Land
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Jahr
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1984
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Länge
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93 min.(2600 m)
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Farbe
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Tonverfahren
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Dolby
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Format
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35 mm (1.85:1)
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Regie | Neil Jordan | |
Drehbuch | Angela Carter, Neil Jordan | |
Literaturvorlage | Angela Carter | |
Kamera | Bryan Loftus | |
Spezialeffekte | Christopher Tucker, Rodger Shaw, | |
Alan Whibley | ||
Schnitt | Rodney Holland | |
Musik | George Fenton | |
Ton | David John, Neil Kingsburg | |
Bauten | Anton Furst | |
Ausstattung | Stuart Rose | |
Kostüme | Elizabeth Waller | |
Maske | Christopher Tucker, Jane Royle | |
Stunts | Terry Cade, Graeme Crowther, Tex Fuller, | |
Nick Hobbs, Gareth Milne, Dinny Powell, | ||
Bill Weston | ||
Produktion | Chris Brown, Stephen Wolley/Palace Prod. | |
für ITC | ||
Verleih | Filmwelt, Vestron (Video) |
21.09.1984 | |||
08.03.1985 | |||
September 1985 | |||
09.04.1988, ARD | |||
15.10.2002 (Hen's Tooth) | |||
08.08.2001 (Concorde) |
4400000 $
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Sarah Patterson | (Rosaleen) | |
Angela Lansbury | (Großmutter) | |
David Warner | (Vater) | |
Tusse Silberg | (Mutter) | |
Shane Johnstone | (verliebter Junge) | |
Brian Glover | (sein Vater) | |
Susan Porrett | (seine Mutter) | |
Micha Bergese | (Jäger) | |
Graham Crowden | (Priester) | |
Kathryn Pogson | (Braut) | |
Stephen Rea | (Bräutigam) | |
Georgia Slowe | (Alice) | |
Dawn Archibald | (Hexe) | |
Richard Morant | (reicher Bräutigam) | |
Danielle Dax | (Wolfsmädchen) | |
Vincent McClaren | (Teufelsjunge) |
»Der Fortgang der Geschichte spiegelt auf subtile Weise Rosaleens Entwicklung wieder, wie sie auf widersprüchliche Ratschläge reagiert, auf ihre Bedürfnisse und Instinkte und auf ihre Beobachtungen in der Welt. Der Wolf z.B. steht für die männliche Sexualität - das sogenannte Tier im Mann. Die Filmversion von Rotkäppchen folgt Bettelheims Thesen und versöhnt das lasterhafte Es des männlichen Verführers mit dem zärtlichen Ego des verantwortungsvollen, liebenden Jägers.« (Observer Review).
In der Tat hantiert Neil Jordan auf eine Weise mit den Implikationen des Märchenstoffes, die seinen Film zu einem überaus dankbaren Analyseobjekt für alle Amateur-Freudianer macht. »In dem Spannungsverhältnis zwischen der kranken Großmutter als Zeichen einer zu Ende gehenden Entwicklung und der aufblühenden Enkelin, die erst am Anfang dieser Entwicklung steht, ist Rosaleens Angsttraum der Defloration angesiedelt, der dem des Gefressenwerdens gleichkommt. Überhaupt ist der Märchenwald als Ort des Schauspiels mit erotischen Motiven angereichert. Hier wachsen übergroße fleischige Pilz-Organe. Hier hüpfen (vermehrungsfreudige) Hasen als altes Fruchtbarkeitssymbol. Auch verführerische Schlangen winden sich um die Bäume, wie einst im biblischen Garten Eden. Weitere symbolische Anleihen bei der Märchenwelt und der germanischen Mythologie sind auszumachen: Der Rabe beispielsweise hängt schon bei den Germanen eng mit der Totenwelt zusammen. Im Aberglauben sind Raben die Seelen von bösen Menschen. Somit erscheint ein Rabe nicht ohne Grund nach Rosaleens erstem Treffen mit dem geheimnisvollen Edelmann im Walde. Bei diesem Treffen schaute das Mädchen auch selbstversunken in einen kleinen Handspiegel - ein Werkzeug, daß beispielsweise auch beim Märchen Schneewittchen eine Rolle spielt. Der Spiegel verleiht durch seine Betrachtung persönliche Identität. Der Aberglaube sagt hierzu allerdings, daß es Unglück bringe, den Spiegel mit dem Glas nach oben liegen zu lassen - was Rosaleen nach ihrer schicksalsreichen Begegnung tut. Zuletzt der Wolf: Der Wolf galt in alter Zeit