Wilde Erdbeeren




Technisches
Land
 
S
Jahr
 
1957
Länge
 
91 min.(2508 m)
   
Originalfassung:
   
90 min. (2490 m)
Farbe
 
s/w
Tonverfahren
 
Mono
Format
 
35 mm (1.37:1)
Drama


Credits
Regie   Ingmar Bergman
Drehbuch   Ingmar Bergman
Kamera   Gunnar Fischer
Schnitt   Oscar Rosander
Musik   Erik Nordgren
Ton   Aaby Wedin, Lennart Wallin
Ausstattung   Gittan Gustafsson
Kostüme   Millie Ström
Maske   Nils Nittel
Produktion   Allan Ekelund für SF
Verleih   Constantin


Erstaufführung
Kinostart
S
  26.12.1957
D
  21.07.1961
       
TV-Premiere
D
  02.11.1963, ZDF
       
DVD
USA
  12.02.2002 (Criterion)
D
  26.03.2005 (SZ-Cinemathek Nr. 4)


Einspielergebnisse

?



Darsteller
Victor Sjöström   (Isak Borg)
Bibi Andersson   (Sara)
Ingrid Thulin   (Marianne)
Gunnar Björnstrand   (Evald)
Folke Sundquist   (Anders)
Björn Bjelvenstamm   (Victor)
Naima Wifstrand   (Isaks Mutter)
Jullan Kindahl   (Agda)
Gunnar Sjöberg   (Ingenieur Ahlman)
Gertrud Fridh   (Isaks Frau)
Åke Fridell   (ihr Geliebter)
Max von Sydow   (Åkerman)
Sif Ruud   (die Tante)
Yngve Nordwall   (Onkel Aron)
Per Sjöstrand   (Sigrid)
Gio Petré   (Sigbritt)
Gunnel Lindblom   (Charlotta)
Maud Hansson   (Angelica)
Lena Bergmann   (Birgitta)
Per Skogsberg   (Hagbart)
Göran Lundquist   (Benjamin)
Eva Norée   (Anna)
Monica Ehrling   (Kristina)
Anne-Marie Wiman   (Eva Akerman)
Vendela Rönnbäck   (Schwester Elisabeth)
Gunnar Olsson   (Bischof Hovelius)
Josef Norman   (Professor Tiger)
Helge Wulff   (Promotor)


Inhalt
Prof. Isak Borg soll am 50.Jahrestag seiner Promotion von seiner Universität geehrt werden. In einem seltsam bedeutungsgeladenen Traum hat er seinen eigenen Tod erlebt. So wird die Fahrt mit seiner Schwiegertochter zur entfernt gelegenen Universität zu einer Reise durch die Stationen seines Lebens, die ohne Übergang zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Phantasie und Realität hin und her pendelt. Der Professor sieht sich als alter Mann in frühere Lebensabschnitte versetzt, er beobachtet, ohne von deren Protagonisten wahrgenommen zu werden: die Stelle, wo er als Kind wilde Erdbeeren gesucht hat, im Kreise seiner Geschwister und Spielgefährten. Alle Erlebnisse auf dieser Autofahrt sind weitere Überleitungen zu weiteren Begegnungen Borgs mit sich selbst. Marianne, seine Schwiegertochter, deren Ehe zu scheitern droht, wirft ihm schließlich Egoismus und Selbstherrlichkeit vor. Borg sieht ein, daß er sich seinen Mitmenschen entfremdet, dabei sich selbst um sein Glück gebracht hat. Er läßt die Ehrungen über sich ergehen. Doch er ist verändert. Er will sich, soweit ihm das noch möglich erscheint, öffnen, er will das Glück seiner Kinder, die er jetzt erst lieben gelernt hat, retten.

 


Kritik
»Nach Das siebente Siegeldrehte Ingmar Bergman Wilde Erdbeeren. Beide Filme bilden im Werk des Regisseurs eine thematische Einheit. Während der mittelalterliche Ritter in der Außenwelt den Sinn des Lebens zu finden sucht, beschäftigt sich Prof. Isak Borg mit seiner Innenwelt, um zu einem Verständnis seiner selbst, dem Sinn seines Lebens zu kommen.« (Hahn/Jansen, Das neue Lexikon des Fantasy-Films). Das Grundthema wird gleich zu Anfang in einer Traumszene komprimiert; die Angst vor dem Tod. Ein alter Mann geht durch eine verlassene Stadt im gleißenden Morgenlicht. Uhren ohne Zeiger, Gesichter ohne Augen: Die von Bergman gewählten Symbole erinnern an surrealistische Bilder und stammen aus einem Alptraum. »Ein Leichenwagen kommt, der gegen einen Pfahl fährt, so daß der Sarg hinausfällt und der Tote hinausgeschleudert wird, das hatte ich viele Male geträumt«, bekannte der Regisseur im Gespräch mit Journalisten. »Formal besticht die Kraft und Stilsicherheit, mit der die Traumsequenzen in die Schilderung der Realität eingeführt werden. Die Konfrontation Isak Borgs mit den Gefährten in der Jugend, die den alten Mann auch optisch in den Kreis seiner Jugendgespielen zurückversetzt, ist nicht nur von großem ästhetischen Reiz, sie macht auch ganz deutlich, was alt sein heißen kann.« (Reclams Filmführer). Diese unvergleichliche Altersstudie ist dem kurz nach den Dreharbeiten verstorbenen Victor Sjöström zu verdanken, einem der großen schwedischen Regisseure aus der Blütezeit des schwedischen Stummfilms. Die eigentliche Geschichte spielt sich in seinem Gesicht ab. Bergmans Notiz in seinem Tagebuch, betreffs der letzten Einstellung des Films: »Nie vorher oder nachher habe ich ein so edles und befreites Gesicht gesehen - und doch war es nicht mehr als ein Stück Schauspielkunst in einem schmutzigen Atelier.« Und in einem Rückblick, aus dem Abstand von 33 Jahren, notierte der Regisseur: »Erst heute habe ich erkannt, daß Victor Sjöström meinen Text an sich riß, in sein Eigentum verwandelte und seine Erfahrung einsetzte: eigene Qual, Misanthropie, Zurückgezogenheit, Brutalität, Trauer, Angst, Einsamkeit, Kälte, Wärme, Schroffheit, Unlust.«

