Die Vögel




Technisches
Land
 
USA
Jahr
 
1963
Länge
 
120 min. (3265 m)
Farbe
 
color
Tonverfahren
 
Mono
Format
 
35 mm (1.85:1)
Horror
Thriller


Regie   Alfred Hitchcock
Drehbuch   Evan Hunter
Literaturvorlage   Daphne Du Maurier
Kamera   Robert Burks, Ub Iwerks
Spezialeffekte   Robert R. Hoag, L.B. Abbott,
    Linwood Dunn, Lawrence A. Hampton,
    Ray Berwick (Vogeldressur)
Schnitt   George Tomasini, Bud Hoffmann
Musik   Bernard Herrmann; Remi Gassmann,
    Oskar Sala(Elektronische Klangeffekte)
Ton   Waldon C. Watson; William Russell
Bauten   George Milo
Ausstattung   Robert Boyle
Kostüme   Edith Head
Maske   Howard Smit (Make-up), Virginia Darcy
    (Frisuren)
Produktion   Alfred Hitchcock für Universal
Verleih   Universal


Kinostart
USA
  28.03.1963
D
  20.09.1963
       
Video
D
  18.08.1999
       
TV-Premiere
D
  06.12.1967, ARD
       
DVD
USA
  28.03.2000 (Universal)
D
  25.10.2000 (Universal)
D
  20.09.2001 (Universal, Hitchcock Collection)
D
  30.01.2003 (Universal, Neuauflage)


?



Rod Taylor   (Mitch Brenner)
Tippi Hedren   (Melanie Daniels)
Jessica Tandy   (Lydia Brenner)
Suzanne Pleshette   (Annie Hayworth)
Veronica Cartwright   (Cathy Brenner)
Ethel Griffies   (Mrs.Bundy)
Charles McGraw   (Sebastian Sholes)
Ruth McDevitt   (Mrs. MacGruder)
Malcolm Atterbury   (Sheriff Al Malone)
Karl Swenson   (der Betrunkene)
Joe Mantell   (der Reisende)
Elisabeth Wilson   (HelenCarter)
Lonny Chapman   (Deke Carter)
John McGovern   (der Fischer)
Doodles Weaver   (der Postbeamte)
Richard Deacon   (Mann im Aufzug)
Doreen Lang   (Mutter in Tides Cafe)
Bill Quinn   (Mann)


In einer Vogelhandlung in San Francisco begegnet Melanie Daniels, die Tochter eines Zeitungsmagnaten, nicht nur Alfred Hitchcock persönlich (sein üblicher Kurzauftritt, diesmal mit den Hunden Stanley und Geoffrey an der Leine), sondern sie lernt auch den jungen Anwalt Mitch Brenner kennen, den sie trotz seiner abweisenden Haltung von Stund an nicht aus den Augen lassen will. Sie folgt ihm nach Bodega Bay, offiziell, um seiner kleinen Schwester Cathy zwei Liebesvögel zum Geburtstag zu schenken. Gleich bei ihrer Ankunft wird sie von einer Möwe an der Stirn verletzt. Niemand vermutet mehr als einen Zufall. Melanie entschließt sich zu bleiben. Sie übernachtet bei Annie Hayworth, der Lehrerin des Ortes. Am nächsten Tag stürzen sich bei der Geburtstags-Gartenparty ganze Vogelschwärme auf die spielenden Kinder und verletzen einige. Am Abend dringen Spatzen in den Kamin des Hauses Brenner ein. Sie werden noch einmal abgewehrt. Das Entsetzen steigert sich, als Brenners Mutter am nächsten Morgen ihren Nachbarn aufsuchen will und ihn tot mit ausgehackten Augen findet. Nur wenig später geraten die Kinder der Ortsschule in Gefahr. Eine bedrohliche Anzahl von Krähen hat sich im Schulhof niedergelassen. Melanie warnt die Lehrerin. Bei dem Versuch, die Kinder in Sicherheit zu bringen, greifen die Vögel an. Ihr erster Angriff verläuft glimpflich. Doch dann stürzen sie auf die Lehrerin und zerfleischen sie. Jetzt geht es erst richtig los. Die Vogelwelt ist in Aufruhr geraten. Angriff auf das Geschäftsviertel des Ortes; wegen einer defekten Benzinleitung breitet sich ein Brand rasch aus. Durch Fenster und Dachöffnungen dringen die Vögel in die Wohnungen ein. Schonungslos wiederholen sie ständig ihre Angriffe. Besonders heftig wird das Haus der Brenners attackiert. Ganze Heerscharen von Vögeln besetzen die unmittelbare Umgebung und versuchen immer wieder, in das Haus einzudringen. Die Hausbewohner führen eine wahre Abwehrschlacht; zum Schluß müssen sie kapitulieren. In einem ruhigen Augenblick gelingt es Brenner, seiner Mutter, seiner Schwester und Melanie, das Haus zu verlassen und sich ins Auto zu retten. Überall sitzen spähend, unbeweglich, drohend die Vögel. Behutsam rollt das Auto aus dem Farmgehöft zur nahen Straße.