immer als ein männliches Tier. Er war bekannt als wild, reißend und bissig - als das böseste Tier unter allen und ein Sinnbild des Feindlichen. Der große Mund und die großen Hände des Werwolfes können dabei physiognomisch mit Lebensgier und Selbstsucht gedeutet werden. Somit ist der Wolf bewußt gewählt worden, um die Angst des pubertierenden Mädchens vor der Männerwelt eindrucksvoll darstellen zu können. Doch hier wird nicht mit dem erhobenen Zeigefinger auf die Männerwelt gedeutet. In einer Szene fährt ein weißer Rolls Royce im Wald vor einen Jüngling. Ein teuflisch wirkender Herr überreicht dem Jüngling ein Fläschchen, dessen Inhalt sich der Junge auf die Brust reibt. Die Männlichkeit nimmt daraufhin wie durch einen übermäßigen Hormonschub von ihm Besitz. Brusthaare wachsen ihm, Schlingpflanzen winden sich fest um seine Beine - die tierische Natur hat ihn ergriffen. So ist auch der Mann selber nur als Opfer zu begreifen. Ein Opfer wie die junge Rosaleen. Die mutige Suche des Mädchens nach neuen Welten jenseits der behütenden Enge ihrer kleinen Lebenswelt wird auch in jener Sequenz verdeutlicht, in der Rosaleen wagemutig auf den höchsten Baum des Waldes klettert, um von dessen Krone aus den Blick in die unbekannte Weite unter ihr schweifen zu lassen. Sie stößt bei dieser Handlung auf ein Storchennest, aus dessen Eiern kleine Menschenfiguren schlüpfen. Eine dieser Figuren trägt das Mädchen mit nach Hause. Im Volksglauben ist Storch die Rolle des Kindesbringers zugeordnet. Doch wer ihm ein Kind stehle, den ereile ein Unglück. Ob das Unglück Rosaleens letzten Endes aber wirklich ein solches ist, muß dem jeweiligen Betrachter überlassen bleiben. Rosaleen entdeckt zumindest ihre eigene Sexualität. Neugier und Bewunderung für den fremden Edelmann, Angst vor dessen Wolfsnatur und Mitleid aufgrund seiner Verletzlichkeit führen bei ihr zu Liebe und Hingabe - und letztlich zum Ausbruch ihrer eigenen tierhaften Elemente, welche die symbolische Selbstumwandlung in einen Wolf zur Folge haben. Nur die Mutter, die ihrer Tochter schon früher einmal erklärte, daß das Tier im Manne seine Entsprechung in der Frau fände, erkennt Rosaleen in der Wölfin mit der Halskette und ermöglicht dieser unverletzt die Flucht aus Elternhaus und früherer Umgebung. Anders als im Grimmschen Märchen frißt der Wolf also Rotkäppchen nicht, sondern diese entwickelt eine zärtliche Zuneigung zum Wolf.« (Claus-M. Wolfschlag in: Enzyklopädie des phantastischen Films). »Der Wolf, der steckt in uns allen, wenn wir nur unseren Trieben nachgeben. Die Begegnung der beiden schließlich: ein archaisches Initiationsritual, aus dem das Rotkäppchen als erwachsene Frau hervorgeht.« (Claudius Seidl, SZ). Rosaleens Freiheit, sich zu entscheiden, wohin sie gehört und sich dem Wolf hinzugeben, wird als Element einer Selbstentwicklung verständlich gemacht.
Zweifelhaft bleibt allein die Schlußszene des Streifens. Rosaleen wacht aus ihrem Traum auf und scheint sich dennoch weiterhin in diesem Traum zu befinden. Über die mittlerweile von Gestrüpp zugewachsenen Treppen ihres Elternhauses nähert sich ein Rudel Wölfe. Ein Wolf durchbricht das Schlafzimmerfenster und wirft dabei Rosaleens Puppen, die Symbole ihrer Kindheit, zu Boden. Rosaleen hat die Schwelle zur sexuellen Reife überschritten. Die halbwegs sinnvolle Geschlossenheit des Filmaufbaus wird hier gestört. Gerade hier setzte die Kritik Hilde Spiels in der FAZ an, die - abweichend von der meist positiven Aufnahme durch die Presse - dem Film Effekthascherei vorwarf: »Aus dem weit aufgerissenen Rachen des Menschen wird, in Nachahmung einer Geburt, in Blut und Dreck der Wolf hinausgestoßen. Oder es zieht der Wolf sich den Pelz ab, und der Mensch, nackt und roh, ein mit gehäutetem Fleisch notdürftig bedecktes Skelett, tritt aus ihm hervor. Solch genüßlich ausgekostete Grusel-Wirkungen sind es nicht allein, was diesem Machwerk den Namen Horrorporno einzutragen vermag. Vielmehr muß man die pausenlose Ausbeutung eines faszinierenden Stoffes zu schockierendem, ekelerregendem Zweck als pornographisch bezeichnen.« Auch der Schluß sei dem nach »wiederum nur auf grausigen Schock abzielend«, ein »Ärgernis«. Sadistische Phantasien seien zum Selbstzweck ins Bild gesetzt worden, um Schreckbilder zu erzeugen. Sebastian Feldmann kam in der Rheinischen Post allerdings zu einer freundlicheren Bewertung: »Insgesamt ein merkwürdig teils bannender, teils amüsanter Pubertäts-Schauerfilm im Brüder-Grimm-Gewande, der Märchen als solche noch nicht einmal denunziert, der auf allzu grelle Schocks verzichtet und in Rhythmus und Tonfall eher still entrückt, ja verspielt daher kommt.«