Die klassische Fabel der Reise erweitert Ingmar Bergman zu einem Traumspiel von Strindbergschen Ausmaßen. Virtuos spinnt er ein dichtes Geflecht aus Gegenwart und Vergangenheit, aus Ereignissen und Erinnerungen, aus Nachtmahren und Tagträumen. So vielfältig die Stilmittel auch sind, die Bergman dabei benutzt, die konventionelle Rückblende weiß er geschickt zu umgehen. Die Szenen der Erinnerungen betritt Borg unverändert, in der Gestalt des Greises. »Klar erkennt Borg, daß hier die Wurzeln seiner weiteren Entwicklung liegen. Zweimal lädt er Reisebegleiter zu sich in den Wagen - Kontrastfiguren, mit denen Bergman den Charakter Borgs weiter umreißt. Ein Ehepaar mittleren Alters, das nichts mehr verbindet und das Borgs Wunsch nach Alleinsein zu rechtfertigen scheint. Und, wie einst seine Jugendliebe, noch einmal eine junge Sara zwischen zwei Verehrern. Pfarrer und Arzt wollen diese beiden werden, die sich mehr als um das Mädchen über die Existenz Gottes streiten. Sie verkörpern die beiden Seiten des jungen Isak. der sich dann für die Wissenschaft entschied.« (Paul Werner, Stern). Smultronstället hat im Schwedischen zwei Bedeutungen: Das Wort bezeichnet den Platz für Waldbeeren und ist zugleich Synonym für einen Ort außerhalb des Alltagstreibens, steht für Muße und Erholung, Innehalten und Verbundenheit mit der Natur. Die süßen, aber empfindlichen Sommerfrüchte tauchen in vielen Filmen Ingmar Bergmans auf, in frühen Werken wie Durst (1948/49) oder Einen Sommer lang (1950) ebenso wie in Fanny und Alexander (1982), wo sie nur noch Erinnerung sind: Symbole des verlorenen Paradieses, der reinen Liebe, der Jugend und des Glücks.

»In seinem letzten Alptraum muß Borg noch einmal ein Examen ablegen. Wie vor einem Tribunal wird er der Selbstsucht, Gefühlskälte und Selbstgefälligkeit bezichtigt, und die Strafe dafür heißt: Einsamkeit. Nahe an der Schwelle des Todes gelingt es Borg, seinen emotionalen Panzer zu sprengen. Er findet Frieden mit sich selbst und vermag nun vollends in die Traumwelt seiner Erinnerungen einzudringen - nicht mehr nur Beobachter, sondern jetzt Teil der menschlichen Gesellschaft. « (Paul Werner, Stern).



Auszeichnungen
Academy Awards, USA
Jahr   Kategorie/Preisträger
1960
Oscar
Bestes Originaldrehbuch - Ingmar Bergman (Nominierung)
 
Internationale Filmfestspiele Berlin, Deutschland
Year   Kategorie/Preisträger
1958
FIPRESCI-Preis - Victor Sjöström
Goldener Bär - Ingmar Bergman
 
British Academy Awards, UK
Jahr   Kategorie/Preisträger
1959
British Academy Award
Bester Film (Nominierung)
Bester ausländischer Hauptdarsteller - Victor Sjöström (Nominierung)
 
Golden Globes, USA
Jahr   Kategorie/Preisträger
1960
Golden Globe
Bester ausländischer Film
 
Filmfestival Venedig, Italien
Jahr   Kategorie/Preisträger
1958
Goldener Löwe
Preis der italienischen Filmkritik - Ingmar Bergman
 


Bewertung


Literatur

Robert T. Eberwein in: Literature/Film Quarterly, 3/1980; Eleanor McCann in. Sight and Sound, 1/1960-61; Birgitta Steene in: Film Comment, 1/1965

Björkman, Stig: Bergman über Bergman, München 1976

Engelmeier, Peter W.: 100 Jahre Kino - Die großen Filme, Augsburg 1994

Hahn, Ronald M./Giesen, Rolf: Das neue Lexikon des Fantasy-Films, Berlin 2001

Karasek, Hellmuth: Mein Kino - Die 100 schönsten Filme, Hamburg 1994

Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Stuttgart/Leipzig 1995

Lange-Fuchs, Hauke: Ingmar Bergman (Heyne Filmbibliothek), München 1988

Müller, Jürgen: Filme der 50er, Köln 2005



Weblinks

IMDB