...denn sie wissen nicht, was sie tun




Technisches
Land
 
USA
Jahr
 
1955
Länge
 
106 min.
   
Originalfassung:
   
111 min.
Farbe
 
color
Tonverfahren
 
Mono/Stereo
Format
 
35 mm
   
(2.55:1,CinemaScope)
Drama


Regie   Nicholas Ray
Drehbuch   Stewart Stern
Kamera   Ernest Haller
Schnitt   William Ziegler
Musik   Leonard Rosenmann
Ton   Stanley Jones
Bauten   William Wallace
Ausstattung   Malcolm Bert
Kostüme   Moss Mabry
Maske   Gordon Bau
Produktion   David Weisbart für Warner Brothers
Verleih   Warner Brothers


Kinostart
USA
  27.10.1955
D
  30.03.1956
       
DVD
USA
  21.09.1999 (Warner Home Video)
USA
  31.05.2005 (Warner, 2-Disc Special Edition)
D
  26.04.2000 (Warner Home Video)
D
  16.09.2005 (Warner, Special Edition)


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James Dean   (Jim Stark)
Nathalie Wood   (Judy)
Sal Mineo   (Plato)
Jim Backus   (Jims Vater)
Ann Doran   (Jims Mutter)
Corey Allen   (Buzz)
Dennis Hopper   (Goon)
William Hopper   (Judys Vater)
Rochelle Hudson   (Judys Mutter)
Virginia Brissac   (Jims Großmutter)
Edward Platt   (Ray)
Steffi Sidney   (Mil)
Beverly Long   (Helen)
Marietta Canty   (Negerfrau)
Ian Wolfe   (Lehrer)
Frank Mazzola   (Crunch)
Robert Foulk   (Gene)
Jack Simmons   (Cookie)
Tom Bernard   (Harry)
Nick Adams   (Moose)
Jack Grinnage   (Chick)
Clifford Morris   (Cliff)


Aus Angst, ein »Pantoffelheld« wie sein Vater zu werden, bestätigt sich Jim Stark in sinnlosen Aktionen. Er kommt mit der Polizei in Konflikt, was für seine rechthaberische Mutter ein Grund ist, immer wieder in eine andere Stadt zu ziehen. An einer High-School in Los Angeles lernt Jim das Mädchen Judy, den großsprecherischen Buzz und den Einzelgänger Plato kennen. Buzz verwickelt den »Neuen« in eine Messerstecherei und provoziert ihn zu einer Mutprobe, bei der zwei Jungen mit gestohlenen Autos auf einen Abhang zurasen müssen. Wer zuerst abspringt, ist als Feigling gebrandmarkt. Buzz stürzt mit dem Auto ab. Jim will sich der Polizei stellen; aber seine Eltern, denen er sich anvertraut hat, fürchten einen Skandal. Jim läuft von zu Hause fort, trifft Judy und findet bei ihr Verständnis und Liebe. Sie verstecken in einer Abrißvilla am Stadtrand, wo auch Plato auftaucht, um Jim zu warnen. Die »Klassen-Bande« glaubt, er habe sie an die Polizei verraten. Es kommt zu einer Auseinandersetzung mit den Mitschülern, bei der Plato einen von ihnen durch einen Schuß verletzt. Kopflos flieht er in eine verlassene Sternwarte, die wenig später von der Polizei umstellt wird. Jim überredet Plato sich zu stellen. Als jedoch die Polizei-Scheinwerfer aufleuchten. verliert Plato die Nerven und wird versehentlich von einem Polizisten erschossen. Sein Tod bringt Jims und Judys Eltern zur Einsicht. Sie beginnen, ihre Kinder zu verstehen. Jim begreift, daß er und Judy etwas ganz Neues beginnen müssen.

