Der einzige Zeuge




Technisches
Land
 
USA
Jahr
 
1985
Länge
 
112 min. (3064 m)
Farbe
 
color
Tonverfahren
 
Dolby
Format
 
35 mm (1.85:1)
Krimi
Thriller


Regie   Peter Weir
Drehbuch   Earl W. Wallace, William Kelley
Literaturvorlage   William Kelley, Pamela Wallace,
    Earl W. Wallace
Kamera   John Seale
Spezialeffekte   John R. Elliot
Schnitt   Thom Noble
Musik   Maurice Jarre
Ton   Barry D. Thomas, Humberto Gatica,
    Cecelia Hall, George Watters
Prod.-Design   Stan Jolley
Bauten   John Anderson
Kostüme   Shari Feldman, Dallas D. Dorman
Maske   Michael Hancock (Make-up), Bette Iverson
    (Frisuren)
Stunts   Gary Epper, Glenn R. Wilder
Produktion   Edward S. Feldman für Paramount
Verleih   UIP, CIC (Video)


Kinostart
USA
  08.02.1985
D
  24.05.1985
       
Videostart
D
  April 1986
       
DVD
USA
  29.06.1999 (Paramount)
USA
  23.08.2005 (Paramount, Special Collector's Edition)
  02.10.2000 (Paramount)
D
  05.10.2000 (Paramount)
D
  07.02.2006 (Paramount, Special Collector's Edition)


 
USA
  65500000 $
 
D
 
3914925 €, 1030542 Zuschauer


Harrison Ford   (John Book)
Kelly McGillis   (Rachel Lapp)
Jan Rubes   (Eli Lapp)
Josef Sommer   (Shaeffer)
Lukas Haas   (Samuel Lapp)
Alexander Godunov   (Daniel Hochleitner)
Danny Glove   (McFee)
Brent Jennings   (Carter)
Patti LuPone   (Elaine)
Angus MacInnes   (Fergie)
Frederick Rolf   (Stoltzfus)


Nach dem Tod ihres Mannes will die junge Amish-Frau Rachel mit ihrem achtjährigen Sohn Samuel Verwandte in einer anderen Stadt besuchen. Samuel verläßt zum ersten Mal in seinem Leben sein heimisches Dorf und wird auf dem Bahnhof von Philadelphia zufällig Zeuge eines Mordes an einem Polizisten. Der nicht gerade zimperliche, aber dennoch einfühlsame Kriminalpolizist John Book verhört den einzigen Zeugen und findet heraus, daß korrupte Kollegen wie der Rauschgiftfahnder McFee die Mörder sind. Book vertraut sich seinem Vorgesetzten an, nicht ahnend, daß dieser in den Mordfall verwickelt ist. Book versteckt Samuel und Rachel bei seiner Schwester solange er noch keine Beweise hat. Wenig später aber kann er mit beiden nur knapp den anrückenden Killern entkommen. Nicht nur der Junge und seine Mutter, auch Book, der inzwischen wegen Mordes gesucht wird, gerät in Gefahr, und er findet Unterschlupf in einer Dorfgemeinschaft der Amische. Wie zu Beginn des Films der kleine Samuel die abenteuerliche Welt eines Großstadtbahnhofs bestaunt, so beobachtet nun der Philadelphia-Cop fasziniert das Leben der einfachen bäuerlichen Menschen mit dem ungewohnten Akzent und der seltsamen Kleidung. Behutsam entwickelt sich zwischen Book und Rachel eine unerfüllte und unerfüllbare Liebe, die von den Dorfbewohnern argwöhnisch beobachtet wird. Zu verschieden aber sind beide Welten, als daß es für sie eine gemeinsame Zukunft gäbe. Ihr Prozeß der Annäherung wird schließlich auch noch von den auftauchenden Polizisten unter Leitung von Chef Shaeffer gestört. Book zieht ungewollt die Großstadtgewalt, der er zu entkommen suchte, nach sich. Die Mörder spüren ihn in der friedfertigen Gemeinde auf und wollen ihn töten - erst gemeinsam vermögen Books gewaltvolle Selbstverteidigung und die Gewaltlosigkeit der Amische die Bedrohung abzuwehren.

 


Bereits in früheren Filmen beschäftigte sich der Australier Peter Weir mit dem Zusammenprall von moderner Zivilisation und älteren, scheinbar unterlegenen Kulturen, Traditionen und Religionen. Das waren in seinen australischen Arbeiten vorwiegend die Mythen und Riten der Aborigines, der Ureinwohner des Kontinents, und auch für sein Hollywood-Debüt fand Weir - in Amerika - eine Volksgruppe, an der sich sein Thema festmachen ließ. Im Bundesstaat Pennsylvania leben heute noch die »Amish People« (Amische), die Nachfahren einer vor bald 300 Jahren aus Deutschland und der Schweiz eingewanderten Gruppe von Mennoniten, deren Lebensweise sich seit dem 18.Jahrhundert kaum verändert hat. Ihr Leben ist naturverbunden, zivilisationsfern, sie benützen weder Autos noch Fernsehen, weder Telefon noch Elektrizität und praktizieren einen rigorosen Pazifismus, der auch die Selbstverteidigung ausschließt.