 


Die Vögel war bereits der dritte Spielfilm Alfred Hitchcocks, den er nach einer Vorlage von Daphne Du Maurier drehte. Im Jahre 1939 adaptierte er für seinen letzten Film in England (Jamaica Inn) einen Roman der Bestseller-Autorin und auch sein Hollywood-Debüt Rebecca aus dem Jahre 1940 basiert auf einer literarischen Vorlage Du Mauriers. Hitchcock veröffentlichte die Kurzgeschichte 1952 in einer seiner eigenen Anthologien, war aber nicht allzu begeistert von ihr. Später bezichtigte er Daphne Du Maurier sogar des Plagiats. Als Hitchcock dann an die Bearbeitung des Stoffes ging, verwendete er lediglich den Grundgedanken der Kurzgeschichte. Während Daphne Du Maurier den Angriff der Vögel mit einer Tollwutepidemie begründet, verfolgt Hitchcock in seinem Film die Idee eines plötzlichen, unerklärlichen, vor allem unmotivierten Angriffs auf die Menschenwelt. »Der Film ist dadurch eindeutig eine Spekulation, eine Phantasie.« (Truffaut, Mr.Hitchcock, wie...). Diese Auslegung der Kurzgeschichte paßte dann wieder genau zu Hitchcocks Generalthema von der Bedrohung, die am hellichten Tag aus heiterem Himmel in die Welt des Normalen einbricht. »Wir mögen gefaßt sein auf den Angriff eines Riesenkraken oder einer Armee gigantischer Ameisen - aber wer käme darauf, daß die lieben kleinen gefiederten Wesen, die uns ständig umgeben, eine ernste Gefahr für unsere Zivilisation darstellen könnten ?« (Taylor, Hitchcock). Hitchcock erwies sich damit wieder einmal als Trendsetter, was sich an der Flut von Nachahmern und Plagiatoren zeigte, die eine ganze Reihe von tierischen Revolten im Kino auslösten. Überflüssig zu erwähnen, daß kaum einer dieser Filme die Klasse des Vorbilds erreichten.

»Die eigentliche Handlung von Die Vögel beginnt mit einem leicht komödiantischen Einschlag und bewegt sich dann im Tonfall schleichend, aber stetig durch alle Schattierungen bis zum finstersten Schrecken. Die Beunruhigung des Zuschauers wird mit subtilem Einsatz aller dramaturgischen und technischen Raffinessen erreicht. Schon in den ersten Bildern ist die Kamera oft leicht verkantet. Um die Bedrohung noch mehr zu steigern, legte Hitchcock Wert darauf, daß sich auch die Qualität und Quantität der Vögel ständig veränderte: im Verlauf des Films werden die Vögel immer größer, immer schwärzer und immer zahlreicher.« (Volker Jansen/Bodo Fründt in: Enzyklopädie des phantastischen Films). »Durch eine raffinierte Farbdramaturgie, eine wirkungsvoll eingesetzte Symbolik (die zerbrochenen Tassen im Haus des toten Farmers) und eine ausgeklügelte Raumästhetik, die das Haus, die Bar oder eine Telefonzelle zu Käfigen macht, gelingt Hitchcock eine sinnfällige Demonstration, wie das Chaos vermeintliche Sicherheiten auflösen kann.« (Johann N. Schneider, Reclams elektronisches Filmlexikon). Aber man täte dem Film Unrecht, würde man ihn auf seine Horrorelemente reduzieren. »Hitchcock verlegt seine Apokalypse in den Mikrokosmos einer Kleinstadt, unter deren scheinbar idyllischer Oberfläche alle Beziehungen erheblichen Spannungen unterliegen. Schon die Familie der Brenners ist durch die für Hitchcock typische Unvollkommenheit gekennzeichnet. Der Vater fehlt, der Altersunterschied zwischen den Geschwistern ist auffällig groß. Die Mutter will den Sohn nicht aus ihrer Nähe lassen, hat panische Angst vor dem Alleinsein und ist eifersüchtig auf die weibliche Konkurrenz. Auch die Beziehung zwischen den beiden Hauptfiguren Melanie und Mitch wird als eine Beziehung voller Gegensätze und Spannungen gezeichnet. Mitch verabscheut den bisherigen Lebensstil Melanies. Sie möchte ihm einen Streich spielen. Das Leben der anderen Frau Mitchs, der Lehrerin, leidet unter einer unerfüllten Liebe. Durchleuchtet man die Fassaden der Menschen ein wenig, zeigen sich überall Risse und Sprünge, und in solche Momente fallen dann jedesmal sofort die Attacken der Vögel.« (Volker Jansen/Bodo Fründt, ebendort). Diese Attacken bewirken eine Neuordnung der Beziehungen zwischen den handelnden Personen und besitzen somit eine katalytische Funktion, indem sie familiäre Zuordnungen neu organisieren, das Liebespaar sich finden lassen und Prioritäten menschlichen Miteinanders definieren. Vor allem Melanie wird in ihrer Selbstgefälligkeit einer grausamen Prüfung unterzogen, bis hin zu jener Verstümmelung in der Dachkammer, die einem bizarren Alptraum gleicht. Die gemeinsam zu bestehende Gefahr bringt sie nicht nur Mitch näher, sondern auch Lydia, die sie schließlich als Teil der Familie akzeptiert.

