Schießen Sie auf den Pianisten




Technisches
Land
 
F
Jahr
 
1960
Länge
 
79 min. (2147 m)
   
Originallänge:
   
82 min. (2249 m)
Farbe
 
s/w
Tonverfahren
 
Mono
Format
 
35 mm
   
(2.35:1, Dyaliscope)
Krimi
 Drama
Komödie


Credits
Regie   François Truffaut
Drehbuch   Marcel Moussy, François Truffaut
Literaturvorlage   David Goodis
Kamera   Raoul Coutard
Schnitt   Cecile Décugis, Claudine Bouché
Musik   Georges Delerue
Ton   Jacques Gallios
Ausstattung   Jacques Mély
Produktion   Pierre Braunberger für Les Films de la
    Pléaide
Verleih   NF


Erstaufführung
Kinostart
Gb
  21.10.1960
F
  25.11.1960
D
  25.11.1960
       
TV-Premiere
D
  12.11.1966, ARD
       
DVD
USA
  18.05.1999 (Fox Lorber)
USA
  01.10.2001 (MK2 Editions)
D
26.09.2005 (Concorde, François Truffaut Collection 2)


Einspielergebnisse

?



Darsteller
Charles Aznavour   (Charlie Kohler alias
    Edouard Saroyan)
Marie Dubois   (Léna)
Nicole Berger   (Thérésa)
Michèle Mercier   (Clarisse)
Albert Rémy   (Chico Saroyan)
Richard Kanayan   (Fido Saroyan)
Catherine Lutz   (Mammy)
Claude Mansard   (Momo)
Daniel Boulanger   (Ernest)
Serge Davri   (Plyne)
Jean-Jacques Aslanian   (Richard Saroyan)
Claude Heymann   Lars Schmeel)


Inhalt
Charlie ist Pianist in einem kleinen Café. Eines Tages taucht sein Bruder Chico auf, der von zwei Ganoven verfolgt wird. Charlie hilft ihm zu entkommen; aber Chicos Verfolger hängen sich jetzt an ihn. Am nächsten Morgen werden Charlie und Léna, die als Kellnerin im Café arbeitet, von den Gangstern in ein Auto gezerrt und entführt. Sie können entkommen und verstecken sich in Lénas Zimmer. Hier hängt ein großes Plakat, das ein Klavierkonzert mit Edouard Saroyan ankündigt. Eine Rückblende erklärt: Vor Jahren wurde Edouard Saroyan alias Charlie von dem Konzertagenten Schmeel entdeckt und gefördert. Doch eines Tages beichtet ihm seine Frau Thérésa, daß sie als Preis für seinen Vertrag Schmeels Geliebte geworden ist. Thérésa stürzt sich aus dem Fenster, Edouard ändert seinen Namen und taucht unter. Léna und Charlie wollen zusammenbleiben. Aber unterdessen haben die Gangster Charlies jüngeren Bruder Fido, der bei ihm lebt, entführt, und als der Besitzer des Cafés Léna belästigt, tötet Charlie ihn bei einem Handgemenge. Jetzt sucht auch die Polizei nach ihm. Léna bringt ihn aufs Land zu seinen Brüdern. Es kommt zu einer grotesken Schießerei mit den Gangstern, bei der Léna getötet wird. Im Schlußbild stellt die Witwe des Café-Besitzers dem Pianisten Charlie eine neue Kellnerin vor.

 


