Zelig




Technisches
Land
 
USA
Jahr
 
1983
Länge
 
84 min. (2156 m)
Farbe
 
s/wcolor
Tonverfahren
 
Mono
Format
 
35 mm
Fantasy
 Drama
Komödie


Regie   Woody Allen
Drehbuch   Woody Allen
Kamera   Gordon Willis, Bill Hansard
Spezialeffekte   Karen Dean, Judith Lamb, Joe Hynick,
    Stuart Robertson, Robert Greenberg
Schnitt   Susan E. Morse
Musik   Dick Hyman
Ton   James Sabat, Frank Graziadei, Rick Dior,
    Dan Sable (Schnitt)
Prod.-Design   Mel Boume
Bauten   Les Bloom, Janet Rosenbloom
Ausstattung   Speed Hopkins
Kostüme   Santo Loquasto
Maske   Fern Buchner, John Caglione Jr. (Make-up),
    Romaine Greene, Werner Sherer (Frisuren)
Stunts   Pam Barber, Cole Palen
Produktion   Robert Greenhut für Rollins and Joffe/
    Orion Pictures
Verleih   Orion Pictures, Warner-Columbia


Kinostart
USA
  15.07.1983
D
  30.09.1983
       
Videostart
D
  Mai 1984
       
DVD
USA
  06.11.2001 (MGM Home Entertainment)
D
  03.11.2003 (MGM, Woody Allen Collection)
D
  05.07.2005 (MGM Home Entertainment)


 
USA
  11800000 $


Woody Allen   (Leonard Zelig)
Mia Farrow   (Eudora Fletcher)
John Buckwalter   (Dr. Sindell)
Sol Lomita   (Martin Geist)
Mary Louise Wilson   (Ruth Zelig)
Richard Litt   (Charles Koslow)
Garrett Brown   (Darsteller des Zelig in den
    zeitgenössischen Filmen)
Marianne Tatum   (Darstellerin der Eudora
    Fletcher)
Marvin Chatinover   (Drüsendiagnose-Doktor)
Stanley Swerdlow   (Mexikanisches-Essen-
    Diagnose-Doktor)
Paul Nevens   (Dr. Birsky)
Howard Erskine   (Hautarzt)
George Hamlin   (Doktor mit Versuchsdrogen)
Ralph Bell   (Doktor)
Richard Whiting   (Doktor)
Will Hussong   (Doktor)
Robert Iglesia   (Mann im Friseurstuhl)
Susan Sonntag    
Irving Howe    
Saul Bellow    
Bricktop    
Dr. Bruno Bettelheim    
Prof. John Morton Blum    


Während einer Gartenparty auf Long Island bemerkt Scott Fitzgerald verblüfft ein seltsames Individuum, das zwei verschiedene Persönlichkeiten zu haben scheint, je nach Umgebung entweder der Ober- oder der Unterschicht angehört. Etwas später wird ein Eindringling, der sich als Baseball-Spieler ausgibt, aus dem Trainingscamp der Yankees hinausgeworfen. Ein ähnliches Phänomen wird in einer berüchtigten Jazzkneipe in Chicago beobachtet. Alles klärt sich auf, als die New Yorker Polizei auf der Suche nach dem verschwundenen Angestellten Leonard Zelig im Chinesenviertel auf einen Mann stößt, der zwar aussieht wie ein Chinese, aber unzweifelhaft Leonard Zelig ist. Die Psychologin Dr. Eudora Fletcher beginnt sich für diesen seltsamen Fall zu interessieren. Sie plaziert Zelig neben Dicken, Negern und Indianern und siehe da: Willig nimmt der kleine Jude die Erscheinungsform seines Gegenübers an. Zunächst nur aus professionellem, bald aber schon aus privatem Interesse erforscht sie seine Vergangenheit und entlockt ihm mittels Tiefenhypnose das Geständnis, daß dieser seltsame Drang auf ein Schulerlebnis zurückzuführen ist, als Leonard zu seiner Schande gestehen mußte, nie MOBY DICK gelesen zu haben. Während Eudora gerade mit dem Hospitalsdirektorium um den Fall ringt, entführen seine Halbschwester Ruth und ihr Liebhaber Zelig aus dem Krankenhaus und machen ihn zu einer Attraktion. Nachdem Ruths Affäre mit einem spanischen Stierkämpfer mit dem Tod aller Beteiligten endet, verschwindet Zelig, taucht aber wieder auf, als er einen kleinen Skandal im Vatikan verursacht und Papst Pius XI. auf dem Petersplatz zu harten Schlägen mit der Bibel motiviert. Langsam schlägt Eudoras Kur an, unter Hypnose gesteht ihr Zelig sogar seine Liebe. Kurz nach der Heirat jedoch prasseln die Bigamieklagen über Zelig herein, der sich in seinen anderen Identitäten scheinbar wild durchs Land geheiratet hat. Er fällt in Ungnade bei der Sensationspresse, erleidet in einem griechischen Restaurant einen Rückfall und verschwindet erneut. Erst im Kino begegnet Eudora Leonard wieder - ausgerechnet in einer Wochenschau, wo sie ihren Geliebten inmitten der Nazis aufmarschieren sieht. Sofort fliegt die Psychologin nach Deutschland und schnappt Zelig von Hitlers Seite weg, just als dieser während einer Kundgebung einen Witz über Polen machen will. Die beiden kapern ein Flugzeug, fliegen kopfüber der Konfettiparade in New York entgegen und wandern anschließend, glücklich die eine, kuriert der andere, in den Sonnenuntergang.