John Book und Rachel fühlen sich beide zueinander hingezogen, haben aber keine gemeinsame Zukunft, zu unterschiedlich sind die Charaktere, die ihr Wesen diametral entgegengesetzten Sozialisationen verdanken. Glück ist ihnen nur für kurze Zeit beschieden, bei einem verbotenen Tanz oder wenn Book in der wohl eindrucksvollsten Sequenz des gesamten Films gemeinsam mit den Amish an einem einzigen Tag mit seiner Hände Arbeit eine neue Scheune errichtet. In diesen Momenten scheinen die beiden Lebensformen durchaus miteinander vereinbar, doch die Kluft ist viel zu tief. Sie offenbart sich bereits, wenn sich Book, eingezwängt in die uniforme Alltagskleidung der Amish, eitel im Spiegel betrachtet und auf Komplimente aus ist; sie wird offenkundig, wenn er den Amish, die durch jugendliche Städter in Bedrängnis geraten sind, auf seine überaus ruppige Art zu Hilfe kommt. Weir verweigert sich hier einem platten Happy-End, er zeigt, daß beide außerhalb ihrer angestammten Welt nicht glücklich werden könnten, daß ihre Gefühle füreinander rasch zerbrechen würden.

Peter Weir versteht es, die fruchtbare Landschaft als wirkliche Heimat der Amish und ihre Verwurzelung augenfällig zu machen, er findet grandiose Bilder für den Kontrast zwischen unterschiedlichen Lebensauffassungen und unterstreicht, daß sich diese Welten zwar berühren mögen, wobei beide Seiten durchaus ihren Nutzen aus dieser Annäherung ziehen, aber nie durchdringen werden. Weir entgeht völlig der Versuchung, schwarzweiß zu malen; er versagt sich jeglichem Anflug von Sentiment und Pathos. Er schildert die Stadt-Welt nicht als grundsätzlich schlecht, heroisiert auch nicht das bäuerlich-archaische Leben und macht daraus keine Utopie für zivilisationsgeschädigte Aussteiger. Weir zeigt, daß die Amische für ihre Autonomie, ihre Solidarität und ihre Naturverbundenheit den Preis einer rigiden Moral zahlen, macht deutlich, daß auch ihre Idylle bedroht ist, und sei es nur durch neugierige Touristen, die dorthin kommen wie nach Disneyland.

»Der Kriminalfilm ist im Grunde ein urbanes Genre, lebt von den undurchdringlichen Geheimnissen dunkler Seitenstraßen und Hinterhöfe, nutzt die städtische Kulisse als Projektionsfläche verborgener menschlicher Triebe. In Der einzige Zeuge erweisen sich die dörfliche Gemeinschaft und die Weite des Landes als ebenso geheimnisvoll, dunkel und voller Mysterien.« (Meinolf Zurhorst, Lexikon des Kriminalfilms). Weir hat einen überaus spannenden (Kriminal-)Film geschaffen, der auf Action - mit Ausnahme der gewalttätigen Schlußsequenz, die sich aber aus der Fabel völlig motiviert - weitgehend verzichten kann, weil er von Menschen handelt, die von sich aus faszinierend sind.



Academy Awards, USA
Jahr   Kategorie/Preisträger
1986
Oscar
Bester Schnitt - Thom Noble
Bestes Originaldrehbuch - William Kelley, Earl Wallace, Pamela Wallace
Bester Hauptdarsteller - Harrison Ford (Nominierung)
Best Ausstattung - John H. Anderson, Stan Jolley (Nominierung)
Beste Kamera - John Seale (Nominierung)
Beste Regie - Peter Weir (Nominierung)
Beste Musik - Maurice Jarre (Nominierung)
Bester Film - Edward S. Feldman (Nominierung)
 
British Academy Awards, UK
Jahr   Kategorie/Preisträger
1986
British Academy Award
Beste Musik - Maurice Jarre
Bester Hauptdarsteller - Harrison Ford (Nominierung)
Beste Hauptdarstellerin - Kelly McGillis (Nominierung)
Beste Kamera - John Seale (Nominierung)
Bester Schnitt - Thom Noble (Nominierung)
Bester Film - Edward S. Feldman, Peter Weir (Nominierung)
Bestes Originaldrehbuch - William Kelley, Earl Wallace (Nominierung)
 
Golden Globes, USA
Jahr   Kategorie/Preisträger
1986 Golden Globe
Beste Regie - Peter Weir (Nominierung)
Bestes Drama (Nominierung)
Beste Musik - Maurice Jarre (Nominierung)
Bester Hauptdarsteller (Drama) - Harrison Ford (Nominierung)
Beste Nebendarstellerin - Kelly McGillis (Nominierung)
Bestes Drehbuch - William Kelley, Earl Wallace (Nominierung)
 




Cinema Nr.84 (5/1985), S.34

Franz Everschor in: film-dienst, 10/1985; Torsten Teichert in: epd Film, 6/1985

Charlot, Alain: Die 100 besten Kriminalfilme (Heyne Filmbibliothek), München 1991

Hickethier, Knut/Schumann, Katja (Hrsg.): Filmgernes: Kriminalfilm, Stuttgart/Leipzig 2005

Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Stuttgart/Leipzig 1995

Müller, Jürgen: Filme der 80er, Köln 2002

Zurhorst, Meinolf: Lexikon des Kriminalfilms, München 1993