscheinlichste wahrscheinlich wird. Dagegen sein eigenes Kino, zusammengesetzt aus Dissonanzen, Brüchen, Lücken. Wo die Augen nichts mehr akzeptieren können, die Sinne rebellieren. Was nicht verführt, nur verstört. Wo das Wahrscheinlichste wieder unwahrscheinlich wird. Godards Kino denkt uns nicht. Es bringt uns zum Denken. Pierrot Le Fou bringt uns zudem zur Phantasie, zur Leidenschaft und zum wollüstigen Tod.« (Norbert Grob, EPD Film, 1986).
British Academy Awards, UK
|
|||
Jahr | Kategorie/Preisträger | ||
---|---|---|---|
1967
|
Bester ausländischer Hauptdarsteller - Jean-Paul
Belmondo (Nominierung)
|
||
|
Louis Aragon in: Film, Velber, 1/1966; Frieda Grafe in. Filmkritik, 10/1965; Wolf Gremm in: Film 1966, Velber 1967; Ulrich Gregor in: Filmkritik, 6/1966; Norbert Grob in: epd Film, 8/1986; Enno Patalas in: Filmkritik, 2/1966
Cinema Nr.97 (6/1986), S.59
Belach, Helga/Jacobsen, Wolfgang (Hrsg.): CinemaScope, Berlin 1993
Jansen, Peter W./Schütte, Wolfram (Hrsg.): Godard (Hanser Reihe Film Bd.19), München/Wien 1976ff
Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Stuttgart/Leipzig 1995