 


»Eine faszinierende Geschichte, die nur einen kleinen Haken hat: Dieser Leonard Zelig, der neben illustren Größen wie Chaplin, Cagney und Präsident Hoover auftritt, jenes Phänomen der Dreißiger, ist natürlich pure Fiktion. Woody Allen, dem schon des öfteren vorgeworfen wurde, seine Identitätskrisen auf die Leinwand zu projizieren, schlägt dieses Mal zurück und serviert die größte Identitätskrise von allen. Gleichsam als Reaktion auf die ebenfalls gehörten Vorwürfe des Epigonentums wählt er dabei auch gleich einen ›Nicht-Stil‹: Zelig collagiert streng dokumentarisch alte Wochenschauen, stilecht nachgedrehte neue Szenen und, als kleinen Seitenhieb auf Warren Beattys Reds, farbige Inserts, in denen intellektuelle Großkaliber wie Saul Bellow oder Bruno Bettelheim (›Zelig war der ultimate Konformist‹) hochgeistige Kommentare abgeben.« (Hahn/Jansen, Das neue Lexikon des Fantasy-Films).

»Der Citizen Kane der 80er Jahre, der einmal mit Sicherheit zu den besten Filmen aller Zeiten gehören wird. Dieser geniale Wurf, der in Form einer fiktiven Dokumentation nichts weniger leistet als die Biographie des modernen Jedermann, des menschlichen Chamäleons Leonard Zelig, ist Psychoanalyse und Histographie. Es ist der Film über Identität und eine Meditation über Berühmtheit, er erzählt von Heilung durch Liebe und Vertrauen, er ist als intelligente Konstruktion und Rekonstruktion ein unerschöpflicher Quell von Hinweisen und Zitaten und zugleich romantisch und tragisch, ist Lebensspiegel und filmische Philosophie, nicht zu beschreiben und unvergleichbar, ein Monolith.« (Hans Gerhold,Filmdienst).

»Unter den großen Komödien von Woody Allen ist Zelig die schwärzeste, die hintergründigste, zugleich eine gnadenlose Parodie auf die verbrauchten Stilmittel des herkömmlichen Dokumentarfilms mit seinem allwissenden Kommentator, seinen optischen und akustischen Manipulationen. Das gefälschte Dokument Zelig erweist sich auch als ein Versuch über die Natur des Fälschermediums Kino.« (Die Zeit).