 


»In der US-Gesellschaft der fünfziger Jahre gab es statt Wärme und Verständnis zwischen den Generationen eisgekühlte Coca Cola, TV-Kommunikation, gut isolierte Eigenheime und Atombombentests. Irgendein glaubwürdiges Angebot aus der Erwachsenenwelt gab es für die Jugend nicht. Für diese Jugend bedeutete Leben deshalb, sich mit künstlichen Rivalitäten und tollkühnen Mutproben die Zeit zu vertreiben. Zum Beispiel bei einem Autorennen bis hart an den Rand des Abgrunds. Wer nicht cool und clever genug ist, stirbt. Und diese Jugend, die nach einer Umfrage von 1956 zu 95% Angst vor dem Leben hatte, ging ins Kino.« (Adolf Heinzlmeier, Kinoklassiker). »Im Nachkriegsjahrzehnt war ein neues Genre entstanden, das aus dem Gangsterfilm und seiner Ausprägung als Film noir hervorging und eine Nähe zum Western aufwies. Sein Thema war die ›juvenile delinquency‹ der fünfziger Jahre, die Rebellion Jugendlicher gegen die Sterilität, Monotonie und den Konformismus des Erwachsenenlebens. Aus dem Film noir stammte die Interpretation vom Verbrechen als Symptom gesellschaftlichen Niedergangs, aus Gangsterfilm und Western bestimmte Formen der Evasion. Der Westernheld benutzt sein Pferd zur Erschließung neuer Lebensräume, für den Gangster ist das Automobil ein Mittel der Zerstörung, die Jugendlichen kreisen mit ihren Motorrädern und Autos sinnlos durch die Wohnviertel. Mit den Maschinen versuchen sie, der mechanischen Mediokrität zu entrinnen, von ihnen werden sie auch mitgerissen in den Abgrund. Beim berühmten Chicken-Race beleuchten Autoscheinwerfer noch die Apotheose des Gangsters, aber John Plato, das kläglichere Opfer (dunkelhaarig und latent homosexuell), wird durch das blendende Licht der Polizeifahrzeuge eliminiert. James Dean, der verlorene Sohn, überlebt.« (Günter Giesenfeld in Thomas Koebner (Hrsg.), Filmklassiker). »James Dean, der bei der Uraufführung des Films schon tot war, war das Medium für die Ängste der Jugend. Ein Kuckucksei im Nest einer Pantoffelfamilie, deren Konflikte ihn zerreißen. Dean ist als Jim Stark in ...denn sie wissen nicht, was sie tun ohnmächtig wie sie und deshalb zornig wie sie. Seine Leinwandkämpfe inmitten einer Gruppe von Halbstarken führten genausowenig zum Ziel wie die Zoffs der Lederjacken draußen vor dem Kino, wo sie mit Rock'n Roll, Hot-Rod-Rennen und wütenden Stechkonventen in Kneipen gegen verbiesterte Verhältnisse protestierten. James Dean, das Idol der zornigen jungen Männer der ›Lost Generation‹, verausgabte sich bei den Dreharbeiten völlig. Nicholas Ray hatte ihm freie Hand gegeben, und der Jungstar nutzte das. Sein Jim Stark drückt die nervöse, harte Erfahrung eines Jungen aus, der mehr weiß und gesehen hat, als er verarbeiten kann. Auf der Leinwand verstand es der meuternde Star in Blue Jeans und Blouson mit einem Achselzucken, einer Körperhaltung und einem Blick, die Träume und Ängste der Teenager auszudrücken.« (Adolf Heinzlmeier, Kinoklassiker).