»Mehr jedoch als alle psychoanalytischen Implikationen fesseln jedoch in Die Zeit der Wölfe zunächst die Leistung Angela Lansburys und die außerordentlichen Bilder, für die sich der Film bei so unterschiedlichen Quellen wie Cocteau, Michael Powell, Die Nacht des Jägers oder Tanz der Teufel bedient. Freilich bewegt sich Jordans Eklektizismus auf ungleich höherem formalen Niveau als der vieler anderer Fantasy-Regisseure. Die Zeit der Wölfe ist durchaus mehr als nur bloße Nummernrevue. Mag sich dabei manches auch zu oft wiederholen, gelingt dem auf einem einzigen Set gedrehten Film doch der Aufbau einer fesselnd klaustrophobischen, von Assoziationen beherrschten Traumwelt. Geschichten türmen sich hier auf Geschichten in einer Weise, die recht oft an Wojciech Has Handschrift von Saragossa denken läßt.« (Hahn/Jansen, Das neue Lexikon des Fantasy-Films).
»Das Ganze ist im Grunde genommen freilich nicht mehr als ein (wenn auch intelligentes) Spiel, eine montagegewandte Stoffsammlung, die sich jeder tieferen Deutung entzieht, lediglich Vorschläge zum Fabulieren und Interpretieren anbietet. Da verliert sich Jordan denn auch des öfteren in kunstgewerblichen Motiven, die der Video-Clip-Ästhetik entnommen sein könnten. Doch wer will, wird auch hier eine Methode entdecken: Kitsch und Kunst liegen dicht beieinander, sind Metamorphosen innerhalb eines schöpferischen Prozesses - ähnlich wie der ganze Film seltsam metamorph wirkt: intelligent und herausfordernd, albern und überspannt in einem.« (Horst Peter Koll, Filmdienst).
Die Zeit der Wölfe erhielt 1984 in Sitges auf dem Internationalen Festival des Phantastischen Films mehrere Auszeichnungen. Die Jury des 13.Festivals des Phantastischen Films in Avoriaz verlieh dem Streifen ihren Sonderpreis.
British Academy Awards, UK
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Jahr | Kategorie/Preisträger | ||
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1985
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Beste Kostüme - Elizabeth Waller (Nominierung)
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Beste Maske - Jane Royle, Christopher Tucker (Nominierung)
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Bestes Produktionsdesign - Anton Furst (Nominierung)
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Beste Spezialeffekte - Christopher Tucker, Alan Whibley
(Nominierung)
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Ruth Baumgarten in: epd Film, 3/1985; Dietmar Bittrich in: Rheinischer Merkur, 16.3.1985; Angie Dullinger in: AZ, 7.3.1985+9.3.1985; Sebastian Feldmann in: Rheinische Post, 9.3.1985; Anne Frederiksen in: Die Zeit, 15.3.1985; Wilm Hart in: Die Welt, 9.4.1988; Angelika Kaps in: Tagesspiegel, 7.3.1985; Wolfram Knorr in: Weltwoche, 21.3.1985; Horst Peter Koll in: film-dienst, 6/1985; ric.in: FAZ, 2.3.1985; Helmut Schmilz in: FR, 1.3.1985; M.v.Schwarzkopf in: Die Welt, 6.3.1985; Claudius Seidl in: SZ, 9./10.3.1985; Hilde Spiel in: FAZ, 28.11.1984
Cinema Nr.82 (3/1985), S.98
Friedrich, Andreas (Hrsg.): Filmgenres: Fantasy- und Märchenfilm, Stuttgart/Leipzig 2003
Hahn, Ronald M./Giesen, Rolf: Das neue Lexikon des Fantasy-Films, Berlin 2001
Heinzlmeier, Adolf/Schulz, Berndt: Kultfilme (Cinema-Buch), Hamburg 1989
Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Stuttgart/Leipzig 1995
Müller, Jürgen: Filme der 80er, Köln 2002
Stresau, Norbert/Wimmer, Heinrich(Hrsg.): Enzyklopädie des phantastischen Films, Meitingen 1986ff