Die Vögel war Hitchcocks teuerster und formal aufwendigster Film: »Der Film hat mehr als 1400 Einstellungen, rund das Doppelte eines durchschnittlichen Hitchcock-Films, davon 371 Trickaufnahmen verschiedener Art, hauptsächlich in der zweiten Hälfte, wenn die Vögel zum Angriff übergehen. Viele Einstellungen mußten immer wieder durch Mehrfachbelichtungen und optische Kombinationen überarbeitet werden, bis der gewünschte Effekt eintrat; die allerletzte Einstellung des Films, in welcher sich die Menschen offenbar geschlagen geben und die Welt den Vögeln überlassen, besteht nicht weniger als 32 verschiedenen Filmstücken.« (Taylor, Hitchcock). Die elektronische Hintergrundmusik wurde nach den exakten Anweisungen Hitchcocks von den Musik-Spezialisten Remi Gassmann und Oskar Sala, die Vogelgeschrei und Flügelschlagen elektronisch simulierten, in Deutschland abgemischt. Einen Gag machte die Produktionsfirma Universal allerdings nicht mit: Hitchcock wollte am Schluß des Filmes den »Ende«-Schriftzug aussparen, um den völlig offenen Ausgang zu unterstreichen. Damit das Publikum nicht völlig die Orientierung verlor, bestand die Universal zu Hitchcocks Ärger darauf, den Schriftzug trotzdem einzublenden.



Academy Awards, USA
Jahr
  Kategorie/Preisträger
1964
Oscar
Beste Spezialeffekte - Ub Iwerks (Nominierung)
 


 
*
*
*
 


Peter Bogdanovich in: Film Culture, 28/1963; Margaret M. Horwitz in: Wide Angle, 1/1982-83; Albert Johnson in: Sight and Sound, 2/1962-63; Robert E. Kapsis in: Journal of Popular Film and Television, 1/1987; Enno Patalas in: Filmkritik, 11/1963

Albersmeier, Franz-Joseff/Roloff, Volker: Literaturverfilmungen, Frankfurt a.M. 1989

Beier, Lars-Oliver/Seeßlen, Georg: Alfred Hitchcock, Berlin 1999

Fründt, Bodo: Alfred Hitchcock und seine Filme (Heyne Filmbibliothek), München 1986

Hahn, Ronald M./Jansen, Volker: Lexikon des Horror-Films, Berg.-Gladbach 1985

Hobsch, Manfred: Das große Lexikon der Katastrophenfilme, Berlin 2003

Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Stuttgart/Leipzig 1995

Müller, Jürgen: Filme der 60er, Köln 2004

Spoto, Donald: Alfred Hitchcock - Die dunkle Seite des Genies, München 1986

Spoto, Donald: Alfred Hitchcock und seine Filme (Heyne Filmbibliothek), München 1999

Stresau, Norbert/Wimmer, Heinrich(Hrsg.): Enzyklopädie des phantastischen Films, Meitingen 1986ff

Truffaut, François: Mr.Hitchcock, wie haben sie das gemacht?, München 1984



Essay: Metaphorik und Farbdramaturgie in Alfred Hitchcocks Die Vögel

Filmanalyse: Dramaturgie und Suspense - Beispiel aus Alfred Hitchcocks Die Vögel