Tote schlafen fest




Technisches
Land
 
USA
Jahr
 
1946
Länge
 
114 min.
Farbe
 
s/w
Tonverfahren
 
RCA Sound System
Format
 
35 mm (1.37:1)
Krimi
Thriller


Credits
Regie   Howard Hawks
Drehbuch   William Faulkner, Leigh Brackett,
    Jules Furthman
Literaturvorlage   Raymond Chandler
Kamera   Sid Hickox
Spezialeffekte   Roy Davidson, Warren Lynch
Schnitt   Christian Nyby
Musik   Max Steiner
Ton   Robert B. Lee
Bauten   Fred MacLean
Ausstattung   Carl Jules Weyl
Kostüme   Leah Rhodes
Maske   Perc Westmore
Produktion   Howard Hawks für Warner Brothers/
    First National
Verleih   Eckelkamp/UIP, atlas +av (16 mm),
    Warner Home Video


Erstaufführung
Kinostart
USA
  31.08.1946
D
  29.09.1967
       
Videostart
D
  November 1983
       
TV-Premiere
D
  22.06.1968, WDR3
       
DVD
USA
  15.02.2000 (Warner Home Video)
D
  28.06.2000 (Warner Home Video)


Einspielergebnisse

?



Darsteller
Humphrey Bogart   (Philip Marlowe)
Lauren Bacall   (Vivian Rutledge)
John Ridgeley   (Eddie Mars)
Martha Vickers   (Carmen Sternwood)
Dorothy Malone   (Buchhändlerin)
Regis Toomey   (Bernie Ohls)
Charles Waldron   (General Sternwood)
Louis Jean Heydt   (Joe Brody)
Elisha Cook jr.   (Harry Jones)
Sonia Darrin   (Agnes)
Bob Steele   (Canino)


Inhalt
Von dem reichen General Sternwood wird der Privatdetektiv Philip Marlowe engagiert, ihm einen Erpresser vom Halse zu schaffen, der im Besitz mehrerer Schuldscheine von Sternwoods jüngerer Tochter Carmen ist. Außerdem ist sein Sekretär Sean Regan auf unerklärliche Weise verschwunden. Marlowe beginnt mit seinen Untersuchungen, obwohl ihn Sternwoods ältere Tochter Vivian Rutledge davon abhalten will. Er entdeckt hinter der Fassade eines Buchladens die Zentrale der Erpresser. Außerdem geht er den Verbindungen zu dem Spielclubbesitzer und Gangster Eddie Mars nach. Den angeblichen Erpresser, einen Buchhändler namens Geiger, findet er nur noch als Leiche auf. Neben der Leiche sitzt eine apathische Carmen. Joe Brody, der die Erpressung der Sternwoods weiter betrieben hatte, wird wenig später vor Marlowes Augen erschossen. Die Spur des Killers führt ihn schließlich wieder zu Eddie Mars. Dessen Frau soll mit Regan durchgebrannt sein. Zwischenzeitlich versucht Vivian, ihn aus seinem Auftrag zu entlassen, doch Marlowe fühlt sich einzig dem General verpflichtet. Der Privatdetektiv Harry Jones bringt Marlowe auf die Spur von Mars Frau, bevor er von dessen Killer Canino vergiftet wird. In dem angeblichen Versteck Regans findet Marlowe dann Canino, Mrs.Mars und Vivian. Es kommt zu einer Schießerei mit dem Killer, bei der dieser stirbt. Auf dem Rückweg in die Stadt erfährt Marlowe von Vivian, daß Carmen Regan aus verschmähter Liebe umgebracht hat. Marlowe, der sich inzwischen in Vivian verliebt hat, arrangiert einen Hinterhalt für Eddie Mars, bei dem diesem alle Schuld zugeschoben wird und er in seiner eigenen, für Marlowe gedachten Falle ums Leben kommt.