Im Gegensatz zu Elia Kazan, der nach den Ursachen sozialer Konflikte sucht, und ein Jahr zuvor in Die Faust im Nacken mit Marlon Brando den widersprüchlichen Zustand der amerikanischen Gesellschaft der 50er Jahre verantwortlich machte für weitreichende Veränderungen des Bewußtseins, interessiert sich Nick Ray für das individuelle Problem. Seine Sympathie gilt dem Einzelgänger, der die Gesellschaft nicht verändern will, sondern nach einem Platz in ihr sucht. Ray schickt diese romantische Figur auf eine Reise durch die Nacht in einen Morgen, der Hoffnung verspricht. James Dean hat viel Raum, Szenen nach eigenen Vorstellungen auszufüllen. Ray setzt dabei die Akzente. Die Farbe hat dabei einen wichtige Funktion. Und die Kleidung. Der schwarze Anzug am Anfang, das elterliche Korsett; das unauffällige Braun der Schulkleidung; und schließlich die Jeans, das T-Shirt und das aggressive Rot des Blousons, die er wie einen Kampfanzug anlegt. Diese rote Jacke wird er ganz am Ende an Plato abgeben, der darin stirbt. Und Jim Stark läßt sich das graue Jackett seines Vaters umlegen; eine Geste der Versöhnung, die er akzeptiert. Der Rebell, der sich nach der heilen Welt sehnt, nach Geborgenheit und Sicherheit, der nicht agiert, sondern reagiert und sich am Ende auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einläßt. Ein pragmatischer Träumer, ein amerikanischer Antiheld, Mitte der 50er Jahre.

»Sein Bild von ›der Generation, die in einer Nacht erwachsen wird‹ (David Stern), untermauert Ray durch die mise en scène: Durch tiefgelegte Schrägblicke entzieht er der elterlichen Wohnung den festen Boden; aus Jims Sicht steht die häusliche Ordnung sogar einmal auf dem Kopf. Das breite Cinemascopeformat dient ganz verschiedenen Zwecken. Durch mehrfache innere Rahmungen erscheinen die Erwachsenen erdrückt von ihrer Umgebung (insbesondere auf der Wache); die Erweiterung des Blickfeldes führt im Gegenzug zur Isolierung der Figur. Bildliche Dynamik entsteht dagegen in den Gruppenszenen, die Ray mit großer Tiefenschärfe und spannungsreichen Diagonalkompositionen erzeugt. Die wenigen Schauplätze weisen, wie fast immer bei Ray, über ihren konkreten Ort hinaus. Das Planetarium mit seinem unendlichen, aber künstlichen Himmel ist eine Metapher für die unbestimmte Sehnsucht der Jugendlichen; die alte Villa, zunächst Fluchtpunkt und Ersatzheimat, entpuppt sich als Falle und somit trügerische Hoffnung eines eskapistischen, trotz allem bürgerlichen Lebensentwurfes.« (Ingo Fließ in: Metzlers Filmlexikon).

Aus heutiger Sicht ist das natürlich Gefühlskino - »Narziß und Schmollmund im bunten Comicland der fünfziger Jahre. Eine Teenager-Seifenoper von Liebe und Tod, so voll von schwarzer Romantik wie manche Rock'n Roll-Balladen jener Zeit.« (Klaus Schneider, Stern). Kurzum: ein »schwülstiges Melodram« (New York Herald Tribune). Als Karikaturen zeichnet Ray die Erwachsenen, die schwächlichen und hilflosen Väter; die herrischen und opportunistischen Mütter. Alle angesiedelt in einem gesellschaftlichen Niemandsland, überall und nirgendwo, ohne Individualität, ohne Biographie. Die Welt der Jugendlichen präsentiert Ray betont unrealistisch: der Kampf mit dem Messer als choreographierter Stierkampf, das Autorennen eine mit Lichteffekten inszenierte Show, die alte Villa wird zur Theaterbühne. Die Probleme des Halbstarken Jim Stark erscheinen uns heute so antiquiert wie die Leiden des jungen Werthers. Doch damals war Nicholas Rays Film brisant wie ein Molotowcocktail. Der amerikanische Journalist James Thompson hat die Wirkung 20 Jahre später beschrieben: »Freitagnacht in einer Kleinstadt. Ich war 15. Es war im Jahre 1955, und ich ging ins Kino. Nathalie Wood hatte ja auch eine halbwegs akzeptable Figur, und wenn Sal Mineo auftauchte, würde ich mir eine Tüte Popkorn holen. Ich holte kein Popkorn. Als ich nach zwei Vorstellungen endlich ins Freie stolperte, wunderte ich mich, daß der Ball noch so aussah wie vorher, daß die Häuser noch auf ihren Grundmauern standen. Alles war wie vorher - außer mir. Ich hatte mich verändert.«