»In der Tat: Woody Allen trifft exakt den ach so bekannten Ton der Dokumentarstreifen, die mit ihren Reader's-Digest-Attitüden Geschichte(n) eher verfälschen denn genau darstellen. Die gestellten Szenen, grobkörnig, verkratzt und heftig knisternd, fügen sich nahtlos in die echten ein; die Schauspieler reagieren steif wie reale, im Rampenlicht gefangene Durchschnittsbürger, geben beklemmende Impressionen von der Gnadenlosigkeit der sie hetzenden Kameras. Die Leistungen der Retuscheure und Tricktechniker schließlich, die Allen hier in alte Wochenschauen des Hearst-Konzerns oder der 20th-Century-Fox einkopieren, kann man ohne Übertreibung als perfekt bezeichnen. Hinter der originellen Grundidee und der faszinierenden formalen Gestaltung aber verbirgt sich der alte Woody, den der Aufbau dieses historischen Vexierspiels eher am Rande interessiert. Der mit soviel Finesse konstruierten Spiegelhalle, in der sich alles verliert und sich ein Niemand zum Star aufbläht, kommt eher dekorative Funktion zu, da sie Allen kaum in dem Maße benutzt, wie es möglich gewesen wäre. Zelig ist im Grunde genommen nichts weiter als die Neuauflage jener typischen Allen-Figur, in höchste Höhen absurder Komik übersteigert freilich.« (Hahn/Jansen, Das neue Lexikon des Fantasy-Films). »An den Deformationen des um seine Identität betrogenen Individuums reflektiert Allen die Deformationen der Gesellschaft. Denn in der krankhaften Übersteigerung übersteigt er nur eine Krankheit, an der alle mehr oder weniger leiden.« (SZ). Zeligs propagierte Lösung verrät dabei nur zu deutlich den Romantiker: Similis similibus curentur. Das Bedürfnis nach Liebe löst die Krankheit aus, wahre Liebe in Form des Psychologen-Schutzengels wird sie kurieren. Am Schluß ist Zelig angepaßt, hat seine Identität endlich gefunden, und darf nun bis zu seinem Tod (Sterbebettlektüre: Moby Dick) ein restlos langweiliges Leben auf dem Lande führen.

»Zelig, dieses Feuerwerk rascher Pointen und eleganter Einstellungen ist im Grunde ein melancholischer Film.« (Kölner Stadtanzeiger).



Academy Awards, USA
Jahr   Kategorie/Preisträger
1984
Oscar
Beste Kamera - Gordon Willis (Nominierung)
Beste Kostüme - Santo Loquasto (Nominierung)
 
British Academy Awards, UK
Jahr   Kategorie/Preisträger
1984
British Academy Award
Beste Kamera - Gordon Willis (Nominierung)
Bester Schnitt - Susan E. Morse (Nominierung)
Beste Maske - Fern Buchner, John Caglione Jr. (Nominierung)
Bestes Originaldrehbuch - Woody Allen (Nominierung)
Beste Spezialeffekte - Gordon Willis, Joel Hynek, Stuart Robertson, Richard Greenberg (Nominierung)
 
Golden Globes, USA
Jahr   Kategorie/Preisträger
1984
Golden Globe
Beste Komödie/ Bestes Musical (Nominierung)
Bester Hauptdarsteller (Musical/Komödie) - Woody Allen (Nominierung)
 
Filmfestival Venedig, Italien
Jahr   Kategorie/Preisträger
1983
Goldener Löwe
Bester Film (Premio Francesco Pasinetti) - Woody Allen
 



 
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Jürgen Ebert in: Filmkritik, 9-10/1984; Richard Feldstein in: Literature/Film Quarterly, 3/1985; Hans Gerhold in: film-dienst, 24/1985; Peter Hogue/Martin Bronson in: Film Quarterly, 1/1984-85; Josef Schnelle in: film-dienst, 21/1983; Roland Weinicke in: medien+erziehung, 3/1984

Cinema Nr.65 (11/1983), S.88

Felix, Jürgen: Woody Allen, Marburg 1992

Gerold, Hans: Woodys Welten (Fischer Cinema), Frankfurt a.M. 1991

Girgus, Sam B.: The Films of Woody Allen, Cambridge (Mass.) 1993

Hahn, Ronald M./Giesen, Rolf: Das neue Lexikon des Fantasy-Films, Berlin 2001

Kael, Pauline: For Keeps, New York 1994

Koebner, Thomas (Hrsg.): Filmklassiker, Stuttgart/Leipzig 1995

Rauh, Reinhold: Woody Allen (Heyne Filmbibliothek), München 1991