 


Kritik
Eine komplizierte, verwickelte Geschichte, im Roman und stärker noch im Film. »Hier wird nicht - wie sonst üblich - ein Verbrechen sorgfältig und logisch aufgeklärt; viele Bezüge bleiben im Dunkeln, die Aufklärung am Schluß beschränkt sich auf vage Andeutungen. Statt dessen wird der Zuschauer in eine düstere Welt gerissen, in der ihm weder moralische Positionen noch logische Argumente als Orientierungshilfen geboten werden. Die Großstadt, die gute Gesellschaft werden zum Dschungel, in dem sich der schäbige Privatdetektiv nur mit der Mentalität und dem Instinkt eines Raubtieres behaupten kann. Aber die Unsicherheit dieser Welt wird in suggestiven Bildern und Sequenzen deutlich. Sie erzeugen quälende Spannung, und sie versagen sich am Schluß die oberflächliche Beruhigung, daß nun wieder alles im Lot sei.« (Reclams Filmführer).

Die Unsicherheit über den logischen Ablauf seiner eigenen Geschichte erfaßte auch den Autor der Vorlage, Raymond Chandler: »Ich erinnere mich noch, wie ich vor mehreren Jahren, als Howard Hawks den Big Sleep machte, er und Bogart in Streit gerieten, ob eine der Figuren nun ermordet worden sei oder Selbstmord begangen habe. Sie schickten mir ein Telegramm, um mich zu fragen, und verdammt noch mal, ich wußte es selber nicht...« Auch Hawks erinnerte sich an diese Begebenheit, bei der es um Sternwoods Chauffeur ging, der tot in seinem Wagen aus dem Meer geborgen wird: »Ich verstand zwar die Geschichte, aber ich wußte nicht, wer wen ermordet hatte und warum. Bogart hatte eine Idee, ich hatte eine andere. Als der Autor mir den Namen der Figur nannte, die es angeblich gewesen war, sagte ich ihm, das könne nicht stimmen, weil der Betreffende zur Tatzeit unten am Strand war.« (Blumenberg, Die Kamera in Augenhöhe).

»Wenn allerdings bis zum Schluss unklar bleibt, wie Sean Regan (der im Film selbst gar nicht auftritt) ums Leben kam, so ist dies weder Chandler noch Hawks, sondern der amerikanischen Zensur zuzuschreiben. Sie wollte nicht zulassen, dass der kindisch-verschlagenen Carmen neurotisch und nymphoman, doch auch Opferlamm und eine, wenn auch problematische, Variante des ›good girl‹ der Mord anzulasten sei. Nach dem Production Code der US-Filmindustrie musste dem ›bad guy‹, dem hochmütigen, alert-hinterhältigen Gangster Eddie Mars, auch dieses Verbrechen aufgehalst werden. Marlowes Mitteilung an die Polizei bleibt jedoch, vage genug, der einzige einschlägige Hinweis. Er belegt eher eine lustlose Konzession an die Zensur als die Entschlossenheit der Autoren und des Regisseurs, der verworrenen Story eine überzeugende Auflösung zu verleihen.« (Klaus Kreimeier in: in: Thomas Koebner (Hrsg.), Filmklassiker).