Das Timing mit dem Zeitgeist hätte nicht besser sein können. Premiere war im Oktober. Im Dezember veröffentlichte die RCA die ersten Singles eines gewissen Elvis Presley. Im März 1956 fand die deutsche Erstaufführung statt. Hier witterte das Establishment sofort die Gefahr: »Die Eltern sind an allem schuld. So sagt es der Film. Und damit nimmt die Mutter Amerika ihre süßen kleinen Halunken und niedlichen Mörder wieder an ihre atomare Brust, streichelt ihnen die windigen Stiftenköppe und ruft uns, die wir eigentlich empört sein sollten, zu: ›Laßt sie gehen, denn sie wissen nicht was sie tun.‹ Kein Vater, kein Lehrer, kein Polizist wagte es, ihnen energisch entgegenzutreten.« (FAZ)

»Heute hat sich längst ein nostalgisch-sentimentaler Kult des Films bemächtigt. Vermutlich sieht ihn sogar das Establishment mit Rührung. Exegeten deuten ihn mythologisch, biblisch oder gar als Musical ohne Musik. Modefotografen stellen für Klamotten im Stil der fünfziger Jahre Filmszenen nach. Fans holen sich im Fundus der Warner Brothers die Maße der roten Jacke. Denn der Film gilt als definitive Konserve von James Dean. Auch Regisseur Ray ist darüber zur Kultfigur europäischer Filmemacher avanciert. Listig hat sich der Ahnherr des Autorenfilms selbst verewigt: Der einzigen sympathischen Männerfigur gab er den Namen Ray.« (Klaus Schneider, Stern).


Academy Awards, USA
Jahr   Kategorie/Preisträger
1956
Oscar
Bester Nebendarsteller - Sal Mineo (Nominierung)
Beste Nebendarstellerin - Natalie Wood (Nominierung)
Bestes Originaldrehbuch - Nicholas Ray (Nominierung)
 
British Academy Awards, UK
Jahr
  Kategorie/Preisträger
1957
British Academy Award
Bester Film (Nominierung)
Bester ausländischer Darsteller - James Dean (Nominierung)
 


 
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Peter Biskind in: Film Quarterly, 4/1973-74

Cinema Nr.105 (2/1987), Plakatkarte

Andrew, Geoff: The Films of Nicholas Ray, London 1991

Belach, Helga/Jacobsen, Wolfgang (Hrsg.): CinemaScope, Berlin 1993

Engelhard, Günter/Schäfer, Horst/Schorbert, Walter: 111 Meisterwerke des Films (Fischer Cinema), Frankfurt a.M.1989

Engelmeier, Peter W.: 100 Jahre Kino - Die großen Filme, Augsburg 1994

Faulstich, Werner/Korte, Helmut (Hrsg.): Fischer Filmgeschichte Bd.3 1945-1960 (Fischer Cinema), Frank-furt a.M. 1990

Grob, Norbert/Reichart, Manuela (Hrsg.): Ray (Edition Filme), Berlin 1989

Hahn, Ronald M./Jansen, Volker: Kultfilme (Heyne Filmbibliothek), München 1998

Heinzlmeier, Adolf: Kinoklassiker, Hamburg/Zürich 1986

Heinzlmeier, Adolf/Schulz, Berndt: Kultfilme (Cinema-Buch), Hamburg 1989

Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Stuttgart/Leipzig 1995

Manthey, Dirk (Hrsg.): Goldenes Kino (Cinema-Buch), Hamburg 1986

Müller, Jürgen: Filme der 50er, Köln 2005

Peary, Danny: Cult Movies, New York 1981