Der Mann, der zuviel wußte




Technisches
Land
 
USA
Jahr
 
1955-56
Länge
 
120 min.
Farbe
 
color
Tonverfahren
 
Mono
Format
 
35 mm (1.85:1,
   
Vista Vision)
Krimi
Thriller


Regie   Alfred Hitchcock
Drehbuch   John Michael Hayes, Angus MacPhail nach dem
    Orginalsujet von Charles Bennett und
    D.B. Wyndham-Lewis
Kamera   Robert Burks
Spezialeffekte   John P. Fulton
Schnitt   George Tomasini
Musik   Bernard Herrmann
Songs   Ray Evans, Jay Livingston
Ton   Franz Paul, Gene Garvin
Prod.-Design   Hal Pereira, Henry Bumstead
Bauten   Sam Comer, Arthur Krams
Ausstattung   Hal Pereira, Henry Bumstead
Kostüme   Edith Head
Maske   Wally Westmore
Produktion   Alfred Hitchcock für Paramount
Verleih   Paramount


Kinostart
USA
  Mai 1956
D
  11.10.1956
       
Videostart
D
  18.08.1999
       
TV-Premiere
D
  26.12.1987, ARD
       
DVD
USA
  06.03.2001 (Universal)
D
  13.06.2001 (Universal)
D
  30.01.2003 (Universal, Hitchcock Collection)


 
D
 
325488 Zuschauer (1956)


James Stewart   (Ben McKenna)
Doris Day   (Jo, seine Frau)
Daniel Gelin   (Louis Bernard)
Brenda de Banzie   (Mrs.Drayton)
Bernard Miles   (Mr. Drayton)
Ralph Truman   (Inspektor Buchanan)
Mogens Wieth   (Botschafter)
Alan Mowbray   (Val Parnell)


Remake des gleichnamigen Films, den Hitchcock 1934 in England gedreht hatte.

Dr. Ben McKenna macht mit Frau Jo und Sohn Hank Ferien in Marrakesch. Nach einer Messerstecherei auf dem Basar taumelt ein Mann schwer verletzt auf McKenna zu. Der Sterbende reicht ihm seinen Zimmerschlüssel. Im Zimmer findet sich ein Zettel, der enthüllt, daß in London während eines Konzertes ein Attentat auf einen Politiker verübt werden soll. McKenna versucht bestürzt, die Polizei zu informieren, doch Hank wird entführt. Ein falsches Wort und Hank stirbt. Entsetzt verschweigt McKenna Entführung und Attentat und versucht verzweifelt, auf eigene Faust zu handeln. Das Ehepaar folgt den Spuren der Gangster bis nach London. Dort suchen sie die Veranstaltungshalle auf, in der sich auch der Botschafter befindet. Während des Konzertes soll der einzige Beckenschlag in dem Musikstück den Schuß auf den Botschafter übertönen. Doch die Frau sieht den Revolver, stößt einen Schrei aus und verhindert den Mord. Die Agenten werden festgenommen, das Kind wird befreit.

 


Der Mann, der zuviel wußte ist sicherlich keiner der Filme, auf die sich immer neue Generationen von Experten als eines der Hauptwerke geeinigt haben. Die Konstellation, von der er erzählt und in die er uns versetzt, ist dennoch exemplarisch. Das Remake hält sich im wesentlichen an die Vorlage, ist aber in Details der neuen Besetzung und dem amerikanischen Publikum angeglichen worden. »Hitchcock mag eine Anhänglichkeit an den Stoff gezeigt haben, weil die erste Version jener Film war, der ihm zum endgültigen Durchbruch verhalf. Vergleicht man die britische mit der amerikanischen Version, so zeigt die Schwarzweiß-Version Qualitäten, die die farbige nicht hat und umgekehrt. Während die Originalversion in der Schweiz beginnt, setzt das Remake im exotischen Marokko ein. Die Exposition des 34er Films ist knapp und dynamisch gehalten, etwa eine Viertelstunde lang. Die 55er Exposition nimmt etwa die doppelte Zeit in Anspruch. In der ersten Version dominiert die schnelle Aktion. Beim zweiten Mal ging es Hitchcock viel mehr darum das Familienidyll zu schildern, zur Identifikation mit den Eltern einzuladen, Brüche in der Idylle sichtbar zu machen. Der erste Film wird von der Struktur der Verfolgungsjagd geprägt. Der neue legt mehr Wert auf emotionale und moralische Konflikte. Erst die Identifikation des Zuschauers mit den Emotionen der Hauptakteure in der Neufassung macht die langausgedehnte Suspense-Szene in der Albert Hall möglich und sinnvoll.« (Bodo Fründt, Alfred Hitchcock und seine Filme).

Die berühmte Sequenz des Konzerts in der Albert Hall wurde kaum verändert (sogar die Musik von Arthur Benjamin wurde beibehalten), aber humorvoller, wenn auch nicht weniger spannend, gestaltet. Die Sequenz gestaltete Hitchcock in einer rasanten Schnitt-Gegenschnitt-Technik, in der die Kamera ständig zwischen einer Fahrt über die abgespielten Noten und der Einstellung des wartenden Paukenspielers wechselt. »Die finale Sequenz in der Albert Hall läßt sich auch unter diesem Gesichtspunkt verstehen: Im Zuhörerraum und auf den Rängen herrscht das nackte Chaos, sowohl psychisch als auch physisch. Oben auf der Bühne herrscht die strenge Ordnung der Kunst. Nur die Kunst vermag dem Chaos des Lebens Widerstand zu bieten.« (Bodo Fründt, ebenda). Die Musik trägt ohnehin zu einer wesentlichen Spannungssteigerung bei. Verantwortlich dafür war der geniale Filmkomponist Bernard Herrman, der mit Der Mann, der zuviel wußte seine fruchtbare Zusammenarbeit mit Hitchcock begann, die bis zum Jahre 1966 andauerte.

Der Film kam erst 1984 nach über 20 Jahren zusammen mit vier anderen Hitchcocks wieder ins Kino; drei von ihnen hat John Michael Hayes geschrieben, in vieren tritt James Stewart auf, alle sind sie in Technicolor gedreht. Nach Der Mann, der zuviel wußte gab es Ärger zwischen Hitchcock und Hayes, weil Hitchcock einen alten Freund, Angus McPhail, hinzugezogen hatte und ihn bei den Drehbuch-Credits berücksichtigt sehen wollte. Die Screen Writer's Guild prüfte den Fall, und sie entschied zugunsten von Hayes, was zum Bruch mit Hitchcock führte.

»Nach wie vor gehört die zweite Fassung von Der Mann, der zuviel wußte mit seinen vielschichtigen Figuren, Themen und Gefühlen zu Amerikas Meisterwerken der Filmkunst. Der Beckenschlag (clash of ›Cymbals‹) ist in Wirklichkeit ein Zusammenprall von Symbolen (›symbols‹): Aus einem Lied wird ein Schrei - ein Angstschrei, ein Hilferuf, ein Schrei der Wiedergeburt; ein Konzert wird ein Willenskampf auf Leben und Tod; die Köpergröße eines Mannes wird gleichzeitig zum Abbild seiner Dominanz und seiner Verletzlichkeit; eine Reise an exotische Orte wird zur inneren Reise, und schließlich verliert ein Mann, der sich viel auf sein Wissen zugute gehalten hat, seinen Selbstdünkel. Eine Familie bekommt ein neues Leben durch den Mut seiner Mutter, und zuletzt sehen wir Hank, wieder in Sicherheit zwischen seinen Eltern. Dieses letzte Bild spiegelt und erfüllt das erste. Der Text von ›Que sera, sera‹ ist zu einem ›We'll Love Again‹ geworden.« (Donald Spoto, Alfred Hitchcock und seine Filme).

»Hitchcock, dessen Vorliebe für blonde Frauen bekannt ist, versuchte sich hier mit Frau Saubermann des amerikanischen Kinos. Doris Day ist Geschmackssache, eine Frau ohne Sex, aber hier perfekt als kinderliedsingende Mutter, die ihr verlorenes Küken sucht und hoffnungsvoll auf leise Antwort-Piepser lauscht, während ihr ›Que séra, séra‹ durch Säle, Treppenhäuser und Holztüren hoffentlich zu ihrem Kinde dringt. Von Hitchcock teilweise hart am Kitsch vorbei brillant inszeniert und mit der Kamera umgesetzt. Anfangs zäh, kommt der Film im letzten Drittel furios auf Touren.«(TV-Spielfilm).



Academy Awards, USA
Jahr   Kategorie/Preisträger
1957
Oscar
Bester Filmsong - Ray Evans, Jay Livingston für den Song »Whatever Will Be, Will Be (Que Sera, Sera)«
 


 
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Cinema Nr.220 (9/1996), Plakatkarte

Beier, Lars-Oliver/Seeßlen, Georg: Alfred Hitchcock, Berlin 1999

Fründt, Bodo: Alfred Hitchcock und seine Filme (Heyne Filmbibliothek), München 1986

Spoto, Donald: Alfred Hitchcock - Die dunkle Seite des Genies, München 1986

Spoto, Donald: Alfred Hitchcock und seine Filme (Heyne Filmbibliothek), München 1999

Truffaut, François: Mr.Hitchcock, wie haben sie das gemacht?, München 1984