Tatsächlich ist die Story weniger bedeutsam als die generelle Atmosphäre des Films, der in Humphrey Bogart überdies einen kongenialen Darsteller besaß. Auch Chandler, der eigentlich Cary Grant für den idealen Darsteller seiner Romanfigur hielt, spürte dies. So schrieb er seinem Londoner Verleger Hamish Hamilton: »Wenn du dir den Film The Big Sleep ansiehst (die erste Hälfte jedenfalls) wirst du merken, was ein Regisseur, der ein Gefühl für die Atmosphäre und den erforderlichen unterschwelligen Sadismus hat, aus so einer Geschichte alles machen kann. Bogart ist natürlich auch viel besser als jeder andere Schurkendarsteller. Bogart wirkt auch ohne Kanone gefährlich. Außerdem hat er einen Humor, der den bekannten heiseren Unterton der Verachtung enthält... Wie Edward G. Robinson braucht er nur den Schauplatz zu betreten, und er beherrscht ihn schon.« The Big Sleep ist Bogarts Film, er beherrscht ihn - fast. Denn eine kann mithalten: Laureen Bacall. Sie waren ein Traumpaar, im Film und im Leben. Hawks hatte sie entdeckt und sie für die Hemingway-Verfilmung To Have and Have Not vor die Kamera geholt - neben Bogart. Wie es zwischen beiden funkt, das raubt einem heute noch den Atem. Nach The Big Sleep heirateten sie. Es war eine der glücklichsten Ehen Hollywoods, und Hawks machte die erotische Spannung zwischen beiden ungeheuer produktiv. Von ihrer ersten Begegnung über die herrliche Telefonsequenz bis zum Schlußdialog: eine Szene schöner als die andere. Die Bacall verkörpert, mit ihrer Ausstrahlung, ihren langsamen, fast schon trägen Bewegungen, nicht nur das typische »good bad girl«, sondern ist eine »hawksian woman«, eine jener starken, selbstbewußten, den Männern ebenbürtigen, wenn nicht überlegenen Frauen, die bei Hawks so oft zu finden sind und denen seine Filme einen Großteil ihrer faszinierenden Modernität verdanken. Neben dieser Frau hat es selbst ein Bogart nicht leicht, so sehr seine Präsenz den Film dominiert und Hawks auf ihn hininszeniert. The Big Sleep war der Film, der nach Die Spur des Falken und Casablanca seinen Mythos am nachhaltigsten begründete.Wer ihn gesehen hat, wird nicht vergessen, wie er das Ohrläppchen reibt, die Daumen in den Gürtel bohrt, die Oberlippe zurückzieht, hinterlistig die Zähne bleckt: »Bogie in excellsis«, jubelte Peter Bogdanovich.

»Die düstere Atmosphäre des Films beruht vor allem auf seiner visuellen Gestaltung. Hawks beließ die Dinge meist im Dunkel. Das Licht im Film dient nicht zur Erhellung, allenfalls zur Heraushebung einzelner Details. Es kreiert eine Stimmung unterschwelliger Bedrohlichkeit - die Gewalttätigkeit kommt immer aus der Dunkelheit, von hinten - und nimmt den Dingen zugleich ihren Hintergrund. Die Personen sind dem gegenüber schutzlos. Nur das Innere ihres Wagens bietet Marlowe und Vivian einen Raum der Sicherheit und Geborgenheit, nachdem Canino getötet wurde und das Sterben noch kein Ende haben sollte. Hier gestehen sie einander ihre Liebe, kommen zu einem stillschweigenden Einverständnis. Später dann, in dem Haus des ersten Mordes, in dem sie nun auf Eddie Mars warten, unterstreicht es ihre Komplizenschaft am Ende der Folge sinnloser Gewalttaten und Morde. Hawks umschließt sie förmlich, alles im Haus liegt im Dunkeln, ein Entkommen aus dieser fatalen Welt scheint nur schwer möglich. Ihm gelang es, die unterschwellige Romantik dieser Szene mit Ironie und subtilem Gespür für latente Bedrohlichkeit zu durchkreuzen. Marlowe hat am Ende seinen eigenen Gefühlen zuwidergehandelt, und ist ihnen doch treu geblieben. Von Anfang an war er Außenseiter in der Welt, die er für seinen Auftrag betreten mußte. Ein hohes Maß an innerer Moral zeichnet dabei diesen ›shamus‹ aus, sie findet sich bei keinem der anderen. Nur in Vivian, die sich schützend vor ihre psychisch kranke Schwester Carmen stellt, besitzt er eine ebenbürtige Partnerin.« (Meinolf Zurhorst, Lexikon des Kriminalfilms). Das Happy-End in The Big Sleep ist gelegentlich kritisiert worden; die letzten Worte des Romans lauten ›Ich habe sie nie wiedergesehen‹ und lassen für Philip Marlowe und Vivian Rutledge keine Zukunft offen. Stimmig ist das Film-Ende dennoch, auch über die Hollywood-Gewohnheit hinaus. Der Film kondensiert auf seine Art die Widersprüche und Möglichkeiten der Figur des Populärmythos. Was Hawks' Film in seiner Handlung konzentriert, ist bei Chandler eine Entwicklung über mehrere Romane.

Trotz aller Verwicklungen aber bleibt Marlowes Moral unberührt. Die Korruption der Welt um ihn herum verändert sich nicht wirklich. »Aber durch dieser schäbigen Straßen muß ein Mann gehen, der selbst nicht schäbig ist, der eine reine Weste hat und keine Angst«, schrieb Chandler in seinem Essay Die simple Kunst des Mordens. »Der Detektiv in dieser Art Story muß so ein Mann sein. Er ist der Held; er ist schlechthin alles. Er muß ein ganzer Mann sein und ein gewöhnlicher Mann - und zugleich doch ein außergewöhnlicher. Er muß, um einen ziemlich abgedroschenen Ausdruck zu gebrauchen, ein Mann von Ehre sein - aus Instinkt, aus innerster Notwendigkeit, ohne Gedanken daran, und gewiß ohne Worte darüber.« Diese persönliche Moral, nach der Philip Marlowe agiert, fand in Hawks persönlichem Credo von Professionalität ihr Äquivalent. Sein Sinn für Atmosphäre, Präzision und Ökonomie in Bild und Dialog, sein Empfinden der Gesellschaft als Dschungel und sein Glaube an die individuelle Ehre und moralische Überzeugung gibt Tote schlafen fest dabei eine ebensolche Bedeutung, wie sie der Roman Chandlers in der Literatur besitzt. Obgleich der Film auf Rückblenden verzichtete, sein Held nicht allzu verwundbar und die Frau nicht »fatale« war, wird Tote schlafen fest zu den Meisterwerken des Film noir gerechnet, »vor allem wegen seiner Beschreibung einer sehr dunklen, sehr perversen, sehr geheimnisvollen Welt, belastet durch Erotik, Unsicherheit und Tod.« (William Luhr).



Auszeichnungen

-



Bewertung


Literatur

Ronald S. Librach in: Literature/Film Quarterly, 3/1991; Herbert Linder in: Filmkritik, 10/1967; James Monaco in: Sight and Sound, 1/1974-75; Christopher Orr in: Wide Angle, 2/1982; Rainer Rother in: film-dienst, 14/1996

Charlot, Alain: Die 100 besten Kriminalfilme (Heyne Filmbibliothek), München 1991

Faulstich, Werner/Korte, Helmut (Hrsg.): Fischer Filmgeschichte Bd.3 1945-1960, Frankfurt a.M. 1991

Fuchs, Wolfgang: Humphrey Bogart, Köln 1986

Engelhard, Günter/Schäfer, Horst/Schorbert, Walter: 111 Meisterwerke des Films (Fischer Cinema), Frankfurt a.M.1989

Hahn, Ronald M./Jansen, Volker: Kultfilme (Heyne Filmbibliothek), München 1998

Heinzlmeier, Adolf/Menningen, Jürgen/Schulz, Berndt: Kultfilme, Hamburg 1983

Heinzlmeier, Adolf/Schulz, Berndt: Kultfilme (Cinema-Buch), Hamburg 1989

Hickethier, Knut/Schumann, Katja (Hrsg.): Filmgernes: Kriminalfilm, Stuttgart/Leipzig 2005

Jansen, Peter W./Schütte, Wolfram (Hrsg.): Bogart (Hanser Reihe Film Bd.8), München/Wien 1976

Karasek, Hellmuth: Mein Kino - Die 100 schönsten Filme, Hamburg 1994

Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Stuttgart/Leipzig 1995

Müller, Jürgen: Filme der 40er, Köln 2006

Thissen, Rolf: Howard Hawks (Heyne Filmbibliothek), München 1987

Wacker, Holger (Hrsg.): Enzyklopädie des Kriminalfilms, Meitingen 1995

Werner, Paul: Film noir (Fischer Cinema), Frankfurt a.M. 1985

Zurhorst, Meinolf: Lexikon des Kriminalfilms, München 1993



Weblinks

IMDB