Kritik
»Schießen Sie auf den Pianisten ist ein Film über Identität und Identitätsverlust. Das wird immer wieder unterstrichen durch Großaufnahmen des zerknitterten Gesichtes von Charles Aznavour, durch Doppelbelichtungen, durch die Reflektion zerbrochener Spiegel. Ein doppeltes Ego, schwankend zwischen Vergangenheit und Gegenwart. ›Was du gestern getan hast, wirst du heute nicht los!‹ Diese Bemerkung von Thérésa, der ersten Frau, bestimmt auch Charlie; seine neuen Freundinnen sind immer Wiederholungen der ersten Frau, genau wie die Musik, die er spielt. Dieser Charlie scheint in einer Einbahnstraße gelandet zu sein. Er ist ein Mann, der immer allein ist. Doch Truffaut interessiert sich weniger für die Psychologie seines Helden als für die Aufzeichnung seiner aktuellen Reaktionen. Hier verwirren sich die verschiedenen Bezugspersonen, Hoffnung und demoralisierende Realität überschneiden sich. Charlies Reaktionen zeigen sich in seinen inneren Monologen: seine Fragen und Äußerungen richten sich nicht an seine Umwelt, sondern an ihn selbst. Die Unfähigkeit zu kommunizieren, sich selbst zum handelnden Teil dieser unübersichtlichen Umwelt zu machen, bekommt bei Truffaut einen moralischen Aspekt. Nach Thérésas Geständnis, sie habe ihn mit seinem Impresario betrogen, isoliert sich Charlie sofort. Im Off hören wir seinen Monolog. Nach abruptem Umdrehen verläßt er das Zimmer. Eine dumpfe Trommel läßt ahnen was geschehen wird: Thérésa nimmt sich das Leben. Diese Schuld wird Charlies Motiv für die Flucht aus der Gesellschaft und seinem bisherigen Leben.« (Peter W. Jansen/Wolfram Schütte (Hrsg.), François Truffaut).

Truffaut hat einmal erklärt, er habe diesen Film eines einzigen Bildes aus der Romanvorlage gedreht: »Eine abfallende verschneite Straße, die ein Auto ohne Motorenlärm hinuntergleitet !« Sicher ist, daß es nicht die Kriminalaffäre war, die ihn interessiert hat. Er drehte einen Film über Dinge, über Situationen, er zeichnete das Porträt eines schüchternen Künstlers, der in absurde Situationen gerät, der das Unglück gleichsam anzieht, und er schuf märchenhafte Variationen über den amerikanischen Gangsterfilm. <Schießen Sie auf den Pianisten ist ein Film, der absichtlich außerhalb jeder Realität steht, der aber im freien Spiel der Bilder eine außerordentliche Schönheit und Konsequenz erreicht. Truffaut: »Bei Schießen Sie auf den Pianisten habe ich mir keine großen Gedanken darüber gemacht, ob man die Geschichte überhaupt begreift. Ich hatte einfach nur Spaß daran, in einer Abfolge von Sequenzen meine Vision von der Série noire auf die Leinwand zu bringen.«

»Sieht man den Film öfter, wird man weniger auf die Gangster- und Liebesgeschichte achten, als vielmehr auf die Machart, auf das Strickmuster dieses Filmes über das Filmemachen und -anschauen. Figuren tauchen auf, die man zunächst für wichtig hält, die aber nie wiederkehren. Einer der Gangster beschwört seine Aussage damit, daß seine Mutter tot umfallen möge, wenn er nicht die Wahrheit sage. Prompt sieht man in einer anderen Einstellung eine alte Frau zu Boden stürzen. Mit den technischen Mitteln, die im Stummfilm entwickelt wurden (z.B. der Kreisblende) betont Truffaut die Künstlichkeit seiner Geschichte, die sich nur so im Kino ereignen kann. Rückblenden, auffällige Einstellungen, die kaum ausgeleuchteten Innenräume, die dunklen Straßen von Paris, in denen die Autoscheinwerfer nach einem Opfer zu suchen scheinen: alle diese Stilelemente ergeben noch keine zwingende Geschichte, aber sie begeistern den Cineasten, vor allem einen, der dieselben Filme gesehen hat wie Truffaut. Dem größeren Publikum wird Schießen Sie auf den Pianisten eher rätselhaft vorkommen.« (Willi Winkler, Die Filme von François Truffaut).


Auszeichnungen

-



Bewertung
 
*
*
 


Literatur

Fischer, Robert (Hrsg.): Monsieur Truffaut, wie haben sie das gemacht, München 1993

Jansen, Peter W./Schütte, Wolfram (Hrsg.): Truffaut (Hanser Reihe Film Bd.1), München/Wien 1985

Müller, Jürgen: Filme der 50er, Köln 2005

Winkler, Willi: Die Filme von François Truffaut (Heyne Filmbibliothek), München 1984



Weblinks